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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart (Band 1) — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.26745#0120
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102

Erfl.es Buch.

Harpagos vermuthet, bis neuerdings Ulrichs es als Siegeszeichen für die Eroberung
von Telmiflos durch die Xanthier (ca. 370 v. Chr.) erklärt hat. Auch hier macht
lieh in der ganzen kündlerifchen Ausprägung der Einfluß ionilcher Sinnesweife
bemerklich, während in der Anlage eine gelteigerte Fortbildung der eigentlich
lycifchen Denkmäler zu erkennen ift. Es erhob lieh auf rechtwinkligem, relief-
gefchmücktem Unterbau als kleine, von einer ionifchen Säulenhalle umgebene
Cella. Die Vorderfeite fchmückten vier, die Langfeite fechs Säulen von kurzem
Verhältniß mit ionifcher Bafis und einem kräftigen Kapitäl von doppelten Voluten
und zwiefachem Pollter, das an den Seiten durch ein Schuppenband und zwei
Perlfchnüre gehalten wird*). Das Gebälk belteht nur aus dem mit Reliefs ge-
fchmückten Architrav, über deffen Kranzgefims fich der tempelartige Giebel erhebt.

Alter der Die Frage nach dem Alter der kleinaliatifchen Monumente kann, fo lange

die Infchriften derfelben noch unentziffert bleiben, nur annäherungsweife, zumeilt
aus dem Charakter der Bildwerke, beantwortet werden. Die primitiven Grabhügel
Lydiens mögen leicht bis zu den Zeiten des Gyges (ca. 700 v. Chr.) und Alyattes
(612 — 563) hinaufreichen. Darauf folgen, wohl noch dem fechften Jahrh. ange-
hörig, die phrygifchen Grabmäler, die durch ihre naive Behandlungsweife jeden-
falls ein höheres Alter beanfpruchen dürfen, als die ohne Zweifel erlt dem fünften,
vierten und dritten Jahrhundert zuzufchreibenden lycifchen Werke. Seit dem
fünften Jahrhundert etwa dringen die Formen der feiner ausgebildeten hellenifchen
Kunft mehr und mehr in die Bauweife Kleinaliens ein und löfen die urfprüng-
liche Befonderheit des nationalen Styles um fo leichter auf, als derfelbe, wie wir
gefehen, aus eigener fchöpferifcher Kraft ohnehin nicht zur confequenten Aus-
prägung eines in und für das Steinmaterial erdachten baulichen Organismus ge-
langt zu fein fcheint.

Bedeutung Als wichtige Momente für die baugefchichtliche Würdigung haben wir indeß

Denkmäler, an den Bauten Kleinaliens alle jene Einzelformen hervorzuheben, welche, in Ver-
bindung mit manchen Details babylonisch-affyrifcher und perfifcher Kunft, eine
Gleichartigkeit, wrenn auch nicht des baukünftlerifchen Genius überhaupt, fo doch
des Formgefühls bei all diefen weftafiatifchen Völkergruppen bekunden. Wir
werden fpäter in der griechifch-ionifchen Bauweife die reife Frucht kennen lernen,
in welcher das verwandte Streben feinen edelften, höchften, geläuterten Ausdruck
gewann.

SECHSTES KAPITEL.
Indische Baukunst,

1. Land und Volk.

Natur des Ein tiefgeheimnißvolles, durch Wunderfagen genährtes Intereffe richtete fchon
Lande.,. jen Seiten Alexanders die Sehnfucht der weltlichen Völker nach dem fernen
indifchen Olten hin. Die moderne Wiffenfchaft hat diefes Intereffe nicht mindern

*) Die Verwandtfchaft diefes Kapitals mit.dem vom Erechtheion habe ich in meiner Gefch.
d. Plaftilc III. Aufl. I S. 235 Anm. 1 nachgewiefen.
 
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