ANHANG.
Charakter
derfeiben.
Kirchen-
anlagen.
Inneres.
Aeufseres.
Einfachere
Anlagen.
A. Russische Baukunst.
Gleich der muhamedanifchen ging auch die ruffifche Architektur*) vorzüg-
lich von byzantinilchen Einwirkungen aus; gleich jener ift auch fie ihrem
Wefen nach ein Product des Orients. Aber man würde lieh irren, wollte man
in ihr einen Hauch von dem liebenswürdigen, geiftreichen Wefen buchen, welches
jene überall in mannichfaltiger Weife zur Erfcheinung gebracht hat. Es ift der
Orientalismus in feiner geiftlofeften, barbarilchften Form, byzantinilcher Pomp in
aftatifcher Verwilderung, der in diefem Style zur Geltung kommt.
Die Grundanlage, das griechifche Kreuz, deflen Hauptpunkte durch Kuppeln
hervorgehoben werden, ift auf Byzanz zurückzuführen, Von dorther empßng
Rußland auch gegen Ende des io. Jahrh. unter Wladimir dem Großen das
Chriftenthum. Kiew und Nowgorod, die alten Hauptftädte des Landes,
prangten mit koftbaren Kirchen. Denn auch hier war Reichthum und Prunk der
Ausftattung der vornehmfte Gelichtspunkt der Erbauer. So verfchwenderifch aber
auch das Innere mit Moiaiken und dem Schimmer edler Metalle gefchmückt wird,
fo eng, düfter und gedrückt ift gleichwohl der Eindruck desfelben. Hier weht
kein Athemzug eines freien Gedankens, einer erhöhten, begeifterten Empfindung.
Der Despotismus, der felbft die Gewiffen knechtet, laftet mit bleierner Schwere
auf diefer Architektur und verbannt aus ihr Licht, Luft und freudiges Aufftreben.
Am Aeußeren aber feiert er in barbarifch-wilder Luft feine finnlofen Orgien.
Aus dem niedrig gedrückten Körper des Baues wuchern eine Anzahl von Thürmen
und Kuppeln hervor, in den ausfehweifendften Formen fich gebahrend. Halb-
kugelig, eiförmig, ausgebaucht, birnenartig gewunden, bald kraus und hoch hin-
auffchießend, bald lchwerfallig breit hingedehnt, dabei mit bunten Farben und
Vergoldung bedeckt, fehen iie nach Kugler’s treffendem Vergleiche «einem Knäuel
glitzernder Riefenpilze» ähnlich. So find auch die übrigen Theile des Aeußeren
mit barbarifch verwilderten Ornamenten in greller Bemalung vollftändig bedeckt.
Man begreift diefen Bauwerken gegenüber jene Gefchichte vom Baumeifter der
der «fchützenden Muttergottes» geweihten Kirche Wassilij Blagennoi zu
Moskau, welchem Iwan Was sil je witsch der Schreckliche die Augen ausftechen
ließ, damit er kein zweites Weltwunder baue.
Ehe es jedoch zu diefer üppigen Entartung kam, die man den fpezififch rufli-
lchen Styl nennen darf, ift eine Reihe von Monumenten voraufgegangen,' die noch
ziemlich einfach die Elemente des fpäteren byzantinifchen Styles mit feinen
fchlichten Grundrißanlagen und feinen fchlanken Kuppeln wiederholen. Solcher
Art ift die Kathedrale d. h. Dimitri zu Wladimir an der Klasma: ein ungefähr
quadratifcher Bau, aus deflen Mitte eine Kuppel lieh auf vier Pfeilern erhebt,
*) Das Folgende beruht auf den Aufnahmen ruffifcher Kirchen und Paläfte in dem, leider nur
mit ruffifchem Text herausgegebenen Prachtwerke: HaMHTHHKU gfpeBHflro pyccKaro 3o/i,qecTBa.
(wnp). (fe^opa PuxTepa. MocKBoa 1850 ro,a,a.
Charakter
derfeiben.
Kirchen-
anlagen.
Inneres.
Aeufseres.
Einfachere
Anlagen.
A. Russische Baukunst.
Gleich der muhamedanifchen ging auch die ruffifche Architektur*) vorzüg-
lich von byzantinilchen Einwirkungen aus; gleich jener ift auch fie ihrem
Wefen nach ein Product des Orients. Aber man würde lieh irren, wollte man
in ihr einen Hauch von dem liebenswürdigen, geiftreichen Wefen buchen, welches
jene überall in mannichfaltiger Weife zur Erfcheinung gebracht hat. Es ift der
Orientalismus in feiner geiftlofeften, barbarilchften Form, byzantinilcher Pomp in
aftatifcher Verwilderung, der in diefem Style zur Geltung kommt.
Die Grundanlage, das griechifche Kreuz, deflen Hauptpunkte durch Kuppeln
hervorgehoben werden, ift auf Byzanz zurückzuführen, Von dorther empßng
Rußland auch gegen Ende des io. Jahrh. unter Wladimir dem Großen das
Chriftenthum. Kiew und Nowgorod, die alten Hauptftädte des Landes,
prangten mit koftbaren Kirchen. Denn auch hier war Reichthum und Prunk der
Ausftattung der vornehmfte Gelichtspunkt der Erbauer. So verfchwenderifch aber
auch das Innere mit Moiaiken und dem Schimmer edler Metalle gefchmückt wird,
fo eng, düfter und gedrückt ift gleichwohl der Eindruck desfelben. Hier weht
kein Athemzug eines freien Gedankens, einer erhöhten, begeifterten Empfindung.
Der Despotismus, der felbft die Gewiffen knechtet, laftet mit bleierner Schwere
auf diefer Architektur und verbannt aus ihr Licht, Luft und freudiges Aufftreben.
Am Aeußeren aber feiert er in barbarifch-wilder Luft feine finnlofen Orgien.
Aus dem niedrig gedrückten Körper des Baues wuchern eine Anzahl von Thürmen
und Kuppeln hervor, in den ausfehweifendften Formen fich gebahrend. Halb-
kugelig, eiförmig, ausgebaucht, birnenartig gewunden, bald kraus und hoch hin-
auffchießend, bald lchwerfallig breit hingedehnt, dabei mit bunten Farben und
Vergoldung bedeckt, fehen iie nach Kugler’s treffendem Vergleiche «einem Knäuel
glitzernder Riefenpilze» ähnlich. So find auch die übrigen Theile des Aeußeren
mit barbarifch verwilderten Ornamenten in greller Bemalung vollftändig bedeckt.
Man begreift diefen Bauwerken gegenüber jene Gefchichte vom Baumeifter der
der «fchützenden Muttergottes» geweihten Kirche Wassilij Blagennoi zu
Moskau, welchem Iwan Was sil je witsch der Schreckliche die Augen ausftechen
ließ, damit er kein zweites Weltwunder baue.
Ehe es jedoch zu diefer üppigen Entartung kam, die man den fpezififch rufli-
lchen Styl nennen darf, ift eine Reihe von Monumenten voraufgegangen,' die noch
ziemlich einfach die Elemente des fpäteren byzantinifchen Styles mit feinen
fchlichten Grundrißanlagen und feinen fchlanken Kuppeln wiederholen. Solcher
Art ift die Kathedrale d. h. Dimitri zu Wladimir an der Klasma: ein ungefähr
quadratifcher Bau, aus deflen Mitte eine Kuppel lieh auf vier Pfeilern erhebt,
*) Das Folgende beruht auf den Aufnahmen ruffifcher Kirchen und Paläfte in dem, leider nur
mit ruffifchem Text herausgegebenen Prachtwerke: HaMHTHHKU gfpeBHflro pyccKaro 3o/i,qecTBa.
(wnp). (fe^opa PuxTepa. MocKBoa 1850 ro,a,a.