So hatte Cranach in seinen ersten Wittenberger Jahren
einen ihm freundlichen Kreis von Menschen desselben
Typus um sich, dem er in Wien begegnet war. Und doch
war seine Situation von Grund auf anders als zuvor.
Soviel wir wissen, hatte er bis 1504 als ein im Rahmen
der allgemeinen Bindungen freier Künstler gearbeitet;
nun aber war er ein Hofbeamter, ein „kurfürstlicher
Diener“, wie es damals hieß. Diese Veränderung in
seinem gesellschaftlichen Sein ist von den Bildern ab-
zulesen, die er um 1506 geschaffen hat. Vornehmlich die
Mitteltafel des sogenannten Katharinenaltars, die —
nebst einem der Flügel — in der Pillnitzer Galerie er-
halten ist, zeigt, mancher schönen Einzelheiten un-
geachtet, im ganzen einen künstlerischen Rückschlag,
den man nur daraus erklären kann, daß Cranach mit
den Anforderungen seines Amtes noch nicht fertig wurde.
Die Komposition des Gemäldes — sie erinnert ein wenig
an die einer ungeschickten Photomontage — mußte ihm
mißlingen, weil er die dargestellte legendäre Hinrich-
tungsszene mit einem Wust von Bildnissen höfischer,
kirchlicher und gelehrter Personen überlud, wozu ihn
wahrscheinlich die Wünsche der Besteller zwangen.
Die kühne Sicherheit der Raumbeherrschung und des
Zusammenklanges von Mensch und Natur, durch die
sich der Maler der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten
ausgezeichnet hatte, war gestört.
Wittenberg, eine Lokalgewerbestadt von etwa 400 Häu-
sern und 2000 Einwohnern, besaß noch keine nennens-
werte kulturelle Tradition und lag von den Zentren
des künstlerischen Aufschwunges entfernt; die humani-
stischen Akademiker waren vorwiegend literarisch
interessiert und konnten dem Maler in seinem Fach
nicht weiterhelfen. Es war daher ein Glücksfall, daß der
Kurfürst den Künstler nach den Niederlanden schickte.
Cranach reiste vermutlich im Winter 1508 /09 und kehrte
im Frühjahr zurück. Wahrscheinlich gehörte er zu einer
diplomatischen oder repräsentativen Gesandtschaft an
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einen ihm freundlichen Kreis von Menschen desselben
Typus um sich, dem er in Wien begegnet war. Und doch
war seine Situation von Grund auf anders als zuvor.
Soviel wir wissen, hatte er bis 1504 als ein im Rahmen
der allgemeinen Bindungen freier Künstler gearbeitet;
nun aber war er ein Hofbeamter, ein „kurfürstlicher
Diener“, wie es damals hieß. Diese Veränderung in
seinem gesellschaftlichen Sein ist von den Bildern ab-
zulesen, die er um 1506 geschaffen hat. Vornehmlich die
Mitteltafel des sogenannten Katharinenaltars, die —
nebst einem der Flügel — in der Pillnitzer Galerie er-
halten ist, zeigt, mancher schönen Einzelheiten un-
geachtet, im ganzen einen künstlerischen Rückschlag,
den man nur daraus erklären kann, daß Cranach mit
den Anforderungen seines Amtes noch nicht fertig wurde.
Die Komposition des Gemäldes — sie erinnert ein wenig
an die einer ungeschickten Photomontage — mußte ihm
mißlingen, weil er die dargestellte legendäre Hinrich-
tungsszene mit einem Wust von Bildnissen höfischer,
kirchlicher und gelehrter Personen überlud, wozu ihn
wahrscheinlich die Wünsche der Besteller zwangen.
Die kühne Sicherheit der Raumbeherrschung und des
Zusammenklanges von Mensch und Natur, durch die
sich der Maler der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten
ausgezeichnet hatte, war gestört.
Wittenberg, eine Lokalgewerbestadt von etwa 400 Häu-
sern und 2000 Einwohnern, besaß noch keine nennens-
werte kulturelle Tradition und lag von den Zentren
des künstlerischen Aufschwunges entfernt; die humani-
stischen Akademiker waren vorwiegend literarisch
interessiert und konnten dem Maler in seinem Fach
nicht weiterhelfen. Es war daher ein Glücksfall, daß der
Kurfürst den Künstler nach den Niederlanden schickte.
Cranach reiste vermutlich im Winter 1508 /09 und kehrte
im Frühjahr zurück. Wahrscheinlich gehörte er zu einer
diplomatischen oder repräsentativen Gesandtschaft an
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