Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
vorgenommen wurde. Deshalb ist mancherlei Schutt
zu beseitigen, wenn man den echten Cranach sucht.
Wiedergewonnen wird dabei ein deutscher Künstler,
der auf dem Gipfel seines Lebens und seiner Kunst dem
revolutionären Kampf des aufsteigenden Bürgertums
gegen den mittelalterlichen Feudalismus eng verbunden
war und der einen unvergänglichen Beitrag zur Ent-
wicklung des Realismus geleistet hat. In seinen besten
Schöpfungen — und ihre Zahl ist nicht gering — hat
er die Höhe einer volkstümlichen Meisterschaft erreicht,
die die Jahrhunderte überdauert. Ein wenig gilt jedoch
auch für ihn, was Friedrich Engels über den Zwiespalt
in Goethes Werk geschrieben hat 17. In dieser einen
Hinsicht dem größten deutschen Dichter und Weimarer
Seite 123 Geheimrat vergleichbar, war der Maler und Wittenberger
Bürgermeister mit dem einen — dem für uns vorbild-
lichen—Teil seines Wesens ein Gestalter des fortschritt-
lichen Ideengutes seiner Epoche und mit dem anderen
ein „rücksichtsvoller, genügsamer, enger Philister“.
Wenn wir das klar erkennen und aussprechen, schmä-
lern wir Cranachs Andenken nicht, sondern befreien es
von den Verzerrungen, die es uns entfremdet hatten.
Nur auf dem Weg einer kritischen Aneignung, die zu-
gleich eine nationaie Selbstkritik an den Schwächen und
Versäumnissen unserer Geschichte ist, wird uns sein
Erbe zum sicheren Besitz, zum fördernden Vorbild und
zur fruchtbringenden Mahnung.

47 Vergl.: Marxund Engels über Kunst und Literatur, S. 218/19.

48
 
Annotationen