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Verdienste Deutschlands und des Herzogs von Sachsen), worin
u. a. Albrecht Dürer gewürdigt wird. Am 16. Dezember 1 1508
sprach er anläßlich der Promovierung des Kantors Ulrich von
Tenstädt und des Scholastikus und Syndikus Kaspar Schicker
in der Wittenberger Stiftskirche vor einem illustren Publikum,
das aus Gelehrten und den Teilnehmern eines kurfürstlichen
Turniers bestand. Er war ein glänzender Redner und verstand
es, seine Karriere durch gut angebrachte Schmeicheleien zu
fördern .1512 kehrte er nach Nürnberg zurück, wo er als Rechts-
berater des Rates eine einträgliche Stellung erhielt. Von 1517 an
wechselte er freundschaftliche Briefe mit Luther und dessen
Freunden, trat aber nichtsdestoweniger in enge Beziehungen zu
Dr. Eck, dem erbitterten Luther-Gegner, angeblich, um zwischen
den Parteien zu vermitteln. Ähnlich wie Erasmus von Rotter-
dam und andere Humanisten sympathisierte Scheurl zunächst
mit der Reformation, fiel dann aber gänzlich von ihr ab.
(Franz Freiherr von Soden: Beiträge zur Geschichte der Refor-
mation und der Sitten jener Zeit mit besonderem Hinblick auf
Christoph Scheurl II. Nürnberg 1855.)

Der überschwengliche Stil des an Cranach gerichteten Wid-
mungsbriefes entspricht den Gepflogenheiten der Humanisten.
Die Lobeserhebungen sind mit dem attischen Salz einer feinen
Ironie gewürzt. Der eingeweihte Leser soll die Grazie bewun-
dern, mit der der Verfasser die aufdringlichsten Elogen in einem
Ton zu sagen weiß, der ihre Peinlichkeit mildert; und der Emp-
fänger soll denken: Du schmeichelst mir, aber du gefällst mir.
Humanistenbrauch sind auch die Anspielungen auf die Malerei
des klassischen Altertums; die von Scheurl auf Cranach an-
gewandten antiken Künstleranekdoten waren um 1500 Ge-
meinbesitz der Gebildeten und wurden vielfach zu schmük-
kenden Vergleichen herangezogen. Scheurls Mitteilungen über
Cranachs Tätigkeit als Jagdmaler sind im wesentlichen richtig.
Mehrere Jagdbilder von des Meisters Hand und aus seiner
Werkstatt (in Wien, Madrid, Basel, Kopenhagen, Paris usw.)
beweisen es ebenso wie Cranachs ausgezeichnete Natur-
Tafel 15 studien von Wildschweinen, erlegten Vögeln usw. Die Kennt-
nis der Fauna, die er sich als Begleiter der jagdlustigen Für-
sten erworben hatte, nutzte er für die Randzeichnungen zum

1 So nach dem Titel seiner ,,oratio“; in der Cranach-Literatur wird durch-
weg der 16. November angegeben.

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