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Heine, Hans-Wilhelm
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 28): Die ur- und frühgeschichtlichen Burgwälle im Regierungsbezirk Hannover — 2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68709#0070
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Die neolithischen Erdwerke werden sich durch Flugprospektion und weitere Aufschlüsse vermehren, dies
ist nur eine Frage der Zeit. Wichtig ist für die Forschung und Denkmalpflege, auch an eine Gesamtausgra-
bung einer einzelnen Anlage unter Einbeziehung des Umlandes in etwa 2 bis 3 km Umfang zu denken. Im
Regierungsbezirk Hannover beschränken sich die neolithischen Erdwerke mit einer Ausnahme bislang auf
die Lösszone am Nordrand des niedersächischen Berglandes. Das Frühneolithikum ist erst ansatzweise
greifbar, während mittelneolithische Erdwerke häufiger erscheinen.
Höhensiedlungen und Befestigungen der Bronzezeit sind im Regierungsbezirk Hannover bislang nicht
nachweisbar. Wie Beispiele aus Ost- und Südniedersachsen zeigen, dürfte dies am schlechten Kenntnisstand
liegen. Doch scheint ihre Zahl sowieso kleiner gewesen zu sein als die der eisenzeitlichen Anlagen. Mit dem
Negenborner Burgberg nahe Einbeck im Landkreis Northeim und der Barenburg bei Wülfinghausen wer-
den Höhensiedlungen bzw. Befestigungen der vorrömischen Eisenzeit deutlich, die sich zum hessisch-
thüringischen Raum mit seinen Einflüssen der keltischen Latenekultur orientieren. Der Zeithorizont der
keltischen Oppida wird aber nicht erreicht. Ob dies eine allgemeine Erscheinung im Leinebergland ist,
bleibt noch zu prüfen. Die Amelungsburg bei Langenfeld (252/3) orientiert sich offensichtlich nach Ost-
westfalen-Lippe. Bei einer Reihe weiterer Burgwälle bleibt die eindeutige Datierung in die vorrömische
Eisenzeit weiterhin durch Grabung zu klären. Aus der Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit
gibt es keine eindeutig nachgewiesenen Befestigungen der Germanen oder Römer.
Methodisch schwierig ist es, innerhalb der dem frühen oder beginnenden hohen Mittelalter zugewiesenen
Burgwälle und Befestigungen verschiedene Zeithorizonte zu unterscheiden. So lassen sich trotz der Nähe
zu Westfalen derzeit keine Burgen aus der Zeit der fränkischen Okkupation festmachen. Was die Dom-
burgen und Bischofsburgen des frühen Mittelalters betrifft, so ist mit Hildesheim ein Bischofssitz vorhan-
den, der systematische archäologische Forschungen auch außerhalb der Domkirche erfahren hat. Damit
sind hier die typischen Grundzüge eines nord- und mitteldeutschen Bischofsitzes gut zu umreißen. Neben
den Resten der älteren Domkirchen sind Teile der karolingischen Befestigung und der um 1000 errichte-
ten Bernwardsmauer mit Rundturm archäologisch untersucht. Auf einen Kranz von Burgen bzw. geistli-
chen Einrichtungen um Hildesheim ist schon früher in der Forschung hingewiesen worden. Auch der
Bischof von Minden hat spätestens um 1000 mit der Nienburg (256/4) wenigstens eine Befestigung im
Mittelwesergebiet. Mit der Pfalz Dahlum (254/2) und dem Königshofs Brüggen (254/3) sind zwei königliche
Anlagen des frühen Mittelalters zu nennen, die der archäologischen Forschung harren. Bei der ottonischen
Pfalz Dahlum scheint eine Struktur sichtbar zu werden, wie sie von der Pfalz Werla bekannt ist: eine größere
Hauptburg und eine verhältnismäßig große Vorburg, deren Struktur und Funktion in Dahlum noch zu be-
stimmen ist. Auch Dahlum dürfte aus einer älteren liudofingischen Befestigung hervorgegangen sein. Bor-
denau fällt als Königshof sicher aus, während das karolingische Elze bald nach der Gründung des Bistums
Hildesheim an Bedeutung verlor, so dass die historische Topographie bis auf die Kirche unklar bleibt.
Die weiteren frühmittelalterlichen Burgwälle wurden, soweit möglich, nicht nur auf Grundlage der vor-
handen Grabungsbefunde und Funde, sondern auch nach ihren Baumerkmalen untersucht, wobei sich ge-
genüber anderen Landschaften keine gravierenden Abweichungen ergaben. Auf eine weitere Systemati-
sierung wurde aber auf Grund des Forschungsstandes verzichtet, zumal zur Verifizierung und Präzisierung
älterer Grabungsergebnisse Befunderhebungen sowie an unerforschten Anlagen zumindest Sondierungs-
grabungen erforderlich wären. Auf jeden Fall kann man auch im Regierungsbezirk Hannover mit ruhigem
Gewissen von dem alten alleinigen Erklärungsmuster „Fluchtburg“ abrücken. Punktuell zeichnet sich auch
hier eine Funktionsverschiebungen zum Adelssitz mit Wirtschaftsfunktion ab bzw. auf Grund der kleinen
Fläche bei den tendenziell als jünger angesehenen Burgwällen die Nutzung durch kleinere Gruppen (z. B.
durch Familienverbände). Eigentümer und Bauherren wird man außerhalb des Milieus von König und
Kirche aus bekannten historischen Gründen im Kreis des Adels suchen müssen, was immer darunter zu
verstehen ist. Wie in anderen Teilen Nordwestdeutschlands, so hat man auch im Regierungsbezirk Hanno-
ver davon auszugehen, dass traditionelle Befestigungsformen, z. T. in reduzierten Dimensionen, auch im
hohen Mittelalter fortleben. Die Innenbebauung, soweit erforscht, entspricht mit einer lockeren zum Rand
orientierten Bebauung dem Üblichen. Auffällig ist, dass im benachbarten Westfalen auch die mittelgroßen
und kleineren Burganlagen des frühen Mittelalters häufig früher datieren. Ob dieser Unterschied nach

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