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Mannheimer Abendzeitung. Landtags-Bericht — 1848

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Nr. 32 - Nr. 40
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https://doi.org/10.11588/diglit.47792#0067
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1848

Mannheimer Abendzeitung :rr.
Landtags - Bericht.

Karlsruhe, 27. Januar. Fünfzehnte öffent-
liche Sitzung der 2. Kammer unter dem Präsidium Mit-
Lermaier's. (Forts.)
v. Soiron fährt fort:
Mein Antrag geht somit dahin:
auf die Vorschläge der Regierung nicht einzutre-
ten, sondern abzuwarten, bis auf gesetzlichem Wege
ein Borg- und Nachlaßvergleich zu Stande gekom-
men ist.
An der Spitze des Regierungsvorschlags steht ja
ebenfalls, daß die Staatshilfe bloß dann in Kraft treten
solle, wenn ein Borg- und Nachlaß-Vergleich erfolgt sei.
Es frägt sich also nur, ob es für uns zweckmäßi-
ger sei, daß dieser Vergleich vorher, oder daß er nach-
her geschehe. Der einfachste Verstand wird einsehen,
daß wir in günstigerer Stellung sind, wenn wir die An-
erbieten der Betheiligten abwarten.
Der Redner führt dann hauptsächlich aus, daß die
Gerichtsbehörden den Gesetzen gemäß sich der Masse
hätten versichern, den Schuldenstand untersuchen und den
zusammenberufenen Gläubigern vorlegen sollen. Die
betreffenden Gesetze seien dazu da, um angewendet zu
Werden; sie seien zur Aufrechterhaltung des öffentlichen
Credits gegeben, damit nicht betrügerische Bankerotte be-
mäntelt werden können. Bis heute sei aber darin noch
Nichts geschehen, das Gläubiger-Konsortium sei noch un-
gewiß, und wenn man heute glaube, Alles in's Reine
gebracht zu haben, so könne morgen ein einzelner Gläu-
biger kommen und Alles umwerfen. Eine solche Lage
sei einer Volksrepräsentation unwürdig. Den Einwand,
als ob in Folge eines solchen Verfahrens vie Fabriken
jetzt schon still stehen müßten, widerlegt der Redner da-
durch, daß ja der Fortbetrieb beschlossen werden könne;
und daß die Gläubiger viel zu gescheit seien, als daß
sie nicht darauf eingingen. — Die Minister, sagt Soi-
ron, werden die sofortige Erledigung des Gegenstandes
hoffentlich nicht zur Kabinetsfrage machen; die Gegner
der Unterstützung können Nichts dawider haben, wenn
die Sache reiflichst erwogen nnd alle Bedenken beseitigt
werden; die welche für Unterstützung sind, gewiß desglei-
chen. Ich sehe also nicht ab, warum wir nicht im In-
teresse der Würde unserer Volksrepräsentation erst auf
Grundlage eines von den Gläubigern gegebenen Aner-
bietens verhandeln wollen.
(Der Präsident hat während dieser juristischen Rede
fortwährend unwillig das Haupt geschlittert und daS
Bleistift geschwungen. Die Gallerie dagegen ruft am
Schlüsse der Rede ein vielstimmiges Bravo.)

Der Regierungskommissär Bekk sucht auszuführeu,
daß Soiron im Irrthum sei, weil er meine, durch die
hier gefaßten Beschlüsse werde die Sache zur Erledigung
gebracht. Die Regierung verlange ja nur eine Ermäch-
tigung von der Kammer, um einen Vergleich zu Stande
zu bringen. Es hätten allerdings zweierlei Wege ein-
geschlagen werden können: der jetzige und der von
Soiron angegebene. Bei dem Soiron'schen herrsche nur
der Mißstand, daß die Verhandlung dann nicht öffent-
lich Wäre zu führen gewesen. Voraussichtlich hät-
ten dann auch die Gläubiger mehr gefordert; die Kam-
mer wäre nicht darauf eingegangen, und es hätte ein
neuer Vergleich zu Stande gebracht werden müssen! Auch
hätten ja die Gläubiger Einstellung des Geschäfts verlangen
können, eö wäre somit schon'jetzt eine Störung eiugetreten.
Nebenius bemerkt dazu, daß der Fortbetrieb schon
deßwegeu ungewiß sei, weil verschiedene kleine Gläubi-
ger abgefundel^ werden müßten.
Mez: Die Verhandlungen scheinen mir ganz dem
lieben National-Charakter entspringen zu wollen. Ich
bin froh, daß kein Engländer oder ein Nordamerikaner
oder ein Franzose da ist, ein solcher müßte heute wahr-
haftig mit Lachen nicht fertig werden. Da berathen
wir nun hier 14 Tage lang in Gegenwart der ersten Juri-
sten des Landes, und am 15ten Tage erscheint ein an-
derer Jurist und erklärt Alles für ungültig, was bisher
geschah. Ich hege das Vertrauen zu einer hohen Re-
gierung, daß ein Borg- und Nachlaßvergleich zu Stande
komme, der gesetzlich gültig ist. Was die günstige
Lage anlangt, so freue ich mich wirklich herzlich darüber,
daß ich mich nicht in dieser „günstigen" Lage befinde!
Zudem ist es viel ehrenhafter von uns, zuerst ein
Anerbieten zu machen, als das der Gläubiger abzu-
warten.
(Große Unruhe auf der Gallerie.)
Der Abg. Welcker hat mich heute mehr erfreut, als
der Abg. v. Soiron. Der Abg. Welcker hat die Be-
deutung erkannt, welche der vereinigte Ackerbau, die
Industrie und der Handel haben. Nicht Alle erkennen
es an, daß nur durch die Vereinigung von Ackerbau,
Handel und Industrie eine Nation groß werden kann.
Viele wollen Ackerbau und Handel allein; nicht aber die
höhere Industrie. Ich gebe zu, daß man Zweifel ha-
ben kann an der unbedingten Nützlichkeit der großen
Industrie. Sie wissen, was ich von ausgedehnten Fa-
brikanstalten halte. Ich will keine zu große Ausdehnung
des Einzelnen auf Kosten der Gesammtheit; und wenn
ich auch in dieser Kammer neulich mit einer solchen An-
 
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