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Mannheimer Abendzeitung. Landtags-Bericht — 1848

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Nr. 41 - Nr. 49
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https://doi.org/10.11588/diglit.47792#0095
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L848.

Mannheimer Abendzeitung Rs-. ^i«

Landtags - Bericht.

Karlsruhe, 7. Febr. Einundzwanzigste öf-
fentliche Sitzung der 2. Kammer unter dem Präsidium
Mittermaier's.
Auf der Regierungsbank: Trefurt, Regenauer.
Der Präsident eröffnet die Sitzung und theilt mit,
daß die erste Kammer in ihrer Sitzung vom 5. d. M.
der Adresse um Unterstützung der drei Fabriken ein-
stimmig beigetreten sei.
Hecker legt eine Petition der Stadtgemeinde Wein-
heim vor, Anlegung einer Straße von Weinheim nach
Mannheim. Eingabe mehrerer Bürger aus Weinheim,
um Einführung von Schwur- und Vergleichsgerichten.
Meyer Petition eines OberwundarzteS von Schöll-
brunn, um Unterstützung. Bitte einiger Gemeinden, um
Aufnahme von Straßen in den allgemeinen Straßen-
verband; Ermöglichung derselben durch einen Staatsbei-
trag. Bitte der Gemeinde von Sankt Peter, um Ge-
währung eines Staatsbeitrags zum Gcmeindestraßenbau.
Eingabe von Bürgermeistern aus dem Landamt Frei-
burg, die Verwaltung der Zehntablösungskapitalien betr.
Schaafs eine Petition von Wahlmännern, aus dem
Aemterwahlbezirk Borberg und Krautheim, eine Eisen-
bahn über Wiesloch an die bairische Gränze bei Würz-
burg betr.
Die Tagesordnung führt zur Motionsbegründung
des Abg. Rettig, die Abschaffung der Todesstrafe.
Näheres folgt.
Die Diskussion wird eröffnet.
Der Reg.-Kommiffär Trefurt: Der Herr Motivns-
steller hat mit Scharfsinn die Schwächen unseres Straf-
rechtssystems auseinandergesetzt. Diese Schwächen haften
aber an der ganzen menschlichen Rechtseinrichtung. Nie- >
Mals werden die erhobenen Beweise die vollkommene l
Wahrheit darstellen, denn ein mathematischer Beweis ist
hier nicht möglich. Die Gründe, welche in dieser Rich-
tung gegen die Todesstrafe angeführt werden, gehen da-
her gegen die Strafe überhaupt. Vielleicht wäre es
dereinst möglich, jeden Verbrecher bloß als Irrenden,
als Kranken zu betrachten, ihn zu erziehen, zu heilen.
So lange aber noch die Willensfreiheit des Menschen
angenommen wird, so lange ein Beweis noch gilt, so
lange ist der Begriff des Verbrechens und der Strafe
nicht aus dem Staatsleben zu entfernen; mithin auch
nicht der der Todesstrafe. Man nimmt der Strafe ihre
Spitze, ihren Ernst, wenn die Todesstrafe nicht beibe-
halten wird. Cs ist zwar wahr: wenn die Justiz einen
Fehler begangen hat, so kann sie bei der Todesstrafe !
ihren Fehler nicht wieder gut machen. Das ist aber ;

bei jeder Strafe der Fall; wäre es auch nur eine
Stunde Gefängnis, die man unschuldig leiden mußte.—
Freilich, wer der Besserungstheorie huldigt, der muß
sich gegen die Todesstrafe erklären. Aber ich glaube
nicht, daß diese Theorie so bald über die der Abschrek-
kung, der Vergeltung obsiegt. Meiner Ueberzeugung
nach gibt es allerdings Verbrechen; ich will also auch
Vergeltung. Ich bin ein entschiedener Vertei-
diger der Todesstrafe. Wegen der hohen Bedeu-
tung dieser Frage werde ich nnch jedoch der Berathung
in den Abtheilungen nicht widersetzen.
Zentner: Die Worte, welche wir eben aus dem
Munde des Herrn Chefs des Justizministeriums ver-
nommen haben, versprechen uns zwar für die Motion
keinen großen Erfolg. Dennoch aber ist es gut, den
Meinungen über einen so hochwichtigen Gegenstand von
Zeit zu Zeit an den Puls zu fühlen. Es sind in letzter
Zeit immer neue Gründe gegen die Todesstrafe beige-
bracht worden; in vielen Staaten hat man die Anwen-
dung dieser Strafe unendlich beschränkt, in einem sogar
die Todesstrafe gänzlich abgeschafft. Für mich ist die
ganze Frage einfach die: ist die Beibehaltung der Todes-
strafe noth wendig oder nicht? Das entscheidet für
mich. Ich unterstütze die Motion, beantrage Voraus-
druck und Verweisung in die Abtheilungen.
Mez: Die Frage ist für mich eine erledigte; nicht
im Sinne des Motionsstellers, sondern im Sinne des
Herrn Chefs des Justizministeriums. Ich gehe so weit,
mich dem Antrag auf Berathung in den Abtheilungen
zu widersetzen. Wenn selbst ein Justizminister sagt,
Alles in der Rechtswelt beruhe nur auf „Wahrschein-
lichkeit;" wenn der Motionssteller ein so gerühmtes Straf-
system als untergegangen erklärt: dann muffen wir uns
nach andern Instituten mit festerem Gehalt umsehen.
Wir haben eine solche Institution. Es ist das ewige
Gesetz, es ist die Bibel, die da sagt: „Wer Blut
vergießt, dessen Blut soll auch wieder vergossen werden!"
Darum stimme ich gegen die Motion und gegen die
Berathung in de» Abtheilungen. Das ist mein einzi-
ger Grund; die Bibel ist in diesem Falle meine ein-
zige Richtschnur, wie in allen Fällen. Ich halte
mich in Allem ganz an den Wortlaut der heil.
Schrift. Darum will ich auch keine Todesstrafe für
Majestätsverbrechen.
Zittel: Ich folge einer andern Ueberzeugung in
dieser Frage, als der, welcher der Mg. Mez gefolgt ist.
Aber ich stimme auch für die Motion aus andern Grün-
den, als die uns der Abg. Rettig beibrachte; denn diese
 
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