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Matthaei, Friedrich Anton Levin
Hellenikos mythologisch-malerische Reisen durch Griechenland, den Archipelagos, Sicilien und Unter-Italien, mit steter Rücksicht auf Wissenschaft, Kunst und Sitte der ältern und neuern Zeit: Enthaltend die Sagen der Vorzeit der Griechen und Römer, nach den Gegenden erzählt und erklärt, welche der Schauplatz derselben waren, nebst einer Nachricht von den dadurch veranlaßten Werken der Bildhauerei und Malerei ... ; Mit Kupfern und Holzschnitten der vorzüglichsten Künstler Deutschlands und Englands — Leipzig, 1835

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https://doi.org/10.11588/diglit.4567#0484
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Was soll er thun? Eine große Strecke des Himmels hat er be,
reits zurückgelegt; noch eine weit größere liegt vor ihm. Zm Geiste
mißt er beide; und bald blickt er vor sich hin nach dem Niedergänge,
den ihm das Schicksal zu erreichen versagt, bald blickt er zurück nach
dem Aufgange. Unwissend, was er zu thun, staunt er, und läßt weder
die Zügel fahren, noch hält er sie an; auch weis er die Namen der
Pferde nicht. Zuletzt, bei'm schrecklichen Anblick der Ungeheuern Gestal-
ten des Himmels, verlürt er gänzlich die Fassung.
Es ist ein Ort, wo der Skorpion seine Scheeren zu Zwillings-
bogen wölbet, und Schwanz und beiderseitige Arme gekrümmt, seine
Glieder durch den Raum zweier Himmelszeichen ausstreckt. Als hier
der Jüngling das Ungeheuer, von schwarzem Gifte triefend, ihm mit
krummen Stachel Wunden drohen sieht, da läßt er, außer sich vor
kalter Todesfurcht, die Zügel den Händen entsinken. Nicht sobald be-
rühren diese im Fallen den Rücken der Pferde, als sie noch ungestü-
mer ihren Lauf verdoppeln, von niemand zurückgehalten, in unbekannte
Luftgefilde stürzen, wohin immer ihr Koller sie treibt, ohne alles Ge-
setz folgen, und gegen die hohen Fixsterne den Wagen über ungebahnte
Wege mit sich dahin reißen.
Bald steigen sie aufwärts, bald senken sie sich abwärts nach Ge-
genden, welche der Erde näher liegen. Luna staunt, des Bruders Pferde
tief unter den ihrigen zu erblicken. Die entzündeten Wolken dampfen»
Die Flamme ergreift das Hochland; es spaltet, ausgedörret in weiten
Riffen von einander. Die Wiesen versengen; mit dem Laube verbrennt
der Baum, und die trockene Saat bietet zum eigenen Untergange den
Stoff.
Doch was sott die Klage um Kleinigkeiten? Große Städte gehen
mit ihren Einwohnern zu Grunde; ja es verwandelt das Feuer ganze
Länder und Nationen in Asche. Es lodern die Wälder sammt den
Bergen. Es brennet Athos, der etticische Laurus, Tmolus, Dete, und
der jetzt lechzende, sonst quellenreiche Zda, der den Musen geweihete
Helikon. Es brennet mit unendlich verdoppeltem Feuer Aetna, und der
zweigipftligte Parnaß; Eaucasus flammet und Offa sammt dem PLn-
dus, und größer als bellte Olympus, und die luftigen Alpen, und der
wolkentragende Apennin.
Jetzt sieht Phaethon die Erde allenthalben im Brande. Er ver-
mag die Hitze nicht zu ertragen. Feuerluft, wie aus dem Innersten
eines Ofens, athmet er ein. Er fühlt den Wagen glühen. Schon
kann er vor ansteigender Asche und sprühenden Funken nicht ausdau-
ern. Heißer Dampf umwallt ihn. Zn Finsterniß eingehüllt weis er
 
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