461
er mit ihm gefährlichen Dingen sein Spiel treibe, hascht er bald lächelnd
die von der Lust erhobenen Flaumen; bald erweicht er mit seinem Dau-
men das gelbe Wachs, und verzögert also tändelnd des Balers Wun-
derwerk. Endlich, als an die Erfindung die letzte Hand gelegt worden,
versucht erst der Werkmeister selbst auf zweien Flügeln seinen Körper
empor zu schwingen, und in der bewegten Luft sich schwebend zu erhal-
ten. Darauf unterweiset er auch den Sohn.
Halte ja im Fliegen die Mittelstraße, spricht er, o Ikarus! Ich
warne dich. Laß dich weder zu tief herab, damit das Wasser dein Ge-
fieder nicht benetze, noch erhebe dich zu hoch, daß die Sonne es nicht
versenge. Fliege zwischen beiden hin. Auch brauchst du eben so wenig
nach dem Bootes, als nach dem großen Bären, oder nach des Orions
gezücktem Schwerdte zu spähen; richte du dich blos nach mir!
Indem er ihn also in der Kunst zu fliegen unterrichtet, legt er
zugleich dessen Schultern die unbekannten Schwingen an.
Auf einer erhabenen Arbeit in der Villa Albani hat Dädalus den
Ikarus neben sich stehen, welchem seine Flügel schon angesetzt sind").
Unter dieser Beschäftigung, unter diesen Lehren schleichen Thränen
sich über des Greises Wangen, und zittern die väterlichen Hände. Dar-
auf küßt er, — ach! zum letzten Male, — den Knaben, erhebt sogleich
sich auf den Flügeln, fliegt, bange für den kleinen Gefährten, vor ihm
her, gleich dem Vogel, der seine zarte Brut zum ersten Male aus dem
Neste in die Luft führt; ermahnt ihn, ihm zu folgen; und lehret die
verderbliche Kunst, seine eigenen Fittige schwingend, und nach des Soh-
nes Fittigen zurückblickend.
Sie sieht beim Angeln der Fischer; sieht der Hirt auf seinen Stab,
der Landmann auf den Pflug gestützt, — staunen und wähnen, Götter
durch den Aether fliegen zu sehen.
Schon lag ihnen zur Linken die ionische Küste, die Insel Samos,
berühmt sowohl wegen des ältesten Tempels der Zuno, welche hier be-
sonders verehrt wurde, als auch wegen ihres vortrefflichen irdenen Ge-
schirrs, sammt Delos und Paros, und zur Rechten Lebynthos und das
honigreiche Calymne. Da beginnt der Knabe Lust am kühnen Fluge
zu finden; verläßt seinen Führer, und erhebt sich, von der Begierde
nach dem Himmel hingerissen, höher.
Am nahen Strahl der Sonne schmolz jetzt das duftende Wachs,
der Flügel Band, und trof herab. Nun schwingt er nur nackte Armei-
des Ruders der Fittige beraubt, faßt er keine Luft mehr, und seinen
Vater rufend, stürzt er herunter in die blauen Fluchen, welche von ihm
den Namen erhalten.
Ikarus, ruft der unglückliche Vater,— schon nicht mehr Vater!—
er mit ihm gefährlichen Dingen sein Spiel treibe, hascht er bald lächelnd
die von der Lust erhobenen Flaumen; bald erweicht er mit seinem Dau-
men das gelbe Wachs, und verzögert also tändelnd des Balers Wun-
derwerk. Endlich, als an die Erfindung die letzte Hand gelegt worden,
versucht erst der Werkmeister selbst auf zweien Flügeln seinen Körper
empor zu schwingen, und in der bewegten Luft sich schwebend zu erhal-
ten. Darauf unterweiset er auch den Sohn.
Halte ja im Fliegen die Mittelstraße, spricht er, o Ikarus! Ich
warne dich. Laß dich weder zu tief herab, damit das Wasser dein Ge-
fieder nicht benetze, noch erhebe dich zu hoch, daß die Sonne es nicht
versenge. Fliege zwischen beiden hin. Auch brauchst du eben so wenig
nach dem Bootes, als nach dem großen Bären, oder nach des Orions
gezücktem Schwerdte zu spähen; richte du dich blos nach mir!
Indem er ihn also in der Kunst zu fliegen unterrichtet, legt er
zugleich dessen Schultern die unbekannten Schwingen an.
Auf einer erhabenen Arbeit in der Villa Albani hat Dädalus den
Ikarus neben sich stehen, welchem seine Flügel schon angesetzt sind").
Unter dieser Beschäftigung, unter diesen Lehren schleichen Thränen
sich über des Greises Wangen, und zittern die väterlichen Hände. Dar-
auf küßt er, — ach! zum letzten Male, — den Knaben, erhebt sogleich
sich auf den Flügeln, fliegt, bange für den kleinen Gefährten, vor ihm
her, gleich dem Vogel, der seine zarte Brut zum ersten Male aus dem
Neste in die Luft führt; ermahnt ihn, ihm zu folgen; und lehret die
verderbliche Kunst, seine eigenen Fittige schwingend, und nach des Soh-
nes Fittigen zurückblickend.
Sie sieht beim Angeln der Fischer; sieht der Hirt auf seinen Stab,
der Landmann auf den Pflug gestützt, — staunen und wähnen, Götter
durch den Aether fliegen zu sehen.
Schon lag ihnen zur Linken die ionische Küste, die Insel Samos,
berühmt sowohl wegen des ältesten Tempels der Zuno, welche hier be-
sonders verehrt wurde, als auch wegen ihres vortrefflichen irdenen Ge-
schirrs, sammt Delos und Paros, und zur Rechten Lebynthos und das
honigreiche Calymne. Da beginnt der Knabe Lust am kühnen Fluge
zu finden; verläßt seinen Führer, und erhebt sich, von der Begierde
nach dem Himmel hingerissen, höher.
Am nahen Strahl der Sonne schmolz jetzt das duftende Wachs,
der Flügel Band, und trof herab. Nun schwingt er nur nackte Armei-
des Ruders der Fittige beraubt, faßt er keine Luft mehr, und seinen
Vater rufend, stürzt er herunter in die blauen Fluchen, welche von ihm
den Namen erhalten.
Ikarus, ruft der unglückliche Vater,— schon nicht mehr Vater!—