Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Borrmann, Richard [Editor]; Mauch, Johann Matthäus [Editor]
Die architektonischen Ordnungen der Griechen und Römer (Detailbuch): Detailbuch — 1900

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.43203#0004
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
9

Löwenkopf vom Parthenon zn Athen.
Blatt 1.

Ueber der Kranzplatte des aufsteigenden Giebel-Gesimses
bilden die gleichsam anfgebogenen Plattziegel einen erhöhten
Band, Sima bei den Alten, der das Regenwasser hindert, an
der Front abzutröpfeln. Durch ein ähnliches Aufbiegen wurde
auch an den beiden Traufseiten die Regenrinne gebildet, aus
der das Wasser durch die als Wasserspeier gestalteten
Löwenköpfe ausgespieen wurde. Die Sima war jedoch nicht
bei allen Bauwerken an der Lang- oder Traufseite des Daches
fortgesetzt, sondern endigte auch wohl, kurz um die Ecke
biegend, an einem Löwenkopfe, der das Wasser ausspie, wel-
ches sich in der Plattziegelreihe zunächst hinter der Sima
sammelte. Das Wasser der übrigen Plattziegelreihen lief dann
zwischen den Stirnziegeln über die Traufe oder das Stillicidium
unmittelbar ab. Hinter dem Löwenkopf befindet sich, zwischen
dem Stirnziegel der ersten Hohlziegelreihe und der Sima, eine
Erhöhung mit horizontaler Oberfläche.
Am Parthenon und an den Propyläen zu Athen und
Eleusis hatte eine ähnliche Anordnung stattgefunden. Von
letzterer giebt in den architektonischen Ordnungen die
Taf. 12 ein Bild. Auf Taf. 8, die aus dem Norman duschen
Werk in die dritte Auflage der architektonischen Ordnungen
überging, worauf unter anderm auch das Kranzgesims des
Parthenon dargestellt ist, vermisst man jedoch gänzlich die
in Rede stehende Vorrichtung, obgleich schon von Stuart eine
Abbildung davon gegeben wird. Um nun diesen Mangel zu
ergänzen, habe ich den Löwenkopf, sammt der Sima, nach
einem Gypsabgusse, von vorne und von der Seite, in einem
Viertel der wirklichen Grösse für unser Blatt gezeichnet.
Die Skulptur an dem Löwenkopfe ist nach der Forderung der

Architektur stylisirt, mit Geist ausgeführt und lässt den Meister
der Metopenreliefs vermuthen. Der Kopf macht eine Wen-
dung nach vorn, so dass ein mitten vor der Front des Tempels
stehender Betrachter die Köpfe an beiden Ecken im Profil
sehen konnte. Von hier aus zeigt die Mähne drei Reihen
kurzer, borstiger Locken, während sie auf der anderen Seite
fünf hat, weil dort der Grund neben dem Stirnziegel tiefer
liegt. Der Rachen des Kopfes ist hier nicht, wie bei andern
Beispielen, durchbohrt, weil beim Parthenon in der ersten
Plattziegelreihe sich kein Wasser sammeln konnte, da sie ganz
mit Marmorplatten ausgefüllt war. Alle beschädigten Theile,
besonders die Ohren, habe ich für unsere Darstellung ergänzt.
Die Sima war einst mit einer' gemalten Verzierung ge-
schmückt, wie ich sie nach L. Vulliamy’s Examples No. VIII,
pl. III, eingezeichnet habe. Die ehemaligen Farben und ver-
muthlichen Vergoldungen waren nicht mehr zu erkennen. Eine
ähnliche gemalte Blumenverzierung fand Stuart auch am
Architrav des Pronaos vom Tempel am Ryssus. S. archi-
tektonische Ordnungen Taf. 21 bei A.
Einen Stirnziegel vom Parthenon habe ich schon in den
architektonischen Ordnungen Taf. 14, Fig. 7, mitgetheilt.
Auf der Erhöhung über dem Löwenkopf, die mit der
Spitze der Stirnziegel im Niveau liegt, stand einst ein anderes
Skulpturwerk, wovon sich jedoch keine Spur erhalten hat.
Unter den Ueberresten des Tempels auf Aegina und des
Tempels der Nemesis zu Rhamnus haben sich die ursprüng-
lichen Akroterien in Bruchstücken erhalten. Abbildungen
geben architektonische Ordnungen Taf. 6 und 9, und
der beschreibende Text die weitere Erklärung.

Stimziegel,
in den Ruinen der Propyläen zu Athen gefunden.
Blatt 2.

Die Stirnziegel, auch Antefixe genannt, bilden den schön
verzierten Schlussschild jeder Idohlziegelreihe des Daches
an der Traufe, wo sie schon von ferne den geradlinigen
Contur angenehm beleben. Die Verzierung mehrerer dieser
Stirnziegel ist von grosser Schönheit. In den architek-
tonischen Ordnungen finden sich einige Beispiele mit-
getheilt und auf den Tafeln 11 und 14 dargestellt, doch nicht
in dem Maassstabe, wie er für Detailzeichnungen erforder-
lich ist.
Den auf unserem Blatte dargestellten Stirnziegel habe ich,

in halber wirklicher Grösse, nach einem etwas beschädigten
Bruchstück ergänzt und mit zwei Profilen versehen, in Schatten
und Licht gezeichnet. Beim Nachzeichnen oder Modelliren
wird es gut sein, denselben auf die wirkliche Grösse zu über-
tragen, weil es von grosser Wichtigkeit ist, die schönsten
Details aus dem Alterthum in derjenigen Grösse kennen zu
lernen, für welche sie erfunden worden sind. Beim Modelliren
dieses Stirnziegels wird ein weit gründlicheres Studium seiner
schönen Erfindung sich erschliessen, als es beim Zeichnen
möglich ist.
 
Annotationen