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Pilaster-Kapitelle
von griechisch-dorischen Bauwerken.
Blatt 3.
Einen wesentlichen Theil der schönen Baukunst bildet
die Gestaltung der Gesimse — die Reihenfolge der einzelnen
Glieder, deren Profile und Verzierungen.
Bei keinem Volk finden wir hierin mehr reinen Kunstsinn
entwickelt als bei den Griechen. Ganz besonders musterhaft
sind die Kopfgesimse der Anten oder Pilaster ihrer dorischen
Bauwerke.
Die Pilaster-Kapitelle sind von den Säulen-Kapitellen
abweichend gegliedert, denn ein richtiges Gefühl sagte den
Griechen, dass das, was für das Runde passt, nicht auch für
das Eckige recht sei. Das Kapitell besteht immer aus einem
Stein, dessen unterer Theil, ein breiter Streifen, nur wenig
über den Schaft vorspringt, desto mehr tritt dagegen der oben
niedrige Theil plattenförmig vor, und bildet mit den ihn unter-
stützenden Gliedern den passenden Uebergang zu dem darauf
ruhenden Architrav.
Unsere Tafel zeigt einige interessante Beispiele in halber
wirklicher Grösse.
Das Pilaster-Kapitell vom Tempel der Themis
zu Phamnus.
Der Tempel der Themis ward nach der Verwüstung durch
die Perser nicht wieder hergestellt, wohl aber ein neuer Tempel,
der Nemesis geheiligt, neben ihm errichtet, s. architektonische
Ordnungen S. 43, Taf. 9 und 10. Das Pilaster-Kapitell vom
Tempel der Themis bewahrt das alterthümliche Gepräge in seiner
einfach energischen Gliederung; die vorspringende Deckplatte,
ohne krönendes Glied, wird von einem Echinus-artigen Gliede
unterstützt, durch dessen karnisförmige Unterschneidung eine
sogenannte Wassernase, zum Zweck des Wasserabtröpfelns,
gebildet wird. Mit der Profilirung dieses für die griechische
Architektur so charakteristischen Gliedes ist stets die Bemalung
desselben harmonisch durchgeführt. Ein Beispiel wird das
Pilaster-Kapitell vom Parthenon auf unserem Blatte geben.
Unter dem eben besprochenen vorzüglich schön profilirten
Gliede am Pilaster-Kapitell des Themis-Tempels ist ein kräf-
tiges Band angebracht, welches den durch den Druck der Last
bedrängten unteren Theil des Kapitells fest zusammenhält.
Die Ecken dieses Bandes sind abgekantet, wodurch es trotz
seines starken Vorsprungs nicht zu gross erscheint.
Diesem Kapitell sind in der Anordnung einige ebenfalls
alterthümliche verwandt; z. B. das vom grossen Tempel zu
Pästum, jedoch noch strenger, s. architektonische Ord-
nungen Taf. 4, und das vom Tempel auf der Insel AeginaTaf. 6.
Das Pilaster-Kapitell vom sog. Tempel des Theseus
zu Athen.
Dieses Kapitell erscheint schon bedeutend verfeinert. Die
Deckplatte hat eine Kehlleiste als Bekrönung, die unter-
schnittene Blattwelle ist mehr bewegt, alle Einschnitte tiefer
und das Band am Halse des Kapitells ist ein feines Rund-
stäbchen geworden. Alle Glieder waren einst bemalt, wie
beim Parthenon. Ueber den Theseus-Tempel s. architek-
tonische Ordnungen S. 41, Taf. 7.
Das Pilaster-Kapitell vom Parthenon zu Athen
giebt uns ein Beispiel der höchsten Vollendung, reich mit Glie-
dern geschmückt, wozu die beabsichtigte Pracht und der grosse
Maassstab das Genie des Baumeisters aufforderten.
Ich habe dieses Kapitell zwar schon in den architekto-
nischen Ordnungen Taf. 8 unter C. etwas vergrössert dar-
gestellt, aber immer noch nicht so detaillirt, als es seiner
Wichtigkeit wegen verdient. Daher folgt es hier noch einmal,
mit genauerer Angabe der Farben der einstigen Bemalung,
wonach eine polychrome Wiederherstellung vorzunehmen ist.
Das Kymatium der Deckplatte war mit Herzblättern, und
das äusserst fein gebildete, unterschnittene Profil mit der
dorischen Blattreihe bemalt, deren Form mit dem Profil in
wechselseitiger Harmonie steht. Der Eier- und Perlstab sind
skulpirt und waren ursprünglich ebenfalls bemalt und tlieils
vergoldet. An älteren dorischen Monumenten kommen nur
selten skulpirte Gliederverzierungen vor. Das Pilaster-Kapitell
vom Parthenon ist der Repräsentant einer vollständig ausge-
bildeten. Gattung, zu welcher das Pilaster-Kapitell vom Tempel
der Nemesis zu Rhamnus, architektonische Ordnungen
Taf. 10, und das vom Tempel der Minerva auf dem Cap Sunium
zu zählen sind. Alle zeigen bereits eine Annäherung an jonische
Weichheit und grösseren Reichthum.
Eine andere ebenfalls ausgebildete Gattung wird reprä-
sentirt durch
Das Pilaster-Kapitell an den Propyläen zu Athen.
Dieses zeigt den unteren Theil, den Hals des Kapitells,
mit drei Leistchen gebunden; diese einfache Anordnung
bewahrt dem Kapitell ganz besonders seinen streng dori-
schen Charakter. Verwandt damit sind die älteren schon
genannten Kapitelle von Rhamnus, Aegina und dem Theseus-
Tempel, und dann auch die späteren von den Propyläen zu
Eleusis, Taf. 12, das vom kleinen Tempel der Diana daselbst,
Taf. 13, und dasjenige vom Monument des Thrasyllus zu
Athen, Taf. 17.
Die grosse Schönheit der Pilaster-Kapitelle besteht: tlieils
in dem Verhältniss der einzelnen Theile, indem stets eine
natürliche Unterordnung der kleinen dienenden Glieder unter
die grossen dominirenden oder konstruktiv bedingten beobachtet
ist; diese sind der Körper des Kapitells und die Deckplatte;
jene sind alle krönenden und einfassenden Glieder; eine mittlere
Rangstufe nimmt die unterstützende Blattwelle ein. Theils be-
steht die Schönheit aber auch in der Profilirung dieser Glieder,
welche sowohl für den Wasserabfluss als für eine reizvolle
Licht- und Schattenwirkung vortrefflich durchdacht ist. Die
vorgeneigten Flächen verschiedener Glieder gewähren einen
ruhig vermittelnden Ton zwischen Licht und Schatten; und
die tiefen Einschnitte und Unterschneidungen bilden dunkle
Linien, welche die Schattenpartien klar auseinandersetzen.
Alle diese Schönheiten wird der Architekt nur recht
empfinden, wenn er jedes der hier gegebenen Muster in wirk-
licher Grösse, gleich einem Werk- oder Arbeitsriss, genau
aufzeiclmet und selbst nach den Regeln der Schattenkon-
struktion, mit Berücksichtigung der Wirkung der Reflexlichter
anlegt.
Pilaster-Kapitelle
von griechisch-dorischen Bauwerken.
Blatt 3.
Einen wesentlichen Theil der schönen Baukunst bildet
die Gestaltung der Gesimse — die Reihenfolge der einzelnen
Glieder, deren Profile und Verzierungen.
Bei keinem Volk finden wir hierin mehr reinen Kunstsinn
entwickelt als bei den Griechen. Ganz besonders musterhaft
sind die Kopfgesimse der Anten oder Pilaster ihrer dorischen
Bauwerke.
Die Pilaster-Kapitelle sind von den Säulen-Kapitellen
abweichend gegliedert, denn ein richtiges Gefühl sagte den
Griechen, dass das, was für das Runde passt, nicht auch für
das Eckige recht sei. Das Kapitell besteht immer aus einem
Stein, dessen unterer Theil, ein breiter Streifen, nur wenig
über den Schaft vorspringt, desto mehr tritt dagegen der oben
niedrige Theil plattenförmig vor, und bildet mit den ihn unter-
stützenden Gliedern den passenden Uebergang zu dem darauf
ruhenden Architrav.
Unsere Tafel zeigt einige interessante Beispiele in halber
wirklicher Grösse.
Das Pilaster-Kapitell vom Tempel der Themis
zu Phamnus.
Der Tempel der Themis ward nach der Verwüstung durch
die Perser nicht wieder hergestellt, wohl aber ein neuer Tempel,
der Nemesis geheiligt, neben ihm errichtet, s. architektonische
Ordnungen S. 43, Taf. 9 und 10. Das Pilaster-Kapitell vom
Tempel der Themis bewahrt das alterthümliche Gepräge in seiner
einfach energischen Gliederung; die vorspringende Deckplatte,
ohne krönendes Glied, wird von einem Echinus-artigen Gliede
unterstützt, durch dessen karnisförmige Unterschneidung eine
sogenannte Wassernase, zum Zweck des Wasserabtröpfelns,
gebildet wird. Mit der Profilirung dieses für die griechische
Architektur so charakteristischen Gliedes ist stets die Bemalung
desselben harmonisch durchgeführt. Ein Beispiel wird das
Pilaster-Kapitell vom Parthenon auf unserem Blatte geben.
Unter dem eben besprochenen vorzüglich schön profilirten
Gliede am Pilaster-Kapitell des Themis-Tempels ist ein kräf-
tiges Band angebracht, welches den durch den Druck der Last
bedrängten unteren Theil des Kapitells fest zusammenhält.
Die Ecken dieses Bandes sind abgekantet, wodurch es trotz
seines starken Vorsprungs nicht zu gross erscheint.
Diesem Kapitell sind in der Anordnung einige ebenfalls
alterthümliche verwandt; z. B. das vom grossen Tempel zu
Pästum, jedoch noch strenger, s. architektonische Ord-
nungen Taf. 4, und das vom Tempel auf der Insel AeginaTaf. 6.
Das Pilaster-Kapitell vom sog. Tempel des Theseus
zu Athen.
Dieses Kapitell erscheint schon bedeutend verfeinert. Die
Deckplatte hat eine Kehlleiste als Bekrönung, die unter-
schnittene Blattwelle ist mehr bewegt, alle Einschnitte tiefer
und das Band am Halse des Kapitells ist ein feines Rund-
stäbchen geworden. Alle Glieder waren einst bemalt, wie
beim Parthenon. Ueber den Theseus-Tempel s. architek-
tonische Ordnungen S. 41, Taf. 7.
Das Pilaster-Kapitell vom Parthenon zu Athen
giebt uns ein Beispiel der höchsten Vollendung, reich mit Glie-
dern geschmückt, wozu die beabsichtigte Pracht und der grosse
Maassstab das Genie des Baumeisters aufforderten.
Ich habe dieses Kapitell zwar schon in den architekto-
nischen Ordnungen Taf. 8 unter C. etwas vergrössert dar-
gestellt, aber immer noch nicht so detaillirt, als es seiner
Wichtigkeit wegen verdient. Daher folgt es hier noch einmal,
mit genauerer Angabe der Farben der einstigen Bemalung,
wonach eine polychrome Wiederherstellung vorzunehmen ist.
Das Kymatium der Deckplatte war mit Herzblättern, und
das äusserst fein gebildete, unterschnittene Profil mit der
dorischen Blattreihe bemalt, deren Form mit dem Profil in
wechselseitiger Harmonie steht. Der Eier- und Perlstab sind
skulpirt und waren ursprünglich ebenfalls bemalt und tlieils
vergoldet. An älteren dorischen Monumenten kommen nur
selten skulpirte Gliederverzierungen vor. Das Pilaster-Kapitell
vom Parthenon ist der Repräsentant einer vollständig ausge-
bildeten. Gattung, zu welcher das Pilaster-Kapitell vom Tempel
der Nemesis zu Rhamnus, architektonische Ordnungen
Taf. 10, und das vom Tempel der Minerva auf dem Cap Sunium
zu zählen sind. Alle zeigen bereits eine Annäherung an jonische
Weichheit und grösseren Reichthum.
Eine andere ebenfalls ausgebildete Gattung wird reprä-
sentirt durch
Das Pilaster-Kapitell an den Propyläen zu Athen.
Dieses zeigt den unteren Theil, den Hals des Kapitells,
mit drei Leistchen gebunden; diese einfache Anordnung
bewahrt dem Kapitell ganz besonders seinen streng dori-
schen Charakter. Verwandt damit sind die älteren schon
genannten Kapitelle von Rhamnus, Aegina und dem Theseus-
Tempel, und dann auch die späteren von den Propyläen zu
Eleusis, Taf. 12, das vom kleinen Tempel der Diana daselbst,
Taf. 13, und dasjenige vom Monument des Thrasyllus zu
Athen, Taf. 17.
Die grosse Schönheit der Pilaster-Kapitelle besteht: tlieils
in dem Verhältniss der einzelnen Theile, indem stets eine
natürliche Unterordnung der kleinen dienenden Glieder unter
die grossen dominirenden oder konstruktiv bedingten beobachtet
ist; diese sind der Körper des Kapitells und die Deckplatte;
jene sind alle krönenden und einfassenden Glieder; eine mittlere
Rangstufe nimmt die unterstützende Blattwelle ein. Theils be-
steht die Schönheit aber auch in der Profilirung dieser Glieder,
welche sowohl für den Wasserabfluss als für eine reizvolle
Licht- und Schattenwirkung vortrefflich durchdacht ist. Die
vorgeneigten Flächen verschiedener Glieder gewähren einen
ruhig vermittelnden Ton zwischen Licht und Schatten; und
die tiefen Einschnitte und Unterschneidungen bilden dunkle
Linien, welche die Schattenpartien klar auseinandersetzen.
Alle diese Schönheiten wird der Architekt nur recht
empfinden, wenn er jedes der hier gegebenen Muster in wirk-
licher Grösse, gleich einem Werk- oder Arbeitsriss, genau
aufzeiclmet und selbst nach den Regeln der Schattenkon-
struktion, mit Berücksichtigung der Wirkung der Reflexlichter
anlegt.