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Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten: Periodica — 1953

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Dezember 1953
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Aus der Presse / Allgemeines / Aus dem Ausland / Persönliches / Vereinsnachrichten / Bücherschau / Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35482#0036
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Aus der Presse.
Festliches und Unfestliches von Mosigkau.
200 Jahre „Sanssouci von Dessau" / Museumsleiter verdiente weniger als der Nachtwächter.

In diesen Tagen konnte das Schloß in Mosigkau aui sein
200 jähriges Bestehen als ,,Sanssouci von Dessau*' zurück-
blicken. Als nun diese Tatsache im Rahmen einer Festwoche
entsprechend gewürdigt wurde, wußten nur wenige, welch
harter Kampf um die Erhaltung dieses herrlichen Bauwerkes
geführt werden mußte. So erklärte noch 1949 Dr. Götz vom
Volksbildungsministerium bei einer Verhandlung mit dem
Museumsleiter Dr. Pflug in Halle: ,,Sie haben sich den Vor-
wurf verdient, in den letzten Jahren nutzlos Volksvermögen
zum Umbau und zu Reparaturen verschwendet zu haben,
um das feudale Erbe zu konservieren". Damit fand die Un-
terredung ihr Ende und begann der Kampf um ein Schloß,
das in dem Stil seiner Architektur einen wichtigen Platz
zwischen Versailles und Wörlitz einnimmt und in der Schön-
heit seiner Anlage einem Vergleich mit dem Zwinger in
Dresden durchaus gewachsen ist.
„Feudales Erbe?" Unersetzbar wäre der Verlust des Bau-
werks sowohl materiell wie geistig gewesen. Ganz zu schwei-
gen von dem Fortfall der Möglichkeiten für die Wissenschaft,
das Bild über eine Persönlichkeit wie Knobelsdorff zu ver-
vollständigen. Denn dieser Baumeister war es, der mit seinen
Entwürfen der Anlage ihr Gepräge gab. Sie beweist nicht nur
die Größe seiner Fähigkeiten, sondern liefert zugleich auch
für das Rokoko in Deutschland einen Beitrag von nicht zu
unterschätzender Bedeutung. Wohl spiegelt sich in ihrer
Struktur das Bedürfnis nach Repräsentation. Aber Bürokra-
ten erkannten nicht, daß es sich hier um ein Werk handelt,
das über Fürsten als Nutznießer wenig, über die schöpferi-
sche Kraft seines Baumeisters und unseres Volkes aber alles
aussagt.
Für viele Verwaltungsstellen war das in dörflicher Abge-
schiedenheit liegende Schloß kein Begriff. Deshalb setzten
sie allen Plänen und Vorschlägen der Museumsleitung immer
neue Widerstände und Schwierigkeiten entgegen. Zunächst
beschloß der Landtag, es dem FDGB als Erholungsheim zu
überlassen, dann bot man es der Kirche als Altersheim an,
benutzte die Säle zwischendurch als Getreidespeicher, Ge-
meindeverwaltung und Umsiedlerquartier und dachte schließ-
lich an einen Abbruch. Durch das Eingreifen unserer Re-
gierung gelang es, dies zu verhindern und auch dem Verfall
und der Verwahrlosung Einhalt zu gebieten.
Faszinierender künstlerischer Reichtum
Schreitet heute der Besucher durch die Räume, dann bietet
sich ihm ein ungeahnter Anblick. Faszinierend ist der Reich-
tum des Mobiliars, der eine intime Raumstimmung erzeugt.
Lüster und Spiegel, Sessel und Gobelins, Porzellan und Spiel-
uhren offenbaren in jedem Falle die Meisterschaft eines Kön-
nens, das das Kunsthandwerk in erfolgreicher Verbindung
mit der Architektur zeigt. Einen Höhepunkt bilden die Stuk-
katuren von Borries und Hoppenhorst, die beide Wände und
Decken mit einer vegetativen Ornamentik überzogen haben
und jene Eindrucksfülle unterstreichen, die durch die Ge-
mäldegalerie des Festsaales ihre Krönung erfährt. Da finden
wir Namen wie van Dyck, Rubens, Jordans, Fyt und Jan
Brueghel. Ihre Darstellungen wetteifern miteinander und er-
gänzen sich, erzählen vom Liebesglück und von Jagden, eilen
in ihren Szenen bis zur Mythologie der Griechen zurück,
verschließen sich aber auch nicht den Begebenheiten des All-

tags. Doch nicht nur Werke der holländischen, flämischen
und niederländischen Barockmeister, sondern auch Arbeiten
des französischen Rokokomalers Pesne haben hier ihren Ein-
zug gehalten. In ihrer Geschlossenheit bilden die sich in die
Vertiefung der Wandflächen organisch einfügenden Bilder
das klassische Beispiel für eine Kunstsammlung, die als
älteste Bildergalerie in Deutschland anzusehen ist.
Aber nicht nur das Schloß, sondern auch der Park fordert
Beachtung. Denn er entfaltet auf engstem Raum eine Viel-
zahl von Gestaltungselementen, wie sie an keiner anderen
Stelle aus jener Zeit zu finden sind und daher als einzig-
artiges Beispiel der deutschen Gartenhaukunst im Rokoko
angesehen werden müssen. Verträumte Pavillons und ver-
witterte Sandsteinstatuen begleiten den Weg an dichten
Hecken und hohen Bäumen vorbei zur Orangerie. Überall
stößt man dabei auf botanische Seltenheiten, wie die babylo-
nische Hängeweide und die nordamerikanische Sumpfzypres-
se, den chinesischen Gingkobaum und den japanischen
Schnurbaum, den kaukasischen Ahorn und die ungarischen
Eichen. Es ist ein Idyll, in dem vom japanischen Teehäus-
chen bis zum antiken Zeustempelchen, vom Oleander bis zur
Palme alles vorhanden ist, was Entspannung und Anregung
vermitteln kann. Und so ist es nicht verwunderlich, daß einst
Wilhelm Müller hier bei der Einsiedelei sein Volkslied „Am
Brunnen vor dem Tore" geschaffen hat.
Etwa 5 000 Besucher waren mit Sonderzügen und Omni-
bussen allein schon zum Eröffnungstag des Jubiläums ge-
kommen und genossen im Park einen „Sommernachtstraum",
der neben der Musik von Händel, Gluck, Mozart, Schubert
und Strauß mit den Tanzvorführungen die Erinnerung an die
Vergangenheit heraufbeschwor, die in der Architektur des
Schlosses lebendig geblieben ist.
Es bleibt bedauerlich, daß es bis zum heutigen Tage noch
nicht gelungen ist, der im Obergeschoß untergebrachten
Schule für Kindergärtnerinnen ein neues Heim zu geben und
den Konsumladen aus dem Park zu verlegen. Die Muscums-
leitung muß aus diesem Grunde wertvolles Material im La-
gerraum lassen und kann nur mit Besorgnis das Wachsen
der Risse in der Decke des Festsaales registrieren. Junge
Menschen haben das Recht, ausgelassen zu sein. Aber hier
geht es auf Kosten der Stukkatur. Und die ist nun einmal
unersetzlich. Für beide Teile wäre daher eine sofortige Än-
derung des unhaltbaren Zustandes kein Nachteil, sondern
ein Vorteil.
Wir unterhielten uns mit Dr. Pflug über die Sorgen, mit
denen er als Leiter des Museums noch zu kämpfen hat. „Die
Stellenplankommission bewilligte meinem technischen Leiter
trotz seiner Qualifikation zunächst 120 Mark Gehalt, und
es bedurfte einiger Vorstöße, ihn endlich auf 240 Mark zu
bringen. — Noch im vorigen Jahr bekam ich selber als Wis-
senschaftler 30 Mark weniger als der hiesige Nachtwächter",
erklärte uns Dr. Pflug und wies auf die Gehaltsabrechnung
des letzten Jahres. Es ist nur zu begrüßen, daß der Vor-
sitzende der Staatlichen Kunstkommission wiederholt durch
sein Eingreifen das Schlimmste verhindern konnte und mit
der Gewährung einer Prämie nicht nur eine Anerkennung
für die geleistete Arbeit bekundete, sondern auch der Leitung
des Museums neuen Mut gab. „Wir hoffen, daß sich der
neue Kurs unserer Regierung auch bis zu uns auswirkt und

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