Zeitschrift für Lsuinor und Aunst
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MMWM! .
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Die bestraften.
von Albert Roderich.
m Hofe eines orientalischen
Fürsten befanden sich ein
Weiser und ein Narr.
Lines Tages gerieten sie
in Streit darüber, wer von ihnen
beiden am meisten Einfluß auf
den Fürsten auszuüben ver¬
möge. Sie gingen deshalb eine
hohe wette ein und beschlossen,
sie bei nächster passenderGelegen-
heit zum Austrag zu bringen.
Diese Gelegenheit bot sich
schon in kurzer Zeit.
Die beiden waren gerade in
der Nähe des Fürsten, als dieser
einen Kaufmann empfing, der
ihm einen Ring zum Kaufe an¬
bot. In dem Ringe befand sich
ein Diamant von ungewöhnlicher
Größe und von seltener, außer¬
ordentlicher Schönheit. Der
Kaufmann forderte dement¬
sprechend eine sehr hohe Summe
für den Ring. Der Fürst aber,
dessen Schatz ohnehin stark er¬
schöpft war, konnte sich nicht
entschließen, den ungeheuren
Preis zu zahlen. Anderseits aber
war deutlich zu sehen, wie gern
er in den Besitz des seltenen
Kleinodes gelangt wäre.
Der weise und der Narr
verständigten sich schnell. Hier
war eine gute Gelegenheit, ihre
wette zu lösen, wem es gelänge,
den Fürsten vom Kaufe des
Ringes zurückzuhalten, der sollte gewonnen haben.
Zunächst begann der weise, den Fürsten mit einer Anzahl
schön lautender Sentenzen zu bearbeiten. Er sprach davon, daß
alle irdischen Güter doch nur einen eingebildeten wert besäßen,
und wie viel besser und nützlicher die ungeheure Summe verwendet
werden könnte, die der Kaufmann für den Diamanten forderte.
„Erhabener Fürst," so schloß der weise seine Rede, „Allah
erleuchte Deine gebenedeiten Augen, steht Dein Sinn so mächtig
nach einem Kleinod, wie dieses, so laß es nachahmen von einem
geschickten Juwelier. Der Diamant, den Du trägst, wird doch
von jedermann für echt gehalten."
Der Fürst aber hörte gar nicht auf die Rede des weisen,
sondern blickte immer nur wie verzückt auf den köstlichen Ring.
Nun begann der Narr in seiner weise:
„Mein Herr und Gebieter, Allah schenke Dir ein langes
Leben und sammle währenddessen fünftausend schönste Huris
an für Dich im Paradiese! Als ich Dich neulich eine ganze
Stunde lang in Lachen erhielt, sagtest Du, Du würdest mir
dafür einmal auch einen Dienst erweisen. Nun denn, ich bitte
Dich: kaufe diesen Ring nicht."
„Narr, was geht Dich der Ring an? was nützt es Dir,
ob ich ihn kaufe oder nicht?" fragte der Fürst.
„Nun, weil ich ein Narr bin, will ich Dir die Wahrheit
sagen. Der weise Mann dort und ich streiten uns, wer von
uns beiden den meisten Einfluß hat bei Dir. Laß mich siegen
und kaufe nicht den Ring."
Der Fürst sann einen Augenblick nach und sagte dann:
„Gut, ich werde den Ring nicht kaufen."
Er wandte sich dann dem Kaufmann zu und fuhr fort:
„Sage mir, Mann, woher hast Du dieses köstliche Kleinod?"
„Ich habe den rohen Diamanten von einem Fremden
gekauft. Ich habe den Stein dann selbst geschliffen und ihn in
diesen Ring gefaßt," antwortete der Kaufmann.
„Und wieviel hast Du dem Fremden bezahlt für den Stein?"
„Mehr als genug, mein erhabener Fürst. Wolle doch be-
denken, Gesegneter des großen Propheten, daß der Diamant
erst seinen ungeheuren wert erhalten hat durch meine Kunst.
Er wäre nur ein Stück Erz ohne den Glanz, den ich ihm gegeben."
Der Fürst runzelte die Stirn.
„Deine Erzählung klingt wenig glaubwürdig," sagte er.
„Ich fürchte, der Fremde, von dem Du den Stein erhandelt zu
haben behauptest, wird jedenfalls nicht zu seinem Rechte ge-
kommen sein. Ich will diese Angelegenheit genau prüfen.
Geh und bringe mir den Mann, von dem Du den Stein
gekauft hast. Den Ring behalte ich, bis Du nachgewiesen, daß
Du sein rechtmäßiger Besitzer bist. Geh, widersprich mir nicht,
wenn Dir Dein Leben lieb ist."
Und der Fürst steckte den Ring an seine Hand.
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Die bestraften.
von Albert Roderich.
m Hofe eines orientalischen
Fürsten befanden sich ein
Weiser und ein Narr.
Lines Tages gerieten sie
in Streit darüber, wer von ihnen
beiden am meisten Einfluß auf
den Fürsten auszuüben ver¬
möge. Sie gingen deshalb eine
hohe wette ein und beschlossen,
sie bei nächster passenderGelegen-
heit zum Austrag zu bringen.
Diese Gelegenheit bot sich
schon in kurzer Zeit.
Die beiden waren gerade in
der Nähe des Fürsten, als dieser
einen Kaufmann empfing, der
ihm einen Ring zum Kaufe an¬
bot. In dem Ringe befand sich
ein Diamant von ungewöhnlicher
Größe und von seltener, außer¬
ordentlicher Schönheit. Der
Kaufmann forderte dement¬
sprechend eine sehr hohe Summe
für den Ring. Der Fürst aber,
dessen Schatz ohnehin stark er¬
schöpft war, konnte sich nicht
entschließen, den ungeheuren
Preis zu zahlen. Anderseits aber
war deutlich zu sehen, wie gern
er in den Besitz des seltenen
Kleinodes gelangt wäre.
Der weise und der Narr
verständigten sich schnell. Hier
war eine gute Gelegenheit, ihre
wette zu lösen, wem es gelänge,
den Fürsten vom Kaufe des
Ringes zurückzuhalten, der sollte gewonnen haben.
Zunächst begann der weise, den Fürsten mit einer Anzahl
schön lautender Sentenzen zu bearbeiten. Er sprach davon, daß
alle irdischen Güter doch nur einen eingebildeten wert besäßen,
und wie viel besser und nützlicher die ungeheure Summe verwendet
werden könnte, die der Kaufmann für den Diamanten forderte.
„Erhabener Fürst," so schloß der weise seine Rede, „Allah
erleuchte Deine gebenedeiten Augen, steht Dein Sinn so mächtig
nach einem Kleinod, wie dieses, so laß es nachahmen von einem
geschickten Juwelier. Der Diamant, den Du trägst, wird doch
von jedermann für echt gehalten."
Der Fürst aber hörte gar nicht auf die Rede des weisen,
sondern blickte immer nur wie verzückt auf den köstlichen Ring.
Nun begann der Narr in seiner weise:
„Mein Herr und Gebieter, Allah schenke Dir ein langes
Leben und sammle währenddessen fünftausend schönste Huris
an für Dich im Paradiese! Als ich Dich neulich eine ganze
Stunde lang in Lachen erhielt, sagtest Du, Du würdest mir
dafür einmal auch einen Dienst erweisen. Nun denn, ich bitte
Dich: kaufe diesen Ring nicht."
„Narr, was geht Dich der Ring an? was nützt es Dir,
ob ich ihn kaufe oder nicht?" fragte der Fürst.
„Nun, weil ich ein Narr bin, will ich Dir die Wahrheit
sagen. Der weise Mann dort und ich streiten uns, wer von
uns beiden den meisten Einfluß hat bei Dir. Laß mich siegen
und kaufe nicht den Ring."
Der Fürst sann einen Augenblick nach und sagte dann:
„Gut, ich werde den Ring nicht kaufen."
Er wandte sich dann dem Kaufmann zu und fuhr fort:
„Sage mir, Mann, woher hast Du dieses köstliche Kleinod?"
„Ich habe den rohen Diamanten von einem Fremden
gekauft. Ich habe den Stein dann selbst geschliffen und ihn in
diesen Ring gefaßt," antwortete der Kaufmann.
„Und wieviel hast Du dem Fremden bezahlt für den Stein?"
„Mehr als genug, mein erhabener Fürst. Wolle doch be-
denken, Gesegneter des großen Propheten, daß der Diamant
erst seinen ungeheuren wert erhalten hat durch meine Kunst.
Er wäre nur ein Stück Erz ohne den Glanz, den ich ihm gegeben."
Der Fürst runzelte die Stirn.
„Deine Erzählung klingt wenig glaubwürdig," sagte er.
„Ich fürchte, der Fremde, von dem Du den Stein erhandelt zu
haben behauptest, wird jedenfalls nicht zu seinem Rechte ge-
kommen sein. Ich will diese Angelegenheit genau prüfen.
Geh und bringe mir den Mann, von dem Du den Stein
gekauft hast. Den Ring behalte ich, bis Du nachgewiesen, daß
Du sein rechtmäßiger Besitzer bist. Geh, widersprich mir nicht,
wenn Dir Dein Leben lieb ist."
Und der Fürst steckte den Ring an seine Hand.