Meggendorfer-Blätler, München
Hand in die Hosentasche, zog einen Taler heraus und reichte
ihn mit einer feinen und diskreten Bewegung dein Mädchen
dar. „Behalten Sie mich in gutem Andenken," sagte er. Emmy
schien fast die Geistesgegenwart zu verlieren. Ls war ein bißchen
viel, was er ihr da vorsetzte,
aber schließlich gewann nach
kurzem Kampfe doch der Ueber-
mut in ihr die Oberhand, und
mit dem heimlichen Schwur, ihn
für die Verwechslung und noch
mehr für diese Blicke recht ele¬
gant hineinzulegen, nahm sie
knixend das Trinkgeld an. Nur
als er mit übergroßer Wärme
ihr Händchen festhielt, entzog
sie es ihm ziemlich ungehalten
und schloß die Türe weit hef¬
tiger, als ihre Rolle es er-
fordert haben würde.'
Denselben Mittag traf
Leutnant Pyrker auf dem Wege
zum Kasino seinen Freund, den
Oberleutnant Deppich, und bei
dieser Gelegenheit erzählte er
ihm von der phänomenalen
Köchin des Obersten.
Deppich schüttelte den Kops.
Davon wußte er nichts. Die
alte Anna und das Stuben¬
mädel konnte doch selbst ein
Provinzler nicht für hübsch
halten und er fragte daher, wie
denn das Mädel eigentlich aus¬
gesehen habe. Pyrker beschrieb
sie ihm. Herrliche große Augen,
hübschen Mund, ein reizendes
Stumpfnäschen und soviel man
unter dem Deckmantel der Schürze
erraten konnte, eine ungewöhn¬
lich gut entwickelte Figur.
Deppich blieb stehen, schaute
seinen Freund von der Seite an und flüsterte ihm ins Ohr:
„Theo, leb wohl, es wär' zu schön gewesen!" . . .
„Warum, was ist los?" fragte pyrker, den äußerst dunkle
Ahnungen zu befallen begannen.
„Das war die Tochter des aus- und zu Weißenberg-
weißenbronn und Dir wäre besser, mein Sohn, Du säßest in
Abrahams Wurstkessel, denn das ist immer noch ein Paradies
gegen dieses tiefste aller Tintenfässer, in das Du geraten bist,
Du hellblauer, schwerberittener Unglücksvogel I"
„Mensch l" schrie pyrker „willst Du mich srozzeln?"
„Nein," erwiderte der ,Freund', der als Gemütsathlet vor
Lachen kaum reden konnte, „nein, nein, Ophelia, ich spiele nicht
mit so heiligen Dingen . . . geh in ein Kloster, rat' ich Dir."
„Ja, aber . . . hör' doch 'mal mit dem sinnlosen Gelächter
auf. . . was tu' ich denn da?"
„Was weiß da unsereiner? Das wahrscheinlichste ist, daß
Du auf die erste sofort eine zweite Dummheit setzest, das ist
nämlich so der Laus der Welt!"
Auch andre Kameraden wußten keinen Ausweg. Sie
empfahlen ihm lediglich, sich hinter den Adjutanten zu stecken,
einmal nämlich im Monat pflege der Oberst einen guten Tag
zu haben, und da sei er ziemlich gemütlich und leicht zugänglich.
Erwische man gerade diese Periode, so bestände immerhin die
Hoffnung, die Sache verhältnismäßig günstig zu regeln, sonst
allerdings wäre es vielleicht geraten, sofort um eine Versetzung
nach Afrika einzugeben.
Das war der Trost der „Freunde", mit dem freilich nicht
viel anzufangen war.
!^Emmy^wollte eigentlich, als
sie in die Küche zurückkehrte,
ihrer Mutter von dem Abenteuer
erzählen, das sie soeben erlebt.
Sie besann sich indessen eines
besseren, denn auch ihr schwante,
daß sie damit nicht viel Ehre
einlegen, vielmehr eine lang-
wierige predigt, möglicherweise
sogar einen väterlichen Vortrag
ernten würde. Sie schwieg
daher vorerst, was ihr um so
leichter siel, da die alte Dame
im Eifer der Arbeit gar nicht
fragte, wer gekommen war.
pyrker dagegen verbrachte
den Abend hinter der Wein-
flasche, denn wo Sorgen sind,
singt bekanntlich der Dichter, da
ist Likör. Als er sich glücklicher-
weise bis in die Höhe des
„heulenden Elends" hinaus-
getrunken hatte, behauptete er,
plötzlich einen brillanten Einfall
zu haben, und begab sich
schleunig heim.
Dort schrieb er folgenden
Bries:
„Gnädigstes FräuleinI
Außerordentliche Ereignisse
rechtfertigen ungewöhnliche
Maßnahmen. Ich bekenne, der
größte und unverschämteste
Frechdachs zu sein und gestern
schwer an Lw. Hochwohl-
geboren gesündigt zu haben.
Ich siehe kniend um Verzeihung. Wenn Sie die Gnade hätten,
meine ,Liebesgabe' irgendeinem wohltätigen Zweck zu-
zuführen, fühlte ich mich höflichst verbunden. Brächten Sie
es aber über sich, meine mündlichen Entschuldigungen an-
zuhören, so erlaube ich mir, die gehorsamste Meldung zu
erstatten, daß ich jeden Mittag um ein Uhr die Eschenallee
passiere. Ich weiß, daß ich dieser Auszeichnung unwürdig
bin, aber im Unglück greise ich nach diesem Strohhalm. Be-
denken Sie gütigst die Verzweiflung Ihres ehrerbietigen
Dieners und genehmigen Sie die Versicherung unverbrüch-
licher Ergebenheit
des Leutnants Theo v. pyrker."
Dieses Schreiben steckte er noch in der selbigen Nacht in einen
Briefkasten und dann schlief er unter unruhigen Träumen ein.
Als des andern Morgens der Bediente die eingelausenen Briese
der Frau Oberst vorlegte, befand sich auch einer darunter, der von
einer ihr gänzlich fremden Hand an ihre Tochter gerichtet war.
„von wem ist denn dieser Brief, Emmy?" fragte sie daher,
als sie ihn ihr übergab.
Emmy wußte es natürlich auch nicht, wußte es auch dann
nicht, als sie ihn gelesen hatte, sondern steckte ihn mit einer
gleichgültigen Bemerkung in die Rocktasche, ohne sich weiter
darüber auszulassen.
Hand in die Hosentasche, zog einen Taler heraus und reichte
ihn mit einer feinen und diskreten Bewegung dein Mädchen
dar. „Behalten Sie mich in gutem Andenken," sagte er. Emmy
schien fast die Geistesgegenwart zu verlieren. Ls war ein bißchen
viel, was er ihr da vorsetzte,
aber schließlich gewann nach
kurzem Kampfe doch der Ueber-
mut in ihr die Oberhand, und
mit dem heimlichen Schwur, ihn
für die Verwechslung und noch
mehr für diese Blicke recht ele¬
gant hineinzulegen, nahm sie
knixend das Trinkgeld an. Nur
als er mit übergroßer Wärme
ihr Händchen festhielt, entzog
sie es ihm ziemlich ungehalten
und schloß die Türe weit hef¬
tiger, als ihre Rolle es er-
fordert haben würde.'
Denselben Mittag traf
Leutnant Pyrker auf dem Wege
zum Kasino seinen Freund, den
Oberleutnant Deppich, und bei
dieser Gelegenheit erzählte er
ihm von der phänomenalen
Köchin des Obersten.
Deppich schüttelte den Kops.
Davon wußte er nichts. Die
alte Anna und das Stuben¬
mädel konnte doch selbst ein
Provinzler nicht für hübsch
halten und er fragte daher, wie
denn das Mädel eigentlich aus¬
gesehen habe. Pyrker beschrieb
sie ihm. Herrliche große Augen,
hübschen Mund, ein reizendes
Stumpfnäschen und soviel man
unter dem Deckmantel der Schürze
erraten konnte, eine ungewöhn¬
lich gut entwickelte Figur.
Deppich blieb stehen, schaute
seinen Freund von der Seite an und flüsterte ihm ins Ohr:
„Theo, leb wohl, es wär' zu schön gewesen!" . . .
„Warum, was ist los?" fragte pyrker, den äußerst dunkle
Ahnungen zu befallen begannen.
„Das war die Tochter des aus- und zu Weißenberg-
weißenbronn und Dir wäre besser, mein Sohn, Du säßest in
Abrahams Wurstkessel, denn das ist immer noch ein Paradies
gegen dieses tiefste aller Tintenfässer, in das Du geraten bist,
Du hellblauer, schwerberittener Unglücksvogel I"
„Mensch l" schrie pyrker „willst Du mich srozzeln?"
„Nein," erwiderte der ,Freund', der als Gemütsathlet vor
Lachen kaum reden konnte, „nein, nein, Ophelia, ich spiele nicht
mit so heiligen Dingen . . . geh in ein Kloster, rat' ich Dir."
„Ja, aber . . . hör' doch 'mal mit dem sinnlosen Gelächter
auf. . . was tu' ich denn da?"
„Was weiß da unsereiner? Das wahrscheinlichste ist, daß
Du auf die erste sofort eine zweite Dummheit setzest, das ist
nämlich so der Laus der Welt!"
Auch andre Kameraden wußten keinen Ausweg. Sie
empfahlen ihm lediglich, sich hinter den Adjutanten zu stecken,
einmal nämlich im Monat pflege der Oberst einen guten Tag
zu haben, und da sei er ziemlich gemütlich und leicht zugänglich.
Erwische man gerade diese Periode, so bestände immerhin die
Hoffnung, die Sache verhältnismäßig günstig zu regeln, sonst
allerdings wäre es vielleicht geraten, sofort um eine Versetzung
nach Afrika einzugeben.
Das war der Trost der „Freunde", mit dem freilich nicht
viel anzufangen war.
!^Emmy^wollte eigentlich, als
sie in die Küche zurückkehrte,
ihrer Mutter von dem Abenteuer
erzählen, das sie soeben erlebt.
Sie besann sich indessen eines
besseren, denn auch ihr schwante,
daß sie damit nicht viel Ehre
einlegen, vielmehr eine lang-
wierige predigt, möglicherweise
sogar einen väterlichen Vortrag
ernten würde. Sie schwieg
daher vorerst, was ihr um so
leichter siel, da die alte Dame
im Eifer der Arbeit gar nicht
fragte, wer gekommen war.
pyrker dagegen verbrachte
den Abend hinter der Wein-
flasche, denn wo Sorgen sind,
singt bekanntlich der Dichter, da
ist Likör. Als er sich glücklicher-
weise bis in die Höhe des
„heulenden Elends" hinaus-
getrunken hatte, behauptete er,
plötzlich einen brillanten Einfall
zu haben, und begab sich
schleunig heim.
Dort schrieb er folgenden
Bries:
„Gnädigstes FräuleinI
Außerordentliche Ereignisse
rechtfertigen ungewöhnliche
Maßnahmen. Ich bekenne, der
größte und unverschämteste
Frechdachs zu sein und gestern
schwer an Lw. Hochwohl-
geboren gesündigt zu haben.
Ich siehe kniend um Verzeihung. Wenn Sie die Gnade hätten,
meine ,Liebesgabe' irgendeinem wohltätigen Zweck zu-
zuführen, fühlte ich mich höflichst verbunden. Brächten Sie
es aber über sich, meine mündlichen Entschuldigungen an-
zuhören, so erlaube ich mir, die gehorsamste Meldung zu
erstatten, daß ich jeden Mittag um ein Uhr die Eschenallee
passiere. Ich weiß, daß ich dieser Auszeichnung unwürdig
bin, aber im Unglück greise ich nach diesem Strohhalm. Be-
denken Sie gütigst die Verzweiflung Ihres ehrerbietigen
Dieners und genehmigen Sie die Versicherung unverbrüch-
licher Ergebenheit
des Leutnants Theo v. pyrker."
Dieses Schreiben steckte er noch in der selbigen Nacht in einen
Briefkasten und dann schlief er unter unruhigen Träumen ein.
Als des andern Morgens der Bediente die eingelausenen Briese
der Frau Oberst vorlegte, befand sich auch einer darunter, der von
einer ihr gänzlich fremden Hand an ihre Tochter gerichtet war.
„von wem ist denn dieser Brief, Emmy?" fragte sie daher,
als sie ihn ihr übergab.
Emmy wußte es natürlich auch nicht, wußte es auch dann
nicht, als sie ihn gelesen hatte, sondern steckte ihn mit einer
gleichgültigen Bemerkung in die Rocktasche, ohne sich weiter
darüber auszulassen.