28
Meggendorfer-Bläller, München
1
Lrn Marlern von C. A. Hennig.
or langer, langer Zeit, als der gütige Schöpfer aller Dinge in
weiser Voraussicht dem Menschen Freud und Leid zuteilte, rief er
auch das Glück zu sich heran, füllte ihm sein Gabenhorn, daß es
strotzte, und schickte es damit zu den Menschenkindern. Das Glück,
welches wohl wußte, daß nur der Beste würdig sein solle, die Schätze
des Füllhorns zu genießen, spähte lange umher, bis es endlich einen edlen Mann
fand, in dessen leuchtenden Augen die Sehnsucht nach dem Glück geschrieben stand.
Nit vollen Händen warf ihm das Glück seine Güter in den Schoß und sein
gabenfrohes Lächeln füllte ihm das Haus mit schimmerndem Sonnengold.
Als das Glück aber auf seinem Rückwege wieder an dem Hause des Mannes
vorüberkam, sah es ihn mit unmutiger Miene vor der Türe stehen.
„Ich habe bereits auf Dich gewartet," sagte er, „denn ich sehnte den Augen-
blick herbei, Deiner Gaben wieder ledig zu werden. Hier sind sie, nimm sie
wieder zurück,- ich bin ihrer nicht froh geworden! Der scheelsüchtige Neid, der
Dir auf den Fersen folgte, erfüllte mein Haus mit frostigem Schatten und ver-
gällte mir die kleinste Freude an dem Besitz Deiner Geschenke! Rann ich das
Glück nicht haben ohne den Neid, will ich lieber darauf verzichten!"
Bekümmert nahm das Glück die verschmähten Gaben wieder zurück und
schritt nachdenklich seinen heimatlichen Gefilden zu.
Ja, ja, es wußte es gar wohl, der Neid war sein ständiger Begleiter, ob es
in Hütte oder Halast einkehrte. Immer schlich er hinter ihm her und noch niemals
hatte es ein frohes Lächeln auf seinem bleichen, hämischen Gesichte gesehen.
Als das Glück daher zum andern Male in die Welt hinauszog, bat es den
Neid, er möge doch diesmal zu Hause bleiben. Es möchte gerne einmal einen
Menschen wahrhaft glücklich machen und nicht wieder vorwürfe ernten, wie das
erstemal.
Der Neid schüttelte zwar finsteren Blickes sein Haupt, willfahrte aber schließlich
der Bitte des Glücks und versprach ihm, diesmal nicht zu folgen.
/ -
Meggendorfer-Bläller, München
1
Lrn Marlern von C. A. Hennig.
or langer, langer Zeit, als der gütige Schöpfer aller Dinge in
weiser Voraussicht dem Menschen Freud und Leid zuteilte, rief er
auch das Glück zu sich heran, füllte ihm sein Gabenhorn, daß es
strotzte, und schickte es damit zu den Menschenkindern. Das Glück,
welches wohl wußte, daß nur der Beste würdig sein solle, die Schätze
des Füllhorns zu genießen, spähte lange umher, bis es endlich einen edlen Mann
fand, in dessen leuchtenden Augen die Sehnsucht nach dem Glück geschrieben stand.
Nit vollen Händen warf ihm das Glück seine Güter in den Schoß und sein
gabenfrohes Lächeln füllte ihm das Haus mit schimmerndem Sonnengold.
Als das Glück aber auf seinem Rückwege wieder an dem Hause des Mannes
vorüberkam, sah es ihn mit unmutiger Miene vor der Türe stehen.
„Ich habe bereits auf Dich gewartet," sagte er, „denn ich sehnte den Augen-
blick herbei, Deiner Gaben wieder ledig zu werden. Hier sind sie, nimm sie
wieder zurück,- ich bin ihrer nicht froh geworden! Der scheelsüchtige Neid, der
Dir auf den Fersen folgte, erfüllte mein Haus mit frostigem Schatten und ver-
gällte mir die kleinste Freude an dem Besitz Deiner Geschenke! Rann ich das
Glück nicht haben ohne den Neid, will ich lieber darauf verzichten!"
Bekümmert nahm das Glück die verschmähten Gaben wieder zurück und
schritt nachdenklich seinen heimatlichen Gefilden zu.
Ja, ja, es wußte es gar wohl, der Neid war sein ständiger Begleiter, ob es
in Hütte oder Halast einkehrte. Immer schlich er hinter ihm her und noch niemals
hatte es ein frohes Lächeln auf seinem bleichen, hämischen Gesichte gesehen.
Als das Glück daher zum andern Male in die Welt hinauszog, bat es den
Neid, er möge doch diesmal zu Hause bleiben. Es möchte gerne einmal einen
Menschen wahrhaft glücklich machen und nicht wieder vorwürfe ernten, wie das
erstemal.
Der Neid schüttelte zwar finsteren Blickes sein Haupt, willfahrte aber schließlich
der Bitte des Glücks und versprach ihm, diesmal nicht zu folgen.
/ -