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Meggendorfer-Blätter — 61.1905 (Nr. 745-757)

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Nr. 747
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Meggendorfer-Blätter, München

Genesung.

^^^ach auf, mein Lieb! — Vorn Fensterbrett
^8» Grüßt Dich ein Sonnenflimmer,
Schau, schauI Schon huscht er an DeinjBett—
Hinein ins Krankenzimmer.
Die bleichen Wangen küßt er Dir,
Daß er Dich zärtlich wecke;
Nun springt er nach der Zimmertür'j
Und — husch! — hinauf zur Decke.

Wach auf, mein Lieb, und sei gesund,
Vergiß den Traum — den bösen!
Heut' küßt der Mai Dich auf den Mund,
Nun mußt Du ja genesen.
Steh auf, steh auf! — Auf Flur und Hain"
Gibt's tausend Blütenkränze,
Und Du mußt wieder Rose sein
In diesem jungen Lenze!
Ernst Staus.

Dekonomisch.
Hausherr: „Bei mir muß alles abgetragen werden; wenn ich zum Beispiel einen
Anzug ablege, dann kriegt ihn mein Aeltester, von diesem der Zweite und so geht er weiter
bis auf den Jüngsten ... der hat dann gewöhnlich noch die Knöpfe zum Spielen."

Sehensweri.

Sara: „Moritz, was stehst Du immer vor dem Spiegel?"
Moritz (frisch geadelt): „Den Baron v. Silberstcin schau' ich nur an!"


Gutes Beispiel.
— „Papa, was versteht man unter
Optimismus?"
— „Wenn zum Beispiel ein Autler
bei der Abfahrt ,auf W ied er-
sehen? sagt."

Die Schwiegermutter als
Retterin.

er Herr Stationsvorstand Wim-
merle war in der denkbar
schlechtesten Laune. Er hatte
die Vsterseiertage schwiegermütter-
lichen Besuch gehabt, und es war ihm
der „Damendienst" zehnmal saurer
angekommen,als selbst der unruhigste
Nachtdienst. Und nun war ihm
auch noch der einzige Trost dieser
Heimsuchung genommen, sein ein-
ziges Vergnügen vergällt worden.
Denn am zweiten Feiertag abends
wollte die Schwiegermutter wieder
abreisen und er hatte sich schon im
voraus auf diesen freien Abend im
Kreise seiner Stammtischgenossen
gefreut; statt dessen aber mußte
er für einen plötzlich erkrankten
Kollegen einspringen und Dienst
machen. Und was für ein Dienst
das war! In Hellen Scharenströmten
die Ausflügler herbei, und alle
drängten auf Beförderung, obwohl
alle die einfahrenden Züge bereits bis
auf den letzten Platz besetzt waren.
Immer dichter wurden die Massen
und immer schwerer die Aufrecht-
erhaltung der Ordnung, so daß Herr
Wimmerle endlich die Zugänge zu
den Zügen sperren lassen mußte.
Denn an ein Mitkommen war vor-
läufig nicht zu denken. Das aber
stachelte das ungeduldige Publikum
erst recht auf, und der Beamte wußte
sich keinen Rat mehr. Ls war
zum Davonlaufen und noch dazu in
solch einer Gemütsverfassung!
Da fiel wimmerles Auge plötz-
lich auf seine Schwiegermutter,
welche ebenfalls zur Abfahrt bereit
stand und ein Strahl der Erleuchtung
durchzuckte sein gequältesDiensthirn.
„Aber, meine Herrschaften," rief
er aus, „dort sehen Sie meine
Schwiegermutter,bereit, abzufahren,
nicht einmal für die habe ich
einen Platz frei!"
Das Publikum lachte und wartete
in geduldiger Erkenntnis, bis der
inzwischen requirierte Sonderzug
eintras.

Verantwortlicher Redakteur: Ferdinand Schreiber jr. Druck von I. F. Schreiber, beide in Eßlingen bei Stuttgart.
In Gest erreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in Wien I.
Verlag von F. F. Schreiber in München und Ehlingen.
 
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