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Meggenöorfer-BIätter, München
Aus der Kinderstube.
„Lins, zwei, drei I"
hat schließlich noch eine Bowle zum besten gegeben — kurz,
es ist später geworden, als der Graf erwartet hat. wie er sich
endlich zum Heimweg anschickt, merkt er zu seinem Schrecken,
daß es draußen pechrabenschwarze Nacht ist. Der Mond schien
allerdings — im Aalender; im übrigen jedoch nicht die leiseste
Spur von ihm, da dunkle Regenwolken ihn verhüllen. Dumm,
sehr dumm! Aber unter diesen Umständen mag er sich doch nicht
allein auf den Heimweg wagen; ihm bleibt nichts andres übrig:
er muß sich seinen Freund, den Hausknecht, als Begleiter
engagieren. Der wäre nun zwar lieber ins Bett gekrochen,
anstatt die halbe Nacht, wie er innerlich fluchend meint, auf
der Landstraße herumzuliegen. Ja, wenn er wenigstens seine
Hilfeleistung leidlich bezahlt gekriegt hätte! Aber der Alte
wird doch seine Natur nicht verleugnen .... Der Lohn, den
sie verabreden, ist denn auch in der Tat ein fürstlicher: Line
ganze Mark! Indessen, was hilft's; erzürnen darf man den
Hochgebietenden Herrn nicht.
Die beiden wandern also miteinander los. Mit dem
Alten geht's heute abend nur langsam, und es dauert beinahe
schon eine Stunde, bis sie das Dorf Sandhagen, das ungefähr
auf der Mitte des Weges liegt, erreicht haben. Inzwischen hat
sich der Himmel mehr und mehr aufgehellt, und just, als sie
den Airchhof in Sandhagen passieren, bricht der Mond voll und
klar durch die Wolken. Zugleich mit ihm erhellt auch ein
Freudcnschein das bis dahin — von wegen der Mark — stark
verdüsterte Antlitz des Grafen. Nun findet er den weg schon
allein weiter! Lr zieht mit einem süß-sauren Lächeln das
Portemonnaie, entnimmt ihm ein Geldstück und wendet sich
darauf an seinen Begleiter: „Sie können jetzt umkehren! Ein?
Mark war ausgemacht. Sandhagen ist die Hälfte. Adieu!"
Spricht's und reicht dem Burschen — fünfzig Pfennige.
Gustav Willgcroth.
Die neue Köchin.
„Um Gottes willen, Ainder, was treibt ihr?" . . .
-- „G, Mama, wir wollten Dir bloß eine schwache Borstellung
geben von dem Getöse einer Seeschlacht!"
I^oble886 obU^e.
^Ier alte Graf Rottmannsegg auf Donnershausen ist — sehr
sparsam. Die Leute nennen's freilich anders, sie schimpfen
ihn einen Geizkragen. Lr selbst will das aber nicht für wahr
haben (notabene, es sagt's ihm natürlich auch niemand ins
Gesicht); er hält sich nur für sparsam, und Sparsamkeit ist eine
Tugend, die auch angesichts der paar Milliönchen, über die der
Graf gebietet, nicht zu verachten ist.
Lines schönen Tages muß der Alte zur Areisversammlung
in die nächste, eine reichliche Stunde entfernt liegende Stadt.
Lr hat ja zwar Pferde genug im Stall; bei dem warmen
Wetter wär's aber doch eine Sünde, die edlen Tiere zu stra-
pazieren, und der Graf ist, trotz seiner siebzig Jahre, noch ein
ganz guter Fußgänger. So macht er sich denn wohlgemut auf
den weg, und als ihm vor dem „Goldenen Löwen", in dem die
Versammlung stattfinden soll, der Anecht des Hauses vulgo
Hausknecht entgegentritt, da gleitet ein selbstzufriedenes Lächeln
über des Grafen Züge: er hat wieder einmal das Trinkgeld
gespart, das er jenem wohl oder übel hätte zahlen müssen,
wenn er zu Pferd oder gar zu wagen gekommen wäre!
Aber man soll den Tag u. s. w. Es hat ziemlich lange
gedauert mit den mancherlei Verhandlungen; ein guter Bekannter
— „Möcht' wissen, warum mich die Gnädige immer so an-
schaut; . . . mir scheint, das arme Hascherl verträgt keinen
Tabakrauch I"
Meggenöorfer-BIätter, München
Aus der Kinderstube.
„Lins, zwei, drei I"
hat schließlich noch eine Bowle zum besten gegeben — kurz,
es ist später geworden, als der Graf erwartet hat. wie er sich
endlich zum Heimweg anschickt, merkt er zu seinem Schrecken,
daß es draußen pechrabenschwarze Nacht ist. Der Mond schien
allerdings — im Aalender; im übrigen jedoch nicht die leiseste
Spur von ihm, da dunkle Regenwolken ihn verhüllen. Dumm,
sehr dumm! Aber unter diesen Umständen mag er sich doch nicht
allein auf den Heimweg wagen; ihm bleibt nichts andres übrig:
er muß sich seinen Freund, den Hausknecht, als Begleiter
engagieren. Der wäre nun zwar lieber ins Bett gekrochen,
anstatt die halbe Nacht, wie er innerlich fluchend meint, auf
der Landstraße herumzuliegen. Ja, wenn er wenigstens seine
Hilfeleistung leidlich bezahlt gekriegt hätte! Aber der Alte
wird doch seine Natur nicht verleugnen .... Der Lohn, den
sie verabreden, ist denn auch in der Tat ein fürstlicher: Line
ganze Mark! Indessen, was hilft's; erzürnen darf man den
Hochgebietenden Herrn nicht.
Die beiden wandern also miteinander los. Mit dem
Alten geht's heute abend nur langsam, und es dauert beinahe
schon eine Stunde, bis sie das Dorf Sandhagen, das ungefähr
auf der Mitte des Weges liegt, erreicht haben. Inzwischen hat
sich der Himmel mehr und mehr aufgehellt, und just, als sie
den Airchhof in Sandhagen passieren, bricht der Mond voll und
klar durch die Wolken. Zugleich mit ihm erhellt auch ein
Freudcnschein das bis dahin — von wegen der Mark — stark
verdüsterte Antlitz des Grafen. Nun findet er den weg schon
allein weiter! Lr zieht mit einem süß-sauren Lächeln das
Portemonnaie, entnimmt ihm ein Geldstück und wendet sich
darauf an seinen Begleiter: „Sie können jetzt umkehren! Ein?
Mark war ausgemacht. Sandhagen ist die Hälfte. Adieu!"
Spricht's und reicht dem Burschen — fünfzig Pfennige.
Gustav Willgcroth.
Die neue Köchin.
„Um Gottes willen, Ainder, was treibt ihr?" . . .
-- „G, Mama, wir wollten Dir bloß eine schwache Borstellung
geben von dem Getöse einer Seeschlacht!"
I^oble886 obU^e.
^Ier alte Graf Rottmannsegg auf Donnershausen ist — sehr
sparsam. Die Leute nennen's freilich anders, sie schimpfen
ihn einen Geizkragen. Lr selbst will das aber nicht für wahr
haben (notabene, es sagt's ihm natürlich auch niemand ins
Gesicht); er hält sich nur für sparsam, und Sparsamkeit ist eine
Tugend, die auch angesichts der paar Milliönchen, über die der
Graf gebietet, nicht zu verachten ist.
Lines schönen Tages muß der Alte zur Areisversammlung
in die nächste, eine reichliche Stunde entfernt liegende Stadt.
Lr hat ja zwar Pferde genug im Stall; bei dem warmen
Wetter wär's aber doch eine Sünde, die edlen Tiere zu stra-
pazieren, und der Graf ist, trotz seiner siebzig Jahre, noch ein
ganz guter Fußgänger. So macht er sich denn wohlgemut auf
den weg, und als ihm vor dem „Goldenen Löwen", in dem die
Versammlung stattfinden soll, der Anecht des Hauses vulgo
Hausknecht entgegentritt, da gleitet ein selbstzufriedenes Lächeln
über des Grafen Züge: er hat wieder einmal das Trinkgeld
gespart, das er jenem wohl oder übel hätte zahlen müssen,
wenn er zu Pferd oder gar zu wagen gekommen wäre!
Aber man soll den Tag u. s. w. Es hat ziemlich lange
gedauert mit den mancherlei Verhandlungen; ein guter Bekannter
— „Möcht' wissen, warum mich die Gnädige immer so an-
schaut; . . . mir scheint, das arme Hascherl verträgt keinen
Tabakrauch I"