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Meggendorfer-Blätter — 61.1905 (Nr. 745-757)

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Nr. 749
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IN e g g e n d o r f e r - B l ä 1 te r, INünchen

Der Varvenu.

Herr Huber: „Ja, was wär' denn dös, Sie küssen mei' Madl?"
Klavierlehrer: „V, es ist Kußwalzer, den wir gerade spielen!"
Herr Huber: „Ja so! pardong!"


runde viel Schöneres zu tun : Die „Brüllaria"
trat in Aktivität und feierte an diesem Abende
große Triumphe als „Gesangverein". Dann
kam der Rundgesang an die Reihe. Als der
rothaarige Bergingenieur, der auf den an
einen Zirkus erinnernden Spitznamen „Hoppla"
hörte — weshalb wußte kein Mensch — „Alt-
Heidelberg, du feine" zu intonieren begann,
erschien der Wirt und brachte die traurige
Mär, das Fäßchen wäre bereits leer. All-
gemeine Sensation. Schon? Unmöglich!
„Mer das Bier bezahle?" fragte der Wirt.
„Ja so, richtig, richtig! Auf die Haupt-
sache hätten wir beinahe ganz vergessen,"
meinte Or. Rothe.
Sein „LolleZL bestlulis" bemühte sich,
tiefsinnig auszuführen, daß dies nicht die
Hauptsache sei; diese wäre vielmehr die, daß
das Bier „vertilgt" sei. Alle neigten jedoch der
Ansicht zu — es herrschte eine geradezu rüh-
rende Uebereinstimmung —, die sonderbare
Jagdgeschichte des Oberförsters gar nicht erst
anzuhören.
Dagegen protestierte scheinheilig der
Apotheker.
„Das kann ich mit meinem Ehrgefühl
nicht vereinigen; ich will nicht auf eine so
leichte Art siegen. Vielleicht ist es nicht wieder —

Der Oberförster wehrte sich sozusagen mit Händen und
Füßen gegen diese „wahnsinnige" Zumutung. Ls half ihm
jedoch wenig. Schweren Herzens mußte er sich fügen. Ls kam
ein förmlicher schriftlicher Vertrag zustande; nur das Wörtchen
„wieder" mußte auf energisches Verlangen des Oberförsters vor
der „Unwahrheit" gestrichen werden.
„Und wenn die Geschichte sich als wahr erweist, wer zahlt
dann das Fäßchen?" fragte der Oberförster, als er den „Vertrag"
geprüst hatte.
Richtig! Daran hatte inan gar nicht gedacht. Daß dieser
Fall jedoch auch wirklich eintreten könne, war undenkbar —
das Versäumnis beim „Protokollieren" daher verständlich und
entschuldbar. Und weil dabei nichts zu riskieren war, so sagte
der Apotheker:
„Ich zahl's!"
Unter nicht geringem Jubel wurde das Faß auch sofort
angeschlagen — einer mußte ja verlieren! Daß unter sotanen
Umständen an ein ruhiges Spiel nicht zu denken war, sah
Or. Rothe ein und gab die Partie, die er allabendlich mit dem
,,LoIleZL destmlis", dem Tierarzt, und dem „wilden Jäger"
spielte, auf. Das Bier war frisch und kostete nichts, deshalb
trat bald die Fidelität ihre Herrschaft an. Die löbliche Korona
wurde nach und nach lustig und fidel. Dabei wurde man, wie
es gewöhnlich geht, undankbar; man vergaß ganz, wem man
das prachtbier verdanke — man ver¬
gaß auch die sonderbare Jagdgeschichte
vollständig oder tat nur so, um den
Grünrock zu ärgern. Jedenfalls ver¬
sprach man sich nicht viel von ihr und
fand es nicht der Mühe wert, sich mit
ihr zu beschäftigen. So sind die Menschen!
Man hatte da viel Wichtigeres und
nach der Meinung der ganzen Tafel¬

pardon! — vielleicht ist die Geschichte doch wahr.
Der Herr Oberförster möge also nur erzählen."
Und dieser begann: „Als ich heute vor-
mittag, die Flinte auf dein Rücken, mit meinem Dackl den Wald
durchquerte, kam ich an die abschüssige Stelle, wo vor Jahren
ein Jäger verunglückte und dort auch begraben wurde. Lin
Kreuz weist auf diesen Unglücksfall des braven Jagdgehilfen
hin. Nun bot sich mir hier ein Anblick, den ich nicht: so bald
vergessen werde: Auf dein Grabhügel saß ein Fuchs
regungslos neben einem Totenkopf."
Die Zuhörer spitzten die Ohren — das begann wirklich
interessant zu werden.
„Als ich nun einige Schritte näher trat, da — da geschah
das Unerwartete, das Wunderbare: der Fuchs erhob sich
langsam mit dem Totenkopf in die Luft." . . .
Lin Gejohle unterbrach den mit ernster Miene sein sonder-
bares Abenteuer auftischenden Oberförster. Das überstieg sogar
alle Begriffe des üblichen Jägerlateins. Lr wurde mit Stimmen-
einhelligkeit verurteilt, nicht nur das bereits getrunkene Bier
zu bezahlen, sondern am nächsten Tage noch ein Fäßchen zum
besten zu geben, denn das soeben Erzählte übersteige alles bisher
Dagewesene und Gewohnte. Der Apotheker sprach sogar von
„Blödsinn".
Der Oberförster hielt dem Ansturm heldenmütig stand und
weigerte sich, sich dem Urteile zu fügen. Lr verpfände sein
Wort, daß er Wahrheit und nur die ,reinste Wahrheit gesprochen
habe. Uebrigens habe er Zeugen. Der zehnjährige Sohn des
Wirtes sei auch dabei gewesen!
Line Abordnung, drei Mann hoch,
ging nach dem Jungen fahnden, um ihn
in die Wirtsstube zu zitieren. Als der
„Kronzeuge" des Oberförsters erschien,
nahm der Apotheker den Jungen ins
Gebet.
„Wo warst Du heute vormittag?"
„Im Wald."
 
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