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Meggendorfer-Blätter, München
Kasernenbofblüte.
Unteroffizier: „Schulze, blasen Se Ihre Backen nich' uff
wie 'n Eskimo, der das Nordlicht auspusten willl"
Ls ging zwar gerade kein wind, aber darauf konnte man
nicht warten. Im übrigen klappte es großartig. Der pund
stürzte sich mit der Wut eines gereizten Tigers auf den put
und zerriß ihn tadellos. Der Leutnant schellte und erzählte der
alten Köchin, die ihm öffnete, keck das Unglück. Diese schlug
jammernd und über die Bestie schimpfend die pände zusammen
und bat den perrn, einen Augenblick zu verziehen. Sie wolle
den perrn Iustizrat sofort davon unterrichten.
Einige Minuten später erschien der alte perr und bat
Marberg mit einer Freundlichkeit, die diesen höchlichst über-
raschte, einen Augenblick einzutreten. Er führte ihn in ein
Parterrezimmer, wo Ella eben mit einer Arbeit beschäftigt
war, stellte ihn der hold Errötenden vor und ließ sich als-
dann den Pergang noch einmal ausführlich schildern. Und
immer Heller wurde sein Gesicht, während
Marberg berichtete, und er schoß aus seinen
scharfen Augen hinter den Brillengläsern
wahre Blitze ungeheuchelter Freude auf
seinen Besucher, den diese Tatsache verwirrte
und zu den sonderbarsten Einfällen verleitete,
die er freilich in der tiefsten Tiefe seines
Busens verwahrte. Sollte ihm der Assessor
einen schlimmen Streich gespielt haben?
Das wäre doch über die Grenzen eines
Scherzes hinausgegangen und das sah ihm
nicht gleich.
Ueber was freute sich aber der als Griesgram verschriene
Alte gar so sehr? Sonderbarl
Als Marberg mit seiner Darlegung geendet hatte, erhob
sich der Iustizrat und bat, ihn einige Minuten zu entschuldigen.
Das war gerade Zeit genug, um Marberg Gelegenheit
zu geben, Fräulein Ella Ziegler zu versichern, daß er unendlich
glücklich sei, daß ihm ein seltsamer Zusall das ungeahnte Glück
verschafft habe, sie sprechen und sehen zu dürfen, und Ella ihrer-
seits bestätigte durch wiederholte seelenvolle Augenaufschläge,
daß auch nach ihrer Auffassung alle Ursache vorhanden sei, in
dieser Schicksalsfügung den mit Recht so hochgeschätzten schönsten
Moment ihres Lebens zu erblicken.
Als der Iustizrat wieder eintrat, hatte er einen mächtigen
Folianten in der pand.
„Sie werden, verehrter perr," sagte er zu Marberg,
„sich der poffnung hingeben, daß ich als Eigentümer des
pundes verpflichtet sei, Ihnen den beschädigten put zu ersetzen,
vielleicht. Der Laie mag das für selbstverständlich halten.
Der Fall indessen, der sich da zugetragen hat, gehört zum
Interessantesten, was mir in meiner langen Praxis begegnete.
Ich werde natürlich meine Gründe nicht vorzeitig offenbaren,
mögen sich die perren am Gericht darüber nur erst ihre
gescheiten Köpfe zerbrechen, ich meinerseits zahle keinen Pfennig
und bitte Sie, mich gütigst zu verklagen. Ich behaupte, hier
ist vis major gegeben."
„Ah," meinte Marberg, „das fiele mir ein, einer solchen
Bagatelle wegen."
„Bitte sehr, es handelt sich ums Recht, nicht um den Betrag."
„Bedaure," meinte Marberg, „mir ist das Recht so gleich-
gültig wie der Betrag. Ich wollte Sie nur warnen, Ihrem
pund einen andern Platz anzuweisen und mir bis morgen,
wo ich ihn gewissenhaft zurückerstatten werde, einen put zu
leihen, weil ich ohne einen solchen nicht gut zur Stadt zurück-
kehren kann."
„Das bedaure ich unendlich, das darf ich nicht. Darin läge
vielleicht ein Zugeständnis meiner Schuld. Aber, ich bitte Sie,"
und er hob flehend seine pände, „tun Sie mir doch den großen
Gefallen und verklagen Sie mich. Es wäre geradezu unverant-
wortlich, einen so interessanten Fall nicht zu erledigen. Wissen Sie
was, wenn Sie einverstanden sind, essen Sie mit uns zu Mittag
und überlegen sich die Sache. Abends kann Ihnen auf Ihre
Rechnung meine Köchin einen put holen. Wollen Sie?"
„Nichts lieber, als das," dachte sich Marberg, und blieb mit
Wonne da. Jetzt begriff er die Schlauheit des Assessors, die
ihn in die angenehme Lage versetzt hatte, ein interessanter Fall
zu sein. Ach, war das ein gerissener Perri Er unterhielt sich
teils mit Ella, der er nach allen Regeln der Kunst den pof
machte, teils mit dein alten perrn ausgezeichnet, und als es ans
Scheiden ging, mußte er dem Iustizrat das versprechen geben,
daß er ihn wirklich verklage, morgen aber sicher wieder komme.
Als der Alte endlich merkte, worum es
sich eigentlich bei Marberg handelte, war die
Sache schon zu weit gediehen.
Der Widerstand nützte nicht mehr viel,
und am selben Tage, wo Marberg erfuhr, daß
er den Prozeß verloren habe, schickte er seinem
Freunde, dem Assessor, drei Körbe Sekt und
die Mitteilung, daß er ihm stets dankbar sein
werde, weil durch seine Findigkeit nunmehr
zwei Menschen glücklich geworden seien, die
sich sonst wohl nie in Liebe hätten vereinigen
können.
Meggendorfer-Blätter, München
Kasernenbofblüte.
Unteroffizier: „Schulze, blasen Se Ihre Backen nich' uff
wie 'n Eskimo, der das Nordlicht auspusten willl"
Ls ging zwar gerade kein wind, aber darauf konnte man
nicht warten. Im übrigen klappte es großartig. Der pund
stürzte sich mit der Wut eines gereizten Tigers auf den put
und zerriß ihn tadellos. Der Leutnant schellte und erzählte der
alten Köchin, die ihm öffnete, keck das Unglück. Diese schlug
jammernd und über die Bestie schimpfend die pände zusammen
und bat den perrn, einen Augenblick zu verziehen. Sie wolle
den perrn Iustizrat sofort davon unterrichten.
Einige Minuten später erschien der alte perr und bat
Marberg mit einer Freundlichkeit, die diesen höchlichst über-
raschte, einen Augenblick einzutreten. Er führte ihn in ein
Parterrezimmer, wo Ella eben mit einer Arbeit beschäftigt
war, stellte ihn der hold Errötenden vor und ließ sich als-
dann den Pergang noch einmal ausführlich schildern. Und
immer Heller wurde sein Gesicht, während
Marberg berichtete, und er schoß aus seinen
scharfen Augen hinter den Brillengläsern
wahre Blitze ungeheuchelter Freude auf
seinen Besucher, den diese Tatsache verwirrte
und zu den sonderbarsten Einfällen verleitete,
die er freilich in der tiefsten Tiefe seines
Busens verwahrte. Sollte ihm der Assessor
einen schlimmen Streich gespielt haben?
Das wäre doch über die Grenzen eines
Scherzes hinausgegangen und das sah ihm
nicht gleich.
Ueber was freute sich aber der als Griesgram verschriene
Alte gar so sehr? Sonderbarl
Als Marberg mit seiner Darlegung geendet hatte, erhob
sich der Iustizrat und bat, ihn einige Minuten zu entschuldigen.
Das war gerade Zeit genug, um Marberg Gelegenheit
zu geben, Fräulein Ella Ziegler zu versichern, daß er unendlich
glücklich sei, daß ihm ein seltsamer Zusall das ungeahnte Glück
verschafft habe, sie sprechen und sehen zu dürfen, und Ella ihrer-
seits bestätigte durch wiederholte seelenvolle Augenaufschläge,
daß auch nach ihrer Auffassung alle Ursache vorhanden sei, in
dieser Schicksalsfügung den mit Recht so hochgeschätzten schönsten
Moment ihres Lebens zu erblicken.
Als der Iustizrat wieder eintrat, hatte er einen mächtigen
Folianten in der pand.
„Sie werden, verehrter perr," sagte er zu Marberg,
„sich der poffnung hingeben, daß ich als Eigentümer des
pundes verpflichtet sei, Ihnen den beschädigten put zu ersetzen,
vielleicht. Der Laie mag das für selbstverständlich halten.
Der Fall indessen, der sich da zugetragen hat, gehört zum
Interessantesten, was mir in meiner langen Praxis begegnete.
Ich werde natürlich meine Gründe nicht vorzeitig offenbaren,
mögen sich die perren am Gericht darüber nur erst ihre
gescheiten Köpfe zerbrechen, ich meinerseits zahle keinen Pfennig
und bitte Sie, mich gütigst zu verklagen. Ich behaupte, hier
ist vis major gegeben."
„Ah," meinte Marberg, „das fiele mir ein, einer solchen
Bagatelle wegen."
„Bitte sehr, es handelt sich ums Recht, nicht um den Betrag."
„Bedaure," meinte Marberg, „mir ist das Recht so gleich-
gültig wie der Betrag. Ich wollte Sie nur warnen, Ihrem
pund einen andern Platz anzuweisen und mir bis morgen,
wo ich ihn gewissenhaft zurückerstatten werde, einen put zu
leihen, weil ich ohne einen solchen nicht gut zur Stadt zurück-
kehren kann."
„Das bedaure ich unendlich, das darf ich nicht. Darin läge
vielleicht ein Zugeständnis meiner Schuld. Aber, ich bitte Sie,"
und er hob flehend seine pände, „tun Sie mir doch den großen
Gefallen und verklagen Sie mich. Es wäre geradezu unverant-
wortlich, einen so interessanten Fall nicht zu erledigen. Wissen Sie
was, wenn Sie einverstanden sind, essen Sie mit uns zu Mittag
und überlegen sich die Sache. Abends kann Ihnen auf Ihre
Rechnung meine Köchin einen put holen. Wollen Sie?"
„Nichts lieber, als das," dachte sich Marberg, und blieb mit
Wonne da. Jetzt begriff er die Schlauheit des Assessors, die
ihn in die angenehme Lage versetzt hatte, ein interessanter Fall
zu sein. Ach, war das ein gerissener Perri Er unterhielt sich
teils mit Ella, der er nach allen Regeln der Kunst den pof
machte, teils mit dein alten perrn ausgezeichnet, und als es ans
Scheiden ging, mußte er dem Iustizrat das versprechen geben,
daß er ihn wirklich verklage, morgen aber sicher wieder komme.
Als der Alte endlich merkte, worum es
sich eigentlich bei Marberg handelte, war die
Sache schon zu weit gediehen.
Der Widerstand nützte nicht mehr viel,
und am selben Tage, wo Marberg erfuhr, daß
er den Prozeß verloren habe, schickte er seinem
Freunde, dem Assessor, drei Körbe Sekt und
die Mitteilung, daß er ihm stets dankbar sein
werde, weil durch seine Findigkeit nunmehr
zwei Menschen glücklich geworden seien, die
sich sonst wohl nie in Liebe hätten vereinigen
können.