Zeitschrift für Humor und Kunst
Da ertönte die Glocke zum zweitenmal. Fischer saß atemlos und lauschte. Er
hatte sich das Versprechen abgenommen, um keinen Preis der Welt aufzumachen.
Lin drittes nachdrückliches Läuten schrillte jetzt anhaltend durchs Haus. Gleichzeitig
schlug es mit der Faust gegen die Korridortüre draußen.
Aber Professor Fischer saß, den Kopf ein wenig vorgebeugt, im Stuhle und rührte
sich nicht.
Da erscholl plötzlich der drohende Ruf: „Alois I" Das Gesicht des Mannes, welcher so
hieß, verfärbte sich. Lr kannte diese Stimme. Erschrocken sprang er auf und öffnete.
Frau Professor Fischer sah leichenblaß aus und bebte am ganzen Körper, als sie
jetzt eintrat.
„Ich bitte um Entschuldigung, liebe Hildegard, ich konnte nicht wissen — Du wolltest
doch später kommen." —
„Ja, das ist es eben — der Aerger dort — diese ungebildeten Menschen — und nun
noch der Empfang hier." —
Die Stimme der Frau Professor klang weinerlich und schlug des öfteren uin, während
sie sprach.
„Als ich hinkam, waren schon die meisten Damen da — auch Frau — Kilian darunter.
Frau Schwalbach stellte mich vor: ,Frau Fischer — Frau Professor Kilian — aber die
Damen kennen sich ja wohl schon/ — Kein Protest gegen diese formlose Vorstellung meiner
Person erfolgte. Sie wußten also noch nichts. Ich nahm Platz, der mir unten an der
Tafel angewiesen wurde. Die — Kilian saß obenan. Ich ärgerte mich deshalb, denn ich
fühlte mich genau so viel wert wie Frau — Kilian. Nun dachte ich darüber nach, wie ich
es ihnen stecken könnte.
Frau — Kilian und eine Frau Doktor sprachen immer miteinander. Sie machten
viel Rühmens von einem ihrer Bekannten, der jüngst als ordentlicher Professor an die
hiesige Universität berufen worden sei.
Ich hielt die Gelegenheit für gekommen und warf ein, daß auch wir — daß auch
Du Professor geworden seist.
Da sahen sie mich nur einen Augenblick verständnislos an und sprachen dann ruhig
weiter. Unmittelbar darauf bot mir die Schwalbach, gleichsam als wollte sie mich von
weiterem Dreinreden abhalten, den Kuchenteller an: ,Nickst wahr, Frau Fischer/ sagte sie,
,Sie essen noch ein Stückchen?'
Ich kochte vor Wut. Also sie ignorierten unsre Professur grundsätzlich. Das Wort
blieb mir im Munde stecken. Ich konnte weder essen, noch trinken — schützte Kopfschmerzen
vor und ging."
„Arme Frau," sprach der Professor voll Mitleid, „Du hast Dich recht ärgern müssen.
Die neidischen Seelen gönnen uns diese Auszeichnung nichtI Laß sie, diese Elenden — ich
werde sie schon zu strafen wissen."
während er so sein Eheweib tröstete, beunruhigte ihn fortwährend der Gedanke,
daß er ihr von der Bestellung des Frackanzugs Mitteilung machen müsse. Jedoch ihm fehlte
der Mut zu dem Bekenntnisse.
Aber Frau Professor hatte keine Ruhe. Sie untersuchte jetzt den Briefkasten an der
Saaltüre. Vielleicht waren Postsachen eingegangen.
Richtig, Herrn Fischer, eine Rechnung, Frau — Fischer — eine Postkarte — Sie
drehte diese um und las halblaut vor sich hin:
„Beste Frau Fischer!
Sollte Ihr Mann heute, wie dies seine Stellung mit sich bringt, wirklich den
üblichen Alterstitel Professor erhalten haben, so brauchen Sie sich wahrlich nichts
darauf einzubilden. Bleiben Sie nur ganz ruhig die Frau Fischerl
Glauben Sie mir, ich meine es gut mit Ihnen.
Ls grüßt Sie, Frau Fischer,
eine aufrichtige Freundin."
Hildegard war auf einen Stuhl gesunken und hatte die Zähne aufeinander gebissen
Sie fand offenbar noch nicht die Worte, die gegenüber einer solchen Gemeinheit am
Platze waren.
Auch Alois war betroffen. Alles schien sich gegen sie verschworen zu haben. Ver-
legen suchte er nach einem Trosteswort für seine Frau, aber ihm fiel nichts ein. Sein Blick
irrte über die Zeitung hin, die vor ihm auf dem Tische lag. Mechanisch las er:
„wie uns anläßlich des Geburtstages unsres Landesherrn vom Hofmarschallamte
mitgeteilt wird, vermag der Fürst aus Gesundheitsrücksichten den vielfachen Gesuchen um
Audienzen nickst stattzugeben und wird sich lediglich darauf beschränken, die Dankschreiben
der von ihm mit Gnadenbeweisen Bedachten entgegenzunehmen." (Fortsetzung Seite 84)
8Z
vierzig Grad Kälte wird sie dieser
stärken! — — — Himmel, was
sehe ich! Da hat sich von dem ge-
schmolzenen Lis und Schnee eine
Eissäule gebildet I Die kann zur
Rettung dienen! Nur Mut — —
und jetzt recht langsam und vor-
sichtig heraufgeklettert! — — —
Da ertönte die Glocke zum zweitenmal. Fischer saß atemlos und lauschte. Er
hatte sich das Versprechen abgenommen, um keinen Preis der Welt aufzumachen.
Lin drittes nachdrückliches Läuten schrillte jetzt anhaltend durchs Haus. Gleichzeitig
schlug es mit der Faust gegen die Korridortüre draußen.
Aber Professor Fischer saß, den Kopf ein wenig vorgebeugt, im Stuhle und rührte
sich nicht.
Da erscholl plötzlich der drohende Ruf: „Alois I" Das Gesicht des Mannes, welcher so
hieß, verfärbte sich. Lr kannte diese Stimme. Erschrocken sprang er auf und öffnete.
Frau Professor Fischer sah leichenblaß aus und bebte am ganzen Körper, als sie
jetzt eintrat.
„Ich bitte um Entschuldigung, liebe Hildegard, ich konnte nicht wissen — Du wolltest
doch später kommen." —
„Ja, das ist es eben — der Aerger dort — diese ungebildeten Menschen — und nun
noch der Empfang hier." —
Die Stimme der Frau Professor klang weinerlich und schlug des öfteren uin, während
sie sprach.
„Als ich hinkam, waren schon die meisten Damen da — auch Frau — Kilian darunter.
Frau Schwalbach stellte mich vor: ,Frau Fischer — Frau Professor Kilian — aber die
Damen kennen sich ja wohl schon/ — Kein Protest gegen diese formlose Vorstellung meiner
Person erfolgte. Sie wußten also noch nichts. Ich nahm Platz, der mir unten an der
Tafel angewiesen wurde. Die — Kilian saß obenan. Ich ärgerte mich deshalb, denn ich
fühlte mich genau so viel wert wie Frau — Kilian. Nun dachte ich darüber nach, wie ich
es ihnen stecken könnte.
Frau — Kilian und eine Frau Doktor sprachen immer miteinander. Sie machten
viel Rühmens von einem ihrer Bekannten, der jüngst als ordentlicher Professor an die
hiesige Universität berufen worden sei.
Ich hielt die Gelegenheit für gekommen und warf ein, daß auch wir — daß auch
Du Professor geworden seist.
Da sahen sie mich nur einen Augenblick verständnislos an und sprachen dann ruhig
weiter. Unmittelbar darauf bot mir die Schwalbach, gleichsam als wollte sie mich von
weiterem Dreinreden abhalten, den Kuchenteller an: ,Nickst wahr, Frau Fischer/ sagte sie,
,Sie essen noch ein Stückchen?'
Ich kochte vor Wut. Also sie ignorierten unsre Professur grundsätzlich. Das Wort
blieb mir im Munde stecken. Ich konnte weder essen, noch trinken — schützte Kopfschmerzen
vor und ging."
„Arme Frau," sprach der Professor voll Mitleid, „Du hast Dich recht ärgern müssen.
Die neidischen Seelen gönnen uns diese Auszeichnung nichtI Laß sie, diese Elenden — ich
werde sie schon zu strafen wissen."
während er so sein Eheweib tröstete, beunruhigte ihn fortwährend der Gedanke,
daß er ihr von der Bestellung des Frackanzugs Mitteilung machen müsse. Jedoch ihm fehlte
der Mut zu dem Bekenntnisse.
Aber Frau Professor hatte keine Ruhe. Sie untersuchte jetzt den Briefkasten an der
Saaltüre. Vielleicht waren Postsachen eingegangen.
Richtig, Herrn Fischer, eine Rechnung, Frau — Fischer — eine Postkarte — Sie
drehte diese um und las halblaut vor sich hin:
„Beste Frau Fischer!
Sollte Ihr Mann heute, wie dies seine Stellung mit sich bringt, wirklich den
üblichen Alterstitel Professor erhalten haben, so brauchen Sie sich wahrlich nichts
darauf einzubilden. Bleiben Sie nur ganz ruhig die Frau Fischerl
Glauben Sie mir, ich meine es gut mit Ihnen.
Ls grüßt Sie, Frau Fischer,
eine aufrichtige Freundin."
Hildegard war auf einen Stuhl gesunken und hatte die Zähne aufeinander gebissen
Sie fand offenbar noch nicht die Worte, die gegenüber einer solchen Gemeinheit am
Platze waren.
Auch Alois war betroffen. Alles schien sich gegen sie verschworen zu haben. Ver-
legen suchte er nach einem Trosteswort für seine Frau, aber ihm fiel nichts ein. Sein Blick
irrte über die Zeitung hin, die vor ihm auf dem Tische lag. Mechanisch las er:
„wie uns anläßlich des Geburtstages unsres Landesherrn vom Hofmarschallamte
mitgeteilt wird, vermag der Fürst aus Gesundheitsrücksichten den vielfachen Gesuchen um
Audienzen nickst stattzugeben und wird sich lediglich darauf beschränken, die Dankschreiben
der von ihm mit Gnadenbeweisen Bedachten entgegenzunehmen." (Fortsetzung Seite 84)
8Z
vierzig Grad Kälte wird sie dieser
stärken! — — — Himmel, was
sehe ich! Da hat sich von dem ge-
schmolzenen Lis und Schnee eine
Eissäule gebildet I Die kann zur
Rettung dienen! Nur Mut — —
und jetzt recht langsam und vor-
sichtig heraufgeklettert! — — —