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Meggendorfer-Blätter — 61.1905 (Nr. 745-757)

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Nr. 751
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https://doi.org/10.11588/diglit.28176#0087
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Lieöeslenp
ch weiß nichts was das alles soll:
Dies Jubeln, Jauchzen,
Springen —
In meinem Herzen zittert es
Wie Helles Glockenklingen.
Ich hasche nach dem Sonnenstrahl
Und rauf' mich mit dem Winde,
Und mit dem Frühling tanze ich
Um unsre alte Linde.


Uiir ist, als ob in meiner Brust
viel tausend Funken sprühten . . .
Das hat gewiß der Lenz getan —
Mit seinen tausend Blüten.
Der Lenz? . . . Die Vöglein schütteln
drob
Ungläubig ihre Köpfe
Und fragen mich, seit wann der Lenz
Ein Mieder trägt und Zöpfe? . . .
Ich aber tanz' mit meinem Glück —
Hell jubelt's in den Zweigen,
Will'sGott, wird aus demtollenTanz
Lin süßer Hochzeitsreigen.
E. St.

Alois verfärbte sich. Der Frackanzug war bereits zugeschnitten. Lr selbst hatte ja
zur Lile gemahnt. Schuldbewußt saß er der Gattin gegenüber. Lr war in der peinlichsten
Lage seines Lebens.
Da klingelte es schon wieder an der Vorsaaltüre. Diesmal atmete Alois auf.
Der Geldbriefträger war wieder da und wollte durchaus „Frau Fischer" sprechen.
Nachdem man ihn eingelassen, zog er die rosenfarbene Postanweisungskarte wieder hervor.
Sie war, wie er nachwies, auf Frau Hildegard Fischer ausgestellt, aber mit Frau Professor
Fischer quittiert worden. Das wäre nicht richtig I
Alois Fischer versuchte, dem Postboten klar zu machen, daß alles in Ordnung sei,
aber der Beamte bestand auf seinem Rechte. Die Anweisung laute auf Frau Hildegard
Fischer, führte er aus, und dürfe auch nur von Hildegard Fischer quittiert werden. Sonst
gäbe es Weiterungen.
von draußen drang der Laut von Hammerschlägen herein, mit denen das von Frau
Hildegard bestellte neue Türschild angebracht werden sollte. Die Inschrift lautete in großen,
auch nachts leuchtenden Buchstaben: Professor Alois Fischer.
Fischer gebot dem Arbeitsmann, vorläufig einzuhalten, und schickte ihn weg.
Und nun kam die beschämendste Minute des ganzen Tages für Frau Hildegard. Ls
gab keinen andern Ausweg. Das Wörtlein „Professor" auf der Ouittung vor ihrem Namen
mußte entfernt werden.
Als der Postbote wieder gegangen war, saßen sich die Lheleute wie vom Donner
gerührt gegenüber.
Hildegard fand endlich zuerst wieder das Wort.
„Alois, ich glaube Dir nicht mehr. Du hast mich schändlich betrogen und bist gar
nicht — Professor geworden I" sagte sie in unheilschwangerem Tone.
„Du hast vielleicht recht. Auch ich fange an zu zweifeln und frage mich: Bin ich
eigentlich Professor oder bin ich es nicht?" gab er dumpf zurück.
„Lhe Du mir nicht den Beweis erbringst, daß ich mich mit vollem Rechte des Professor-
titels bedient habe, wird kein Schlaf meine Augen schließen. Ich werde die Nacht hier im
Wohnzimmer zubringen," sagte sie mit drohenden: Lrnst.
Alois kannte den Starrsinn seines Weibes. Lr sann nach, was er tun könne. Der
Schneider — ja — der mußte von seiner Ernennung wissen. Lr hatte ihm ja doch gratuliert!
Wenn er seine Frau mit diesem zusammenbringen könnte I Schneider Ruppert würde sie
dann auch wegen des Frackanzuges ausklären, und ihr erster Zorn würde sich auf diesen,
den allein Schuldigen, entladen.
Während er noch so dachte, klopfte es draußen und eine Stimme rief: „Darf ich denn
noch so spät stören? Nur eine ganz kurze Anprobe des Frackanzugs — morgen soll er
fertig sein!"
„Was? Lin Frackanzug?" rief Frau Hildegard befremdet und öffnete die Türe.
„Jawohl, für den Herrn Professor!"
„Für wen?" kam es langgedehnt von ihren Lippen.
„Für Ihren Gatten, Frau Professor — von ihm selbst bestellt!" entgegnete prompt
der Schneider.
„Woher wissen Sie, daß mein Mann Professor ist?"
„vom Fürsten selbst!"
„vom Fürsten höchstselbst?" fragte die Hausfrau verwundert.
„Ja — eigentlich allerdings vom Sekretär des Hofmarschallamts, der mir jedes Jahr
eine Liste der Beförderten anfertigt."
„Ist diese Liste auch immer zuverlässig?" bangte Frau Hildegard.
„Durchaus zuverlässig, Frau Professor!"
„Ich danke Ihnen, Herr Ruppert! Sie sind ein Ehrenmann!"
Als der Schneider das Haus verlassen hatte, fand die Versöhnung der Ehegatten statt,
die alsbald ihr Ruhelager aussuchten. Beide waren sehr ermüdet, und bald herrschte lautlose
Stille in dem Schlafgemache.
Aber da knarrte doch noch einmal das Bett von Frau Hildegard.
„Alois," klang es streng von dort, „der Frackanzug war unnötig. Du hättest mich
erst fragen müssen!"
„Du hast recht. Ls war voreilig von mir. Ich werde so etwas nicht wieder tun,"
gab er kleinlaut zurück. „Gute Nacht, Frau Professor!"
„Gute Nacht, Alois!"

Verantwortlicher Redakteur: Ferdinand Schreiber jr. Druck von I. F. Schreiber, beide in Eßlingen bei Stuttgart.
In Oesterreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in Wien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Eßlingen.
 
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