sO2
Meggendorf erBlätter, München
Altjungfernstübchen.
chsch Kenne ein Stübchen, das liegt so geborgen,
Lo fernab von Unruh', von Hast und von Sorgen,
Da nicken und wehen am Fenster hernieder
Kirschblüten und leuchtender weißer Flieder.
Geblümte Gardinchen umrahmen die Scheiben,
Behagliche Sessel laden zum Bleiben,
Und wie ein verblaßter Mädchentraum
Füllt Thymiandust und Lavendel den Raum.
Voll Blumen am Fenster die Galerie —
Ein Stückchen geretteter Poesie:
Großelternbilder, ein Oeldruck-See,
Darunter ein steiflehnig Kanapee,
Goldrandige Tassen in gläsernem Schranke,
Und rings an den Wänden ein Tfeugeranke.
Die Türen schlohweiß mit altmodischen Klinken,
Die seltsam freundlich und ruhig blinken,
Die Ampel mit grünenden Schlinggewinden —
Lo ist das Stübchen — zum Nuhefinden.
Bum Uuhefinden nach Kämpfen und Bangen,
Nach Leidenschaften und heißem Verlangen,
Nach fruchtlosem Hoffen und törichtem Wähnen.
Cs schwebt wie ein Hauch von getrockneten Tränen
Und froher Entsagung durchs friedliche Zimmer
Im goldenen Nachmittagssonnensiimmer.
Hier wohnt keine Sehnsucht, die stumm sich verzehrt,
Nur mehr eines Lächelns ist alles hier wert;
Geglättet ist alles und friedesam,
Man sieht, daß die Jugend hier Abschied nahm;
Kein Stäubchen, kein Fältchen, kein Mißton, kein Schwung,
Doch alles so traut wie — Erinnerung.
M. Kappel.
ie Geschichte von Androklus und dem Löwen kennen
Sie ja, meine Herren," begann der berühmte Afrika-
reisende Timotheus Timmerlein eine seiner berühmten Er-
zählungen, — „na, und an diesen Androklus dachte ich auch,
als ich einst in Npopo aus dem Reisezelt heraustrat und
einen riesigen Löwen erblickte, der mit gramersüllten Zügen
meine Aufmerksamkeit auf seinen fehlenden Schwanz, den
ihm wahrscheinlich ein ungeschickter Jäger abgeschossen
hatte, lenkte.
Der gute Androklus wäre an meiner Stelle wohl ratlos
gewesen, was da zu machen sei; ich hingegen hatte sofort
einen superben Einfall: Rasch nahm ich einen in Bimbibi
für meine Frau gekauften Abstauber aus dem Koffer und
befestigte den Stock an dem Schwanzstummel des Löwen.
Na, das Freudengebrüll des armen Teufels hätten Sie hören
sollen, meine Herren, als er nun nach so langer Zeit wieder
wedeln konnteI . . . Der Löwe folgte mir von da an auf
Schritt und Tritt. Wenn ich schlief, verscheuchte er die
Fliegen mit seinem Abstauberschwanz; wenn ich auf die Jagd
ging, sprang er mir, so wie er es bei meinem Jagdhund
gesehen, voraus, und war ein wild in der Nähe, da stand
mein Löwe mit senkrecht emporstehendem Abstauber wie
eine Nauer. Als ich dann Heimreisen wollte, wedelte er
so innig, so traurig mit seinem Federbusch, bis ich ihn
endlich mit nach Europa nahm.
Nun ist das treue Vieh schon alt," schloß Timmerlein
seine Erzählung, „und frißt in meinem Hause das Gnaden-
brot, immer macht er sich aber nützlich, wo er nur kann,
und verwendet ihn meine Frau jetzt
Meggendorf erBlätter, München
Altjungfernstübchen.
chsch Kenne ein Stübchen, das liegt so geborgen,
Lo fernab von Unruh', von Hast und von Sorgen,
Da nicken und wehen am Fenster hernieder
Kirschblüten und leuchtender weißer Flieder.
Geblümte Gardinchen umrahmen die Scheiben,
Behagliche Sessel laden zum Bleiben,
Und wie ein verblaßter Mädchentraum
Füllt Thymiandust und Lavendel den Raum.
Voll Blumen am Fenster die Galerie —
Ein Stückchen geretteter Poesie:
Großelternbilder, ein Oeldruck-See,
Darunter ein steiflehnig Kanapee,
Goldrandige Tassen in gläsernem Schranke,
Und rings an den Wänden ein Tfeugeranke.
Die Türen schlohweiß mit altmodischen Klinken,
Die seltsam freundlich und ruhig blinken,
Die Ampel mit grünenden Schlinggewinden —
Lo ist das Stübchen — zum Nuhefinden.
Bum Uuhefinden nach Kämpfen und Bangen,
Nach Leidenschaften und heißem Verlangen,
Nach fruchtlosem Hoffen und törichtem Wähnen.
Cs schwebt wie ein Hauch von getrockneten Tränen
Und froher Entsagung durchs friedliche Zimmer
Im goldenen Nachmittagssonnensiimmer.
Hier wohnt keine Sehnsucht, die stumm sich verzehrt,
Nur mehr eines Lächelns ist alles hier wert;
Geglättet ist alles und friedesam,
Man sieht, daß die Jugend hier Abschied nahm;
Kein Stäubchen, kein Fältchen, kein Mißton, kein Schwung,
Doch alles so traut wie — Erinnerung.
M. Kappel.
ie Geschichte von Androklus und dem Löwen kennen
Sie ja, meine Herren," begann der berühmte Afrika-
reisende Timotheus Timmerlein eine seiner berühmten Er-
zählungen, — „na, und an diesen Androklus dachte ich auch,
als ich einst in Npopo aus dem Reisezelt heraustrat und
einen riesigen Löwen erblickte, der mit gramersüllten Zügen
meine Aufmerksamkeit auf seinen fehlenden Schwanz, den
ihm wahrscheinlich ein ungeschickter Jäger abgeschossen
hatte, lenkte.
Der gute Androklus wäre an meiner Stelle wohl ratlos
gewesen, was da zu machen sei; ich hingegen hatte sofort
einen superben Einfall: Rasch nahm ich einen in Bimbibi
für meine Frau gekauften Abstauber aus dem Koffer und
befestigte den Stock an dem Schwanzstummel des Löwen.
Na, das Freudengebrüll des armen Teufels hätten Sie hören
sollen, meine Herren, als er nun nach so langer Zeit wieder
wedeln konnteI . . . Der Löwe folgte mir von da an auf
Schritt und Tritt. Wenn ich schlief, verscheuchte er die
Fliegen mit seinem Abstauberschwanz; wenn ich auf die Jagd
ging, sprang er mir, so wie er es bei meinem Jagdhund
gesehen, voraus, und war ein wild in der Nähe, da stand
mein Löwe mit senkrecht emporstehendem Abstauber wie
eine Nauer. Als ich dann Heimreisen wollte, wedelte er
so innig, so traurig mit seinem Federbusch, bis ich ihn
endlich mit nach Europa nahm.
Nun ist das treue Vieh schon alt," schloß Timmerlein
seine Erzählung, „und frißt in meinem Hause das Gnaden-
brot, immer macht er sich aber nützlich, wo er nur kann,
und verwendet ihn meine Frau jetzt