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III egge ndorfer-Biäller, NIünchen
(Lmaiyipiert.
Studentin (zum Geldbriefträger): „Na, Sie sind wenigstens ein Mann mit mildernden
Umstä nd en."
seine Frau allerhand ge-
heimnisvolle Arrangements
mit Tannengrün und der-
gleichen in der guten Stube
traf.
Am Morgen des andern
Tages traf perr Kanzlei-
sekretär Ambrosius Lrösel-
meier bei seinem Schwager
in Nordböhmen ein. Sein
Gesicht strahlte ob des zu
erwartenden idyllischen Frie-
dens und die gegenseitige
Begrüßung war sehr herzlich.
Aber auch sehr feierlich.Denn:
Arbeitistdes Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis:
EhrtdenKönig seinewürde;
Ehret uns der pände Fleiß.
— willkommen unter dem
Dache des schlichten Land-
mannes, wo die Arbeit
wohnet und der Segen lohnet,
begrüßte ihn mit poetischem
Schwünge der Schwager.
Etwas stutzig schlug perr
Bröselineier in die darge-
botene Rechte ein, aber das
war wohl auf dem Lande so
prosaischen Scholle davon? Mein Gott, es ist eine Schande,
aber es ist so. Und dabei ist der Gnkel ein studierter Mann und
kommt aus der Residenz, wo schöngeistiges Leben ihn umflutet
und die wogen der Schillerbegeisterung gerade in diesen Tagen
besonders hoch gehen. Kinder, Kinder, ich ahne, wir blamieren
uns fürchterlich I"
Aber Not macht erfinderisch und der perr Schwager war
ein praktischer Mann. Er nahm das Lesebuch seines Aeltesten,
riß die Abteilung über Schillers Leben in vier Teile und gab
jedem seiner Kinder, sowie seiner Frau einen Teil zum Aus-
wendiglernen. Sich selbst aber warf er über einen alten Brock-
haus, und nun konnte es nicht mehr fehlen. Am Abend ging
er dann in das eine kleine Stunde entfernte Wirtshaus, während
Sitte, daß man die Gäste
mit einem wohlgemeinten
Spruche empfing. Und das
gegenseitige Fragen und Erzählen verdrängte gar bald seine
Gedanken darüber, und als endlich das leckere ländliche Mahl
auf dem Tische stand, war er wieder voller Behagen. Aber ehe
man noch den Löffel hob, sagte der Schwager mit liebens-
würdiger Wichtigkeit: „Nun, laß Dir's gut schmecken, lieber
Schwager und sei fröhlich in munterem Redeton. Denn
Das reichste Mahl ist freudenleer, wenn nicht
Des Wirtes Zuspruch und Geschäftigkeit
Den Gästen zeigt, daß sie willkommen sind.
Satt essen kann sich jeglicher zu Pause;
Geselliges Vergnügen, munteres
Gespräch muß einem Festmahl Würze geben."
Dem Kanzleisekretär blieb fast der Bissen im Paise stecken.
(Fortsetzung Seite ZZt)
Der Raiurfchwärmer.
— „'s ist doch zu herrlich, wie im Frühjahr alles so lieblich
grün angehaucht istl"
III egge ndorfer-Biäller, NIünchen
(Lmaiyipiert.
Studentin (zum Geldbriefträger): „Na, Sie sind wenigstens ein Mann mit mildernden
Umstä nd en."
seine Frau allerhand ge-
heimnisvolle Arrangements
mit Tannengrün und der-
gleichen in der guten Stube
traf.
Am Morgen des andern
Tages traf perr Kanzlei-
sekretär Ambrosius Lrösel-
meier bei seinem Schwager
in Nordböhmen ein. Sein
Gesicht strahlte ob des zu
erwartenden idyllischen Frie-
dens und die gegenseitige
Begrüßung war sehr herzlich.
Aber auch sehr feierlich.Denn:
Arbeitistdes Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis:
EhrtdenKönig seinewürde;
Ehret uns der pände Fleiß.
— willkommen unter dem
Dache des schlichten Land-
mannes, wo die Arbeit
wohnet und der Segen lohnet,
begrüßte ihn mit poetischem
Schwünge der Schwager.
Etwas stutzig schlug perr
Bröselineier in die darge-
botene Rechte ein, aber das
war wohl auf dem Lande so
prosaischen Scholle davon? Mein Gott, es ist eine Schande,
aber es ist so. Und dabei ist der Gnkel ein studierter Mann und
kommt aus der Residenz, wo schöngeistiges Leben ihn umflutet
und die wogen der Schillerbegeisterung gerade in diesen Tagen
besonders hoch gehen. Kinder, Kinder, ich ahne, wir blamieren
uns fürchterlich I"
Aber Not macht erfinderisch und der perr Schwager war
ein praktischer Mann. Er nahm das Lesebuch seines Aeltesten,
riß die Abteilung über Schillers Leben in vier Teile und gab
jedem seiner Kinder, sowie seiner Frau einen Teil zum Aus-
wendiglernen. Sich selbst aber warf er über einen alten Brock-
haus, und nun konnte es nicht mehr fehlen. Am Abend ging
er dann in das eine kleine Stunde entfernte Wirtshaus, während
Sitte, daß man die Gäste
mit einem wohlgemeinten
Spruche empfing. Und das
gegenseitige Fragen und Erzählen verdrängte gar bald seine
Gedanken darüber, und als endlich das leckere ländliche Mahl
auf dem Tische stand, war er wieder voller Behagen. Aber ehe
man noch den Löffel hob, sagte der Schwager mit liebens-
würdiger Wichtigkeit: „Nun, laß Dir's gut schmecken, lieber
Schwager und sei fröhlich in munterem Redeton. Denn
Das reichste Mahl ist freudenleer, wenn nicht
Des Wirtes Zuspruch und Geschäftigkeit
Den Gästen zeigt, daß sie willkommen sind.
Satt essen kann sich jeglicher zu Pause;
Geselliges Vergnügen, munteres
Gespräch muß einem Festmahl Würze geben."
Dem Kanzleisekretär blieb fast der Bissen im Paise stecken.
(Fortsetzung Seite ZZt)
Der Raiurfchwärmer.
— „'s ist doch zu herrlich, wie im Frühjahr alles so lieblich
grün angehaucht istl"