Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 24.1896 (Nr. 262-274)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16562#0014
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

Illeggenüorfers humoristische Blätter.


Lndlich schob ihn dcr Schaffner in den verlangten Wagen
I. Rlasse. Lin Pfiff, ein Glockcnsignal — »nd laut aufjiibelnd
flog dcr Gelehrte anf Danipfcsschwingen dem ersehnten Ziele
zu. Dnrch Nacht zuin Licht! Das waren ja alles nur Lappa-
lien! Und in bester Laune entkleidete sich Theopflilus und lcgte
sich anf sein sanft geschaukeltes Lager. Holde Träume umgau-
kelteu ihn, und Brille und Aglaja wichen dem schmcichelnden
Norpheus.

2. Aapitel.

wie der Doktor und der Inspektor Müller in Schönlanke zn einer Skatpartie
gekommen sind.

ksell schien schon die lNorgensonne in das komfortable
Zchlafgemach, als dcr Professor — erst erstaunt iiber dio unge-
wcchnte Umgebnng, daun im Innern jubelnd, aus sciuem guten
Schlas erwachte. „Me weit mag cs noch sein bis Berlin?"
das war seiu erster Gedankc. Die Lokomotive pfiff geradc, eine
Station mußte in der Nähe seinl Und um dicse Frage zu er-
gründen, eilte Theopkilus ohne erst lang Toilette zu machen
aus dem Bett an die Thüre.

Richtig, da war der Anhaltspunktl Eine dichte Utenschon-
menge stand harrend auf dem pcrron. „Der andere Zug mnß
sogleich kommen. Die Zügc kreuzen sich hierl" hörte er die
Schaffuer sprechen. Den poetischcn Namen ,Schönlauke^ ver-
mochte der Professor vom Stationsgebäude abzulescu. Doch, um
die Zahl der Ailometer bis ziim Iielpunkte näher zu ergründen,
beugte er sich etwas vor — drückte etwas stark gegen die
Thüre — sie gab nachl — — Ein gewaltiges Getümmel und
Gelaufe draußen. In demselben Augenblick suhr auch dcr
andere Iug ein nnd ehe der arme Professor sich erheben konnte,
ehe überhaupt sein Sturz bemerkt wnrde — fort war sein Iugl —
„lNänueken, sind Sie der Mohr von venedig?" — „Na, Aujiist,
det ist Adam nach dcm Sündensalll" — „Mama, Utama,
da ist ein Mann, der hat sich noch nicht angezogenl"

— „kjerr schämen Sie sich denn gar nicht? — in diesem
Aufzuge?" — So schmirrten die Stimmen entsetzt^
lachend und höhnend um den armen aus seinem Traum
und wagen gestürzten Thcophilns, der — ein Iammer-
bild iu seiuem Nachtkostüm, jammervoller, als Odysseus
vor Nausikaa — sich dem spottenden, herzlosen Publi-
kum präsentierte. Damen kreischten auf bei seinem An-
blick, thunde bellten, Ainder johlten und — „Donner-
wetter, lherr, was soll das bedeuten?" schrie auch schon
ein schnnrrbärtiger polizist auf den sein Dasein verwünsch-
endcn, am Boden wimmcrndeu Professor ein. „Am hellcn
lichten Tage in dieser Bekleidung — was sage ich: Lnt-
kleidung? Schämen Sie sich denn nicht? Sofort kommen
Sie mit mirl"

Und schon packten zehn Fäuste den armen, geschun-
denen, vor Frost klappernden Dulder und schoben ihn
nicht gerade sanft in dcn lvartesaal. „Aber meine
Herren —" wollte der Gcmißhandelte dic Menge,
welche L^nchjustiz an ihm auszuüben drohte, mit weiner-
lichcr Stinime bcruhigen, doch weiter kam er nicht.

„lvozu haben Sie Ihr Gesicht geschwärzt? lvas soll
diese verdächtige Maskerade?" schrie der polizeiwacht-
meister. Mit Gewalt wurde der Uuglückliche vor dcn
Spiegel gezerrt und was er darin erschaute, das mußte
allcrdings ein steinern lherz bewegen. „Die verfl —
Tintenflaschel" wimmerte er, vor seinem Mohrenkonter-
fei erstarrend. „Meine lherren, ich schwöre Ihnen —"

„Er ist wahnsinnigl Legt ihm Stricke an — Ruft den

Arztl" tobte wieder die Menge wild durchcinander. Ietzt ward
es Theophilns heiß uud kalt ums bserz. „Ins Irrcnhausl"
stöhnte er schaudcrnd — nnd Angstschweiß ergoß sich in Strömen
von seiner glühenden Stirn.

Da kam zum Glück der Arzt, ein wohlbeleibter, jovialer
lherr, der bei dem orsten Anblick des unseligen Professors zu-
nächst in ein unbändiges Gelächter ausbrach und sich den vor-
sall beschreiben ließ; da er aber nur mangelhafte Anfschlüsse
übor das woher? und wer? und wie? erhielt, gebot er Schwei-
gen und schritt zum verhöre des zitternden verbrechers. „Sie
in imaginäre Klcidung gehülltcr, Schnupfcnbedürftiger Mohren-
knabe — wie heißen Sie eigentlich — oder siud sie nur mit
Tinte getauft?" fragte er den Bojammenswcrten, der darauf
init schwacher Stimme lallte: „Theophilus Rübsenl" — „Na,
der Name ist gerade nicht vertraueuerweckend I was sind Sie
denn außer Ihrem Beruf als Aameruner weiter?" — „pro-
fessor der Mathematik, Grdinarius von Gberseknnda am Kgl.
Gtzmnasium zu D. bei Danzig l" — „lsm, hm l lferr Professor,"
lächelte der Doktor. „Sagen Sie eininal, tragen Sie immer
solche klassische Aleidung?"- lj°risetzung folg,.)

Ilnangenehme Äntdeckung.

Lust sp i e l d ich ter <oo„ der koge aus das publikum betrachtend):
„Die inachen heute wieder einmal xfiffige Gesichterl"

Kcltnerbosheit.

Aellner: „Gnädige Frau, haben Sie den gnädigen lferrn sich
schon zu ciner Speise entschließen lassen?"

Redaktion: Max Schreiber. Druek und verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäftsstelle in München: Cornelinsstratze 19.
 
Annotationen