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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 24.1896 (Nr. 262-274)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16562#0033
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Meggendorfers Lf u m o r i st i s ch e Blätter.

29

Lchfcchie Ansrcde.

^serr (uiwennulct in- Zinnner Irelend, rvie jein vicner gerade eine Flaschc an den Mund sctzl): „Mie, Sie trinken

von mcineni Logncic?"

Diener (bcMrzt): „Ach, entschuldigen Sie, ich dachte wirklich, es sei die Flasche niit der
.... Schwefelsäure."

Kglaja oöer öie iKrille.

Eine tragischc Gcschichte von L. L. (Lortsctznilg).

eht stand cr davor — und schon Ivollte er vei einer xlötzlichen
Bewegung dessell'cn zitternd zuriickspringen. Doch es
schnarchte wiedcr nach Uebcrwindung des obligatcn Astcs ruhig
weiter. Theoxhilns schlich näher. Ziemlich lange Stiefel ragtcn
aus der uuförniigen Beiscdecke hervor.

„Ls ist cin tNann!" seufzte der Profcssor und crblcichte.
Doch cr faßte sich ivicdor — leise bengte cr sich zu deni pauxte
dcs Dcrlsiillten nicder, leise wolltc er, uni völlige Gowißhcit zu
llabcn, die Decke ein ivcnig lüften. Utit bcbcndcr lsand ergriff
er sie — da — da znglcich cin Mark uud Bein erschntternder
Schrei — und wie cin Blitz, ein Donnerschlag, sausten zwei
"ngeheure schallcndc Ährfcigen auf Theoplsili erstarrte wauge.
Entschleiert war das Bild von Saisl Toteubleich sauk der
Frevler zurück „Aglaja — Du?"

„G mein Thcophilns!" — und schluchzcnd sank die Gattin
c»i seine Brust.

„B niein Theophilus!" jubelte sie. „lfab' ich Dich cudlich,
cndlich wicdcrl Ich glaubte Dich schon vcrlorcn. T) verzeih,
vergicb niir diescn büsen Tinpfaug! Icll wähnte, ein frenidor
lfcrr bcugte sich zn niir nicder, uni niich zu kiisienl" Bon
holdcr Schani uingosfen ucigte Aglaja ihr schöues lsiiupt. -
„Aber frcnst Dn Dich, ivundcrst Du Dich dcun gar nicht, niich
wiedcrzufiiiden, wiännchen? Sich', da ich Dich nicht fand, da
lch hörte, Du seist ohne Brille gcrcist — da hatte ich keine Ruhe,
kcincn sorglosen Augenblick niehr, da fas;te ich den kühncn
Entschluß, Dir auch in Berlin nahe zu scin in Leid nnd F'rciid!
Du weißt-"

„Ich dachte, Du wärst niit dcni ersten Zuge gefahren!"
stühnte dcr professor. Nnn war alles, allcs dahinl B die
Freiheit war doch so schön bisherl Rnhig, cin stuninier
Atärtyrer ließ cr iiun den Redestroni, das Fragen und tvundern
der Lhehälfto über sich ergehcn. Anablässig arbeitete sein ksirn,
grübelnd nur au dor eincn Frage: „wie schüttle ich in Berlin
ihr Ioch — 0 nnr auf kurze Zcit I — von ineinem Nacken? —"

„Du freust Dich also sehr, Dein weib wicder zu haben,
Theophilus?" lispelte Aglaja und drücktc ciuen heißen Anß
anf des Gatten starre Lippen. — „Dn bist doch nicht krank,

Aglaja oder die Brille.

Theophilus?" forschte sie dann
besorgt, da sein steinern lferz
nicht crwarinte unter ihrcu
Licbkosnngen.

„Mir ist nur so heiß! Nur
Luft, nur Luftl" ächztc der
Arnio uud stürzte an das Fcn-
ster, uin sich weit, weit hinaus-
zubeugen in die kühle, schönc
lserbstnacht. „B" — stöhute
cr aus inbriiustigem lferzen —
„0, daß doch jetzt dio verwünschtc
Ronpcetlsiir nachgcbcn möchte —
da — cin gräßlichcr Angst-
ruf hinter ihml „Theoplsilus,
Theophilus, was muß ich
sehenl?" —

Lutseht wollte sich der Gattc,
der ein Unglück ahnte, zu der
Iammeruden ivendcn. Doch sie
hielt ihn fest, sie hatte seinc
Rockschöße umklammert in ei-
nemfort ivimmernd: „B Theo-
philus, 0 Theophilusl Deiue
neucu Schwarzen hinüber —
hinüber I G sprich was ist gcschehen?

„Mir geschehc» ?" fragte der Gatte mit äußerst erstaunlem
Gcsicht.

„lfier, hierl Merkst Du cs denn nicht?" rief Aglaja in
ivildcr Lrrcgung ihm den Mangel vcrdcutlicheud. „Bodenlos

Deine guten — neuen."-Ls siud ja dio alten, liebes

weib l" erwiderte dcr professor mit klassischer Ruhe.

„Die fnnkclnagclucuen sind'sl Du tänschest mich nicht,
Thcophilnsl" rcplizierte jedoch die Gattin bestimmt. „was
hast Du nur damit gemacht?"

„weib, ich habe nnr ein paar Stundcn Skat gespielt, nnd
da ich cinige schwere Grands in lfändcn hatte, war wohl dies
crbärmlichc Machwerk eincs Schncidcrs dem Gewichte nicht ge-
wachscn!" grolltc Thcophilus cntrüstet übcr dicse Fragc.

„Ihr Männerl Ihr Männcr uud der vcrwünschte Skatl"
schluchzte die arinc Frau. „Dauke uur Gott, der Dir cin wcib
gcgeben, das Dir bcisteht in jeglichem Drangsal. Theophilns,

wenn ich bcdenke, wie Du Dich bodeulos blamiert hättest-"

„Mit dicscn Bodcnlosen", ergänzte der Professor mit plsilo-
soplsischcm Glcichmut.

„Du kaunst noch scherzcn, rinmensch? — doch ich schaffe
Rat. Aomni hcr, Thcophilus I" Und mit ihrcn nervigen
Rnochenhändeii praktizierte sie dcn Gattcn in uuaussprechlichcr
Lagc auf ihren Schooß. Rastlos arbeitctcn ihre fleißigen Fiuger,
um des Schicksals wundcn mit cmsiger Nadel wieder zu hcilcu.

Die Nacht lichtete sich. Aus golduem Morgendämincrn
erhob sich vcrschlafcn dcr Tag. Die Sonne schante lächelud ins
Gemach und umwebte mit hellen Strahlen Aglajas Scheitel und
das werk ihrer lsäude.

Das rasende Dampfroß ininderte seine Lile, die Pfeife
tönte, der Zug stand.

„So Thcophilus, Du bist gercttet I" jubclte das cdle kveib. —
„wir sind in Lerlin!" stimmte janchzend der bcfreite Gatte mil
ein ilt ihre Freude. „Nun lsinein in die weltl"

5. Rapitel.

wie der ssrofcssor Berlin I'einahe in Brand gesteckt hätte.

Bahnhof Friedrichstraßel

„So, da wären wir im Lserzen der Residcnz I Romm' nur,
Aglaja, es ist noch früh am Tage, erst zu den Lindcn, zum
 
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