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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 24.1896 (Nr. 262-274)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16562#0044
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^Neggendorfers Hurnoristische Blätter.



„2lbcr, vcrchrtestcr, bctrachtcn Sic doch cinmal Ihrc Riick-
scite!" bernhigte ihn dcr Gberkcllner nnter dcm Lachen der
andern.

„Das ist mir lcider nniiiöglich — ich habe meine Brille
vergesson!" mntcte Lhcaphilns weiter.

„Na, dann sesten Sie lster!" nnd damit löste dcr Rcllner
von dom Rocke des Lrstannten den großcn Drnckzettel, anf dein
mit großon kalligraphischcn Lnchstaben geschricbcn stand i „vor-
sicht! Fencrgefästrlich >"

„Also darnm!" seufzte Theophilns und verschwand still,
ivie ein begossener jdndel, ans dem Lokale.

Theoplstlns stattc ja nnn schon so manches, nicht gerade
Angcnelstncs erlebt nnd mit gewohntem Gleichmnt crtragcn,
aber dicsc Blamage bei seinem Tntrcc in scin so ersehntes Ziel
-- dic kränkte ihn bitter -- schmerzlich. Aber nnr knrze Zcit!
Bald stannte or befricdigt iiber das Leben nnd Gelanfe in dcn
Straßen, nber den niannigfachen kvcchscl dcr Bildor anf Schritt
und Tritt. vor dem historischen Lckfenster, dann vor dem
Brandcnbnrger Thore stand cr glnckselig, in Nachdenken nnd
Leivnndernng versnnkcn und mußte sich öftor fragen: „Ist das
allcs nicht ein schöncr Traum? Vder bin ich wirklich in der
Residcnz nnd frci, rvie vor langen, langen Iahren, da noch
nicht Aglajas Stern an »icinem Lebenshimmel erstrahlte? —
Ia, ja nnd dcnnoch: das Unerhörtc hicr ivard's Treignis! kvic
sollte sic mich iviederfinden so bald in der Ulillioncnstadt — nnd
kann ich fnr dicse nnverantwortliche Perfidie der jdferdebahn
verantwortlich gemacht iverdcn? Dcr lhimmel hat es so gcwollt
— ivohlan dcnn, genießen wir scin Geschenk. Aber meinc
Brille hätte sie mir iviedergcbcn könncn, dann hätte das arine
wcib doch ivenigstens die eine Beruhigung, den Zmeck ihrer
Reise erfiillt zn habcn!" —

vor einer Litfaß-Säule, an dcr er voll
Iubcl gelescn: „Faust im Deutschcn Thcater,"
spann dcr Gliicklichc seine jdläne siir hcute
iveiter. „Znnächst zu meincm Frcnnde —
dann ins lltnsenm - - am Abend ins Theater
nnd ziim Schluß noch ein bidcrber Skat, dcm
kcin klkachtspriich Aglajas wic sonst spieß-
biirgorlich um jv Uhr schon ein Lndc berciten
soll! Und auf das goldne kjeute wird ein
cbenso hcrrliches Ulorgen folgen. Ia, ja
Thcophilo Rübscn: das Gliick begnnstigt Dich
sichtlich anf dieser Deiner Reisel" -

Fast so ansgelassen, wie ein dem Stalle
entsprnngcncs Fiillcn trabte er anf dcm vor-
her ansgcknndschasteten wegc dem Spittel-
markte zn, den er auch — natürlich anf
etlichen Umivcgcn glücklich errcichtc.

„Nr. 2-j cine Treppe! Da wärcn wir
ja!" nnd in großen Sätzen stürmte der jdro-
fcssor die etwas steile, gewnndenc Treppe in
die kföhe — an dcr schenernden jdorticrfrau
vorübcr, die seinc sichtbaren Fußspnren anf
dem wcrke ihrer lfände mit lautem Un-
willen begrüßte.

Die sehr glatte, fenchte Stiege war er-
klommcn und,Samucl Meyer' las cr an der
Thür. „Das ist er, das ist erl" jnbeltc
Thcophilns. „V wie wird sich der altc Iunge
freuen, mich wieder zn sehen nach so langer
Zeit — und in so glücklicher Lagel"

Uiit zittcrnder lfand riß cr an der laut gellenden Alingel
Schrittc nahten, die Thür öffnete üch — einen gespannt erwar-
tungsvollen Blick warf der Professor auf den Vffnendcn nnd —
Schurr l — ein schrccklicher weheschreil — ein Donnergepoltei I
Mie ein Blitz sanste Theophilus die glatten, frischgcscheucrten
Stufcn hernieder. Der vollc Limer ranschte glätschcnd hintcr-
hor, und beide in trautem verein an dcr erstarrten Schcuerfrau
vorüber, hinabdonnernd anf den Flur. —

„Theophilus, Theophilns!" kreischte einc Stimme oben. —
Aglaja war's, die ihren Augcn nicht traute, da sie den Ge-
liebten wie einen aus dcr Unterwclt bcschworencn Schatten
plötzlich vor sie treten und sogleich auch wieder vcrsinken sah
in Nebel in die versenkung I Uüt wenigen Sprüngen, abcr
auf dem geivöhnlichcm wcge, war sie — mit ihr Samuel Uieyer,
zu deffen ihr dcnnoch bekannter Adresse sie nach ihrcr unfrei-
willigen Tntführnng sofort gccilt war — bei dcm Gestürzten,
dcn schon neugierig die gesamten ljausgenosscn nmstanden.

„Theophilns, Du mein Linziger" — schluchztc Aglaja und
warf sich über ihn. „V er ist tot, ist tot!" hallte schaurig ihre
Totenklage. — Der aber richtete sich langsam empor vou seinem
fenchten Lager, schlng soin Auge auf nnd schaute sie an mit
cinem langen, langen Blick. Dann erbob er sich, rcckte seine
geschnndcncn Glicder und sprach leise: „?lglaja, Aglaja, und
nähme ich Flügel dcr Uiorgenröte und flög' bis an die änßersten
Grenzcn dcr Finsternis: Aglaja Du crspähst mich doch! Schick-
sal, ich füge mich — komm, Aglajal"--

Immer tKeschäsismmn!.

„ . . . Sichste, Sarah, das sind Rittcrrüstungenl.
se müssen gehabt habcn vor Ueberfracht bei Reisenl"

. Gott, was

Rcdaktion: Uiax Schroiber. Drnck nnd verlag von I. F. Schrciber, beide in Tßliiigen bei Stuttgart.

Geschäftsstelle in München, Cornelinsstraste 19.
 
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