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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 24.1896 (Nr. 262-274)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16562#0064
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60

NI e g g e » d o rfe r s t) u »> o ri sl i sch e Liätler.


„Abcr diese Idee! 2ic wciren doch vcnchcr c>I>iic Lcirre. nnd
mnn kennt Sie jctzt doch sehr oenon."

Lin Gemurmel crfolgte, aus welchcm nnr das Mort „Dnrst"
dcntlich heranszuhörcn war.

„Mas? Dnrst hadcn Ae? Das hätten Sie glcich sagen

Lr schricdi „Oandle anr Ooscn nnd vcraitz >nein nicli."
„Lin reizcnder Scherzl" sagtcn die Backfischc.

„Aber nnitz lntte, Ifiren Bamen, — Iwren Sio doch, Ihren
Bamen sollen Sic darnnterschreibcn."

And der Dienstmann schrieb: „Spnlike."

sollcn."

Ls war cinc Lnst dcn vermcintlichen Sänger am Bnffct zn
beobachtcn. klnd es
stand cin ganzcr Damen-
flor nm ihn hernm.
der ihn mit dem größten
Intcresse beobachtetc.

Das allgcmeine Urtcil
lantete dahin, das; dic
Leistnngen des Sängers
im Lssen nnd Trinkcn
beincche so bcmnnderns-
wertc scien, als ani
mnsikalischem Gebiet.

Lndlich, endlich schicn
cr gesättigt, nnd nnr
die Bowlc wnrdigte cr
einer wcitcrcn Beacht-
ung. Ietzt nalche sich ein
Backfisch mit eincm Au-
tographenfächer.

„Bitte, schreiben Sie
etwas darauf," sagtc sie,
den Stift hinhaltend.

„Ulir auchl" ricfon cinige andcrc, ebenfalls mit chren
Fächern kommend. Dcr „Sänger" befand sich in großer ver-
legenheit. Lr schnttelte immer den Aopf nnd sagte: „Beinl"

„kOollcn Sie wohl etwas schreiben, Sio böser Ukcnsch?"
finstcrtc dic Tochter des lfauses.

Der Dienstmann erschrak. Lr hielt das sür eincn offiziellen
Tadel.

„Mas — was soll ich schreibcn?" stotterte er.

„Schrciben Sie, was ich Ihnen diktiere: „wandle auf
Aosen und vergißmcinnicht!"

„Bcin, das ist schon ein zn weit gctriebcner Schcrz", arolltcn
die Backfischc. Aber schon battcn sie einc andere Idee.

„Bitte, bitte, cine
Locke!" Lr schnttelte
den Aopf.

„löören Sie mich",
sagtc die Tochtcr dcs
lfanscs, „lsier ist cine
Scheere. Darf ich Ihncn
eine Lockc Ibres lfaarcs
abschneidcn?"

Der „Sänger" nabm
schnell scin Barett vom
Aopfe, hob die — jderncke
ab nnd reichte sie dcr
schönen Fragenden.

Zucrst standen die
jnngen Damen starr vor
Stannen, dann abcr
brachcn sie in ein heito-
res Gelächter aus, und
als die Ukusik cinen flot-
ten Walzer begann,
stnrmten sie alle davon in
dcn Tanzsaal. Aanm scch sich der Dienstmann allcin in dcm
Bnffetranm, als cr leise anfstand nnd sich die Taschen mit
Anchen und Aonfckt zn fiillcn begann. Denn der gute Ulann
dachte an seine sechs Aindcr. Lrscbrcckt bielt er inne, als plötz-
lich der Aommerzienrat vor ihm stand.

„Nur zn, lferr Ulalter, nnr zn, lassen Sie sich nicht stören.
Greifcn Sie nnr zn. Aber nicht wahr, jetzt singen sie auch
etwas?"

kvcnn Spulike in der Dicnstmannskneipe beim Glase
Branntwein satz, forderten ihn seine Aameraden oft auf, ctwas
zn singen, dcnn er kannte cinc Ukenge komischer Liedor. Lr glaubte, dcr Aommerzienrat
ivollte dies Talent für cin Aeqnivalent fnr das
Aonfckt in Ansprnch nehnien nnd ohne wcitere
Zicrerei begann er sofort mit gröhlender Stimme:

„Nenn kleinc Negerlein — —"

Linc dnstere Ahnnng befiel den Aommerzicn-
rat. UUt einem Satz sprang er anf Spnlike zn
nnd riß ihm die Larve vom Gcsicht.

„Ukensch, wer sind Sie denn?"

„Dicnftmann Spnlike Nro. zo-z, bferr Aoin-
merzienrat."

„Wie können Sie es wagen, hierher zn
koinmen?" .

Spnlike erzählte getrenlich, wie er zn seincr
Ulaske gckommen sei.

„kfören Sie, mein liebcr Ljerr Spnlike",
sagte der Aommcrzienrat, „hier haben Sie noch
zehn Ukark. Nnn entferncn Sie sich durch jenc
tfinterthnre und schweigen Sie nber den ganzen
vorfall."

Ls gab an diesem?lbend keine vergniigtere
Familie als dic des Dienstmanns Spnlike.

Nedaktion: Utax Schrcibor. Drnck nnd verlag von I. F. Schrciber, bcidc in Lßlingcn bei Stnttaart.

Geschäsisskelle in Münclien: Äornelinsstealre 19.
 
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