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Meier-Graefe, Julius [Editor]; Renoir, Auguste [Ill.]
Auguste Renoir — München, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.27183#0018
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sondern Duft. Es umspielt in vielen Nuancen das Rundliche,
Weiche, Kühle des Frauenkörpers. Viel zarter sind die Töne ge-
stimmt, so zart, daß das Schaumige des Velasquez fast materiell
erscheint und der rote Lüster des Ornats zu einem Greifbaren wird,
etwa zu einem kostbaren Rahmen, während er doch inniger zu
dem Bilde gehören müßte. Hier beginnt die eigene Wirkung des
Modernen. Wie das Kleid viel inniger zu dem Körper gehört,
so scheint die Malerei dem ganzen Wesen der Frau, die da vor
uns steht, näher zu kommen, einem Wesen, dessen verschwiegene
Eigenheiten der Kunst eines Velasquez so fern lagen wie seiner
Zeit die stille Existenz solcher weißen Damen. Diese Vertraut-
heit mit dem Intimen könnte den Modernen verkleinern. Eine
so vollendete Interpretation des Frauenhaften könnte feminin
erscheinen. Der Vergleich belehrt uns eines Besseren. Der
Maler unserer Zeit scheint dem Modell viel weniger untertan,
als Velasquez seinem Papste. Sein Blick ist geschärft, nicht ver-
weichlicht. Das Verschwiegene seiner Art kommt aus Wider-
ständen zum Vorschein, und man errät mehr davon, als man sieht.
Nur einer starken Männlichkeit ist der schöpferische Instinkt dem
Frauenhaften gegenüber gegeben. Dieses Männliche — derber,
einfältiger, kindlicher als der Sinn des Velasquez — spürt man
durch die weiße Dame hindurch. Es steht hinter ihr wie der
mächtige Baumstamm, an den sie sich anlehnt, und verträgt sich
merkwürdig mit dem Duftigen der Erscheinung. Ja, erst diese
Mischung läßt den vollen Reiz der Zartheit entstehen.

Diese Widerstände glaubt man in allen Einzelheiten des Ma-
lerischen wiederzufinden. Die vielen weißen Töne scheinen sich
mit dem Reiz von Kontrasten auszustatten, neben dem mächtigen
Gegensatz zwischen dem prunkenden Schwarz der Schärpe und
dem Rot gewisser Details. Nur dieser ganz einfache starke
Gegensatz scheint das feine Spiel im Weiß zu ermöglichen. Der
Fleischton wird von dem Rot gewärmt, das von den Korallen des
Ohrgehänges über das Band am Hals bis schließlich zu dem
gelbrosa Teint des Gesichtes eine Tonleiter von wohl ab-
gewogenen Intervallen durchläuft, den Schnee des Kleides noch
weißer und zarter erscheinen läßt und selbst von dem kühleren
Weiß die Wärme erhält. Alle diese vielen Töne kommen nur,
sobald man sie sucht. Sie verschwinden, sobald man das Märchen

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