Berühmter als dieses mit Unrecht unterschätzte Meisterwerk
ist das Doppelbildnis geworden, das Renoirs Bruder und ein Modell,
namens Nini, in der Baignoire eines Theaters darstellt und den
Titel „Die Loge“ trägt*). Das Bild verdankt seinen Ruf der Opulenz
seiner Erscheinung, die in dem Oeuvre in der Tat nahezu einzig
ist. Man ist sehr weit von den Bohemiens des Cabaret de la
Mere Anthony, ebenso weit von der bürgerlichen Koketterie der
„Lise“, fast ebenso weit von dem „Menage Sisley“ und dem „Gar9on
au chat“, obwohl diese Bilder als Vorbereitung gelten mögen. Wir
sind in der „Grand Monde“ des Luxus und der Eleganz. Niemand
würde in der gelassenen Dame, so wenig sie ihre natürliche Liebens-
würdigkeit verbirgt, den Beruf der kleinen Nini erkennen, die
Renoir damals oft ohne die prächtige Hülle, wie Gott sie geschaffen,
gemalt hat. Die Seide knistert, die Perlen leuchten, die Blumen
glühen, und der Partner trägt mit Gelassenheit die orthodoxe
schwarz-weiße Eleganz des Gentleman. Auch wenn die Beleuchtung
und die Operngucker fehlten, wüßte man, daß sich das Paar im
Theater befindet, zum Ansehen und zum Angesehenwerden.
In der Stellung der beiden Figuren zueinander hat Renoir
einen zufälligen Moment gewählt, aber ihn so glücklich getroffen,
daß der Zufall nur die Sicherheit des Betrachters steigert.
Die Halbfiguren sind auf einen verhältnismäßig geringen Raum
zusammengerückt, und die wesentliche Wirkung mag in dem
Räumlichen liegen, das man trotz der Enge wie eine freie
Wallung empfindet. Die schöne Frau dehnt sich als echte
Pariserin vollkommen aus in breiter, prächtiger Fülle, und der
Herr hinter ihr, für dessen Nebenrolle nur das winzige Dreieck
bleibt, bewegt sich ungehindert in der Tiefe. Sehr geschickt ist
der schräge Ausschnitt mit der Brüstung erfunden. Ihn benutzt
der Parallelismus zwischen Brüstung, Schulter- und Armlinie der
Dame und weiter dem Arm des Herrn. Dazwischen laufen auf
Grau und Blau die schwarzen Schlangenlinien der Streifen des
Kleides. Ihr Rhythmus zieht das Schwarz des Fracks mit in das
Spiel hinein und sorgt für eine unauffällige sehr wirksame Ver-
bindung zwischen den beiden.
In der „Danseuse“ desselben Jahres wurde das Vaporöse,
*) Sammlung' Durand Ruel. Eine kleine, nicht sonderlich glückliche Wieder-
holung aus derselben Zeit in der Sammlung Dollfus.
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ist das Doppelbildnis geworden, das Renoirs Bruder und ein Modell,
namens Nini, in der Baignoire eines Theaters darstellt und den
Titel „Die Loge“ trägt*). Das Bild verdankt seinen Ruf der Opulenz
seiner Erscheinung, die in dem Oeuvre in der Tat nahezu einzig
ist. Man ist sehr weit von den Bohemiens des Cabaret de la
Mere Anthony, ebenso weit von der bürgerlichen Koketterie der
„Lise“, fast ebenso weit von dem „Menage Sisley“ und dem „Gar9on
au chat“, obwohl diese Bilder als Vorbereitung gelten mögen. Wir
sind in der „Grand Monde“ des Luxus und der Eleganz. Niemand
würde in der gelassenen Dame, so wenig sie ihre natürliche Liebens-
würdigkeit verbirgt, den Beruf der kleinen Nini erkennen, die
Renoir damals oft ohne die prächtige Hülle, wie Gott sie geschaffen,
gemalt hat. Die Seide knistert, die Perlen leuchten, die Blumen
glühen, und der Partner trägt mit Gelassenheit die orthodoxe
schwarz-weiße Eleganz des Gentleman. Auch wenn die Beleuchtung
und die Operngucker fehlten, wüßte man, daß sich das Paar im
Theater befindet, zum Ansehen und zum Angesehenwerden.
In der Stellung der beiden Figuren zueinander hat Renoir
einen zufälligen Moment gewählt, aber ihn so glücklich getroffen,
daß der Zufall nur die Sicherheit des Betrachters steigert.
Die Halbfiguren sind auf einen verhältnismäßig geringen Raum
zusammengerückt, und die wesentliche Wirkung mag in dem
Räumlichen liegen, das man trotz der Enge wie eine freie
Wallung empfindet. Die schöne Frau dehnt sich als echte
Pariserin vollkommen aus in breiter, prächtiger Fülle, und der
Herr hinter ihr, für dessen Nebenrolle nur das winzige Dreieck
bleibt, bewegt sich ungehindert in der Tiefe. Sehr geschickt ist
der schräge Ausschnitt mit der Brüstung erfunden. Ihn benutzt
der Parallelismus zwischen Brüstung, Schulter- und Armlinie der
Dame und weiter dem Arm des Herrn. Dazwischen laufen auf
Grau und Blau die schwarzen Schlangenlinien der Streifen des
Kleides. Ihr Rhythmus zieht das Schwarz des Fracks mit in das
Spiel hinein und sorgt für eine unauffällige sehr wirksame Ver-
bindung zwischen den beiden.
In der „Danseuse“ desselben Jahres wurde das Vaporöse,
*) Sammlung' Durand Ruel. Eine kleine, nicht sonderlich glückliche Wieder-
holung aus derselben Zeit in der Sammlung Dollfus.
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