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Meier-Graefe, Julius [Editor]; Renoir, Auguste [Ill.]
Auguste Renoir — München, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.27183#0112
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Seiten umfaßt. Und so scheint das ganze, mächtig in uns ein-
dringende Bild einen größeren Komplex von Zeit und Kultur zu
umfassen. Der Gedanke dringt weit über Ingres hinaus und spürt
in dem vorhergehenden Jahrhundert ähnlichen Formen nach. Ich
habe bei einer anderen Gelegenheit die „Baigneuses“ und Frago-
nards Bild gleichen Titels im Louvre verglichen und kam zu keinem
Resultat. Wir wissen, wieviel in Renoir vom Dixhuitieme steckt.
Alles, was man an ihm dekorativ nennen könnte, hängt damit
zusammen. Die Panneaux für Blanche, die wertvollere Dekoration
für Charpentier, von der hier ein Stück abgebildet ist, alles Sachen,
die kurz vor den „Baigneuses“ entstanden, gehören dahin. Es
sind leichte, duftige Improvisationen, die den Salon einer Du Barry
schmücken könnten. Nichts findet sich davon in dem Bilde. Herr
Blanche, der Besitzer, brachte mich auf eine Spur. Seinem Winke
folgend, fand ich im Park von Versailles, in den Blei-Reliefs, die
das schöne Bassin der Allee des Marmousets schmücken, das
Vorbild des Werkes. Die Reliefs sind von dem 1715 gestorbenen
Girardon, dem die Gärten von Versailles so viel Schönes ver-
danken, und stellen das Bad der Diana dar. Nackte Frauen
spielen im Wasser; einige liegen am Ufer. Unter ihnen findet
man eine in der Haltung der Hauptgestalt unseres Bildes ähnliche
Gestalt. Auch die kleinere, die im Wasser steht und mit den
Händen zu spritzen droht, kommt wieder, und das ganze Motiv
ist ähnlich. Renoir hat es gezeichnet. Ich habe die Zeichnung
bisher nicht finden können. Blanche hat sie gesehen, sie war im
Besitz des Sammlers und Malers Maitre, des Freundes Renoirs.
In einem der ersten Entwürfe, auf dem die Komposition noch aus
sieben Gestalten bestand (Sammlungen Vollard und Prince Wagram),
ist die Beziehung noch deutlicher.

Es ist im wesentlichen eine gegenständliche Beziehung, weniger
greifbar als die von Pauli nachgewiesene merkwürdige Beziehung des
„Dejeuner sur l’herbe“ von Manet zu dem Stich von Marc Anton.
Die Formen haben wenig gemein. Man spürt in dem Renoirschen
Gemälde das Relief. Aber der Ausdruck geht weit über das
schäkernde Spiel der zierlichen Figuren Girardons, die wie
plätschernde Wellen die Fläche malerisch bewegen, hinaus. In dem
Renoir treffen sich ältere, stärker wogende Rhythmen der französischen
Kunst. Man denkt an herbere Darstellungen der Frau, an eine

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