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Meier-Graefe, Julius [Editor]; Renoir, Auguste [Ill.]
Auguste Renoir — München, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.27183#0144
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Jahre im Vergleich zu anderen spärlich bedacht. Sie verraten die
Unsicherheit des Suchenden. Es wurde Renoir schwer, die Ge-
drungenheit der Form aufzugeben, die er nach jahrelanger Arbeit
erreicht hatte, und die ihm allein eines Meisters würdig erschien.
Und doch konnte es sich um nichts anderes handeln, wollte er
die Klippe vermeiden, zu der ihn die weitere Verfolgung des
alten Weges unfehlbar getrieben hätte. Auf diesem Wege gab
es nur das Monument, um die Kräfte, wie sie sich jetzt entwickelt
hatten, rationell zu verwenden. Fehlte es, so mußten sie bei
gleicher Spannung zu einer Überladung führen und verkümmern
wie alles ungenutzte Übermaß. Auf der anderen Seite drohte der
Kompromiß, der Verzicht auf Weiterentwicklung, der Rückschritt.
Man kann sich diese Situation nicht eindringlich genug vorstellen,
nicht nur um die kommende Blüte Renoirs in vollem Maße würdigen
zu können, sondern auch um an diesem nicht gewöhnlichen Bei-
spiel immer wieder das jedem künstlerischen Wirken unserer Zeit
bestimmte Schicksal zu erkennen.

Was Renoir half, war sein glücklicher Lebensdurst. Vor
allem leben! Er konnte nicht in der Stube sitzen und grübeln,
wenn draußen der Frühling begann. Vor allem malen! Er mußte,
ob er wollte oder nicht. Malen war sein Anteil am Leben. Es
genügte, eine Zeitlang zu rasten oder wenigstens nicht mit
dem alten Eifer bei der Sache zu sein, um seine Begeisterung
plötzlich wie einen zurückgehaltenen Strom über alle Dämme
fluten zu lassen. Und bei so einer Gelegenheit kam das Neue
ganz von selbst zustande, sowie in den Tiefen der Erde infolge
einer Erschütterung neue Kristallisationen entstehen.

Auch in den früheren Perioden ist die Natur Renoirs das
treibende Element. Sie erlaubte nicht einmal den Einflüssen, die
dem Anfänger zur Seite standen, unbeschränkte Macht. Doch
ist in den sechziger Jahren die Hilfe Courbets sehr deutlich;
ebenso deutlich in den siebziger Jahren der Einfluß Delacroix’,
und noch in den achtziger Jahren konnten wir mit einigem Grund
auf den Anteil Ingres’ und älterer Meister hinweisen. Anders
steht es mit der Periode, die wir bis auf weiteres als die letzte

die auch als Ölbilder existieren, hat Vollard in den letzten 15 Jahren heraus-
gegeben. Eins der schönsten einfarbigen Blätter ist das Mädchen im Hut, das
1899 für meine Publikation „Germinal“ gedruckt wurde.

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