einem Teil des Kunftwerkes, der ungebildeten Augen als wefentlicher Vorgang erfchienen war.
DieferTeil wurde zum feelenlofen Detail, zum Fleifch,das nicht mehr Anfpruch hatte als dasTuch,
auf dem es ruhte, oder derVorhang daneben. Ertat die Idee dafür in das All,in den gefamten Kosmos,
durchftrömte Fleifch undTuch undVorhang mit demfelben Impuls,malte die Landfchaft wie einen
einzigen Körper, das Meer wie eine atmende Menge. Das heißt, er malte, was die Philofophen der
Zeit als den Urfprung des Seins formulierten: die Kraft, den Willen.
Da wir den primitiven Urfprung der Kraft kennen, nicht ihr Ziel, nicht das Objekt des Willens,
find wir geneigt,fie ungeiftig zu nennen.Wohl mit Recht! Alles, was wir von der Kraft Courbets
ausgehen fehen, beftätigt die materielle Sphäre. Etwas Ungeiftiges kommt mit ihm in die Kunft.
Das Bürgerliche, das die Fontainebleauer brachten, erhält einen unverkennbar proletarifchen Zug.
Die Art feinerVerallgemeinerung, überzeugend erreicht, weift auf das Sichtbare der Welt. Sehe ich,
ift es fchon gemalt. Ganz ficher wird nicht das von Hinz und Kunz Gefehene gefehen. Ein Auge
phänomenaler Phyfiologie weitet die Poren der Dinge. Ein freflerifches Sehen,als fei das Organ
ungeheures Zerteilungswerkzeug. Aber foweit fein Umfang reicht,immer hält es fich an das rein
Stoffliche des Objekts. Der Rhythmus macht alle Kräfte der Materie wirkfam. Das Geiftige aber
beruht nur auf der bewußten Energie, mit der für alle Stoffe Äquivalente der Pinfelfchrift gefunden
werden. Es ift Symbol, daß Courbet nicht dasÄquivalent feiner Felfen und Wogen zu bevölkern
vermag, daß uns das Fleifch feiner Frauen hinreißt, nicht derMenfch in dem Fleifch; daß auch feine
Bildnifle wunderbare Materie bleiben. Damit entfteht unvermeidlich die Gefahr einer energie-
reichen Materialifierung der Kunft. Courbet ftürzt die Phrafe. Seitdem ift die Sentimentalität des
Malers mit Notbehelfen gerichtet. Der Sieg mußte Befitztümer der Empfindung gefährden, ohne
die das Malen ein Metier, ein manuelles oder vifuelles Gebaren wird. Gefährden, fage ich, aber
fchon die Gefahr iftVerluft.War fie zu vermeiden? Zweihundert Jahre vorher hat ein Größerer im
Kampf mit ähnlichen fozialen Vorurteilen eine Verallgemeinerung des Schönen vollbracht ohne die
Verlufte Courbets, nur, faft nur mit Gewinn. Auch Rembrandt entfernte fich von dem Liebhaber
und fetzte an feine Stelle dasVolk.Völkifche Legende bereicherte dieLeinwand,ohne dem farbigen
Ornament einen Hauch der eigenen Herrlichkeit zu nehmen, ja, die Legende gibt den Farben
erhöhten Klang und wird von ihnen ins Uberirdifche emporgehoben. Der umgekehrte Weg. Der
ungläubige Courbet machte Felfen lebendig und ließ dieWogen des Meeres fingen. Ein wunder-
bares, aber chaotifches Schaufpiel. Mußte der Pantheismus diefes Spezialiften nicht zuletzt den
Abgrund zwifchen Kunft und Volk vergrößern, da er der Malerei die gemeinverftändliche Form
des Menfchlichen nahm? War nicht im Grunde Delacroix, der Ariftokrat, dem Volke freundlicher,
da feine fublimeVergeiftigung derKunft die überlieferte Legende noch ftrahlender entftehen ließ?
Nicht für die letzte geiftige Erhöhung der Menfchheit war Courbet unentbehrlich, wohl aber für
dieReinigung verworrener Inftinkte,für einen neuen Anfang, und ganz ficherfür die unmittelbare
Erziehung der heranwachfendenKunft.Ihr gab die chaotifcheFülle feinesWerkes,feinebedingungs-
lofe Sachlichkeit, feine durchdringende Kenntnis der Alten, vor allem die ftrotzende Gefundheit
des Kraftmenfchen die rechte Nahrung. Da der Naturalismus einmal kommen mußte, war kein
beflerer Interpret denkbar als diefer Barbar mit dem hellen Auge und der gefchicktenHand, der fich
ohne Referven gab und die Grenzen feiner Art fo unverhohlen wie möglich fehen ließ. Kein beflerer
Anfang für geiftige Menfchen als diefer derbe Materialismus. Er gab ihnen keine Flügel, aber den
52
DieferTeil wurde zum feelenlofen Detail, zum Fleifch,das nicht mehr Anfpruch hatte als dasTuch,
auf dem es ruhte, oder derVorhang daneben. Ertat die Idee dafür in das All,in den gefamten Kosmos,
durchftrömte Fleifch undTuch undVorhang mit demfelben Impuls,malte die Landfchaft wie einen
einzigen Körper, das Meer wie eine atmende Menge. Das heißt, er malte, was die Philofophen der
Zeit als den Urfprung des Seins formulierten: die Kraft, den Willen.
Da wir den primitiven Urfprung der Kraft kennen, nicht ihr Ziel, nicht das Objekt des Willens,
find wir geneigt,fie ungeiftig zu nennen.Wohl mit Recht! Alles, was wir von der Kraft Courbets
ausgehen fehen, beftätigt die materielle Sphäre. Etwas Ungeiftiges kommt mit ihm in die Kunft.
Das Bürgerliche, das die Fontainebleauer brachten, erhält einen unverkennbar proletarifchen Zug.
Die Art feinerVerallgemeinerung, überzeugend erreicht, weift auf das Sichtbare der Welt. Sehe ich,
ift es fchon gemalt. Ganz ficher wird nicht das von Hinz und Kunz Gefehene gefehen. Ein Auge
phänomenaler Phyfiologie weitet die Poren der Dinge. Ein freflerifches Sehen,als fei das Organ
ungeheures Zerteilungswerkzeug. Aber foweit fein Umfang reicht,immer hält es fich an das rein
Stoffliche des Objekts. Der Rhythmus macht alle Kräfte der Materie wirkfam. Das Geiftige aber
beruht nur auf der bewußten Energie, mit der für alle Stoffe Äquivalente der Pinfelfchrift gefunden
werden. Es ift Symbol, daß Courbet nicht dasÄquivalent feiner Felfen und Wogen zu bevölkern
vermag, daß uns das Fleifch feiner Frauen hinreißt, nicht derMenfch in dem Fleifch; daß auch feine
Bildnifle wunderbare Materie bleiben. Damit entfteht unvermeidlich die Gefahr einer energie-
reichen Materialifierung der Kunft. Courbet ftürzt die Phrafe. Seitdem ift die Sentimentalität des
Malers mit Notbehelfen gerichtet. Der Sieg mußte Befitztümer der Empfindung gefährden, ohne
die das Malen ein Metier, ein manuelles oder vifuelles Gebaren wird. Gefährden, fage ich, aber
fchon die Gefahr iftVerluft.War fie zu vermeiden? Zweihundert Jahre vorher hat ein Größerer im
Kampf mit ähnlichen fozialen Vorurteilen eine Verallgemeinerung des Schönen vollbracht ohne die
Verlufte Courbets, nur, faft nur mit Gewinn. Auch Rembrandt entfernte fich von dem Liebhaber
und fetzte an feine Stelle dasVolk.Völkifche Legende bereicherte dieLeinwand,ohne dem farbigen
Ornament einen Hauch der eigenen Herrlichkeit zu nehmen, ja, die Legende gibt den Farben
erhöhten Klang und wird von ihnen ins Uberirdifche emporgehoben. Der umgekehrte Weg. Der
ungläubige Courbet machte Felfen lebendig und ließ dieWogen des Meeres fingen. Ein wunder-
bares, aber chaotifches Schaufpiel. Mußte der Pantheismus diefes Spezialiften nicht zuletzt den
Abgrund zwifchen Kunft und Volk vergrößern, da er der Malerei die gemeinverftändliche Form
des Menfchlichen nahm? War nicht im Grunde Delacroix, der Ariftokrat, dem Volke freundlicher,
da feine fublimeVergeiftigung derKunft die überlieferte Legende noch ftrahlender entftehen ließ?
Nicht für die letzte geiftige Erhöhung der Menfchheit war Courbet unentbehrlich, wohl aber für
dieReinigung verworrener Inftinkte,für einen neuen Anfang, und ganz ficherfür die unmittelbare
Erziehung der heranwachfendenKunft.Ihr gab die chaotifcheFülle feinesWerkes,feinebedingungs-
lofe Sachlichkeit, feine durchdringende Kenntnis der Alten, vor allem die ftrotzende Gefundheit
des Kraftmenfchen die rechte Nahrung. Da der Naturalismus einmal kommen mußte, war kein
beflerer Interpret denkbar als diefer Barbar mit dem hellen Auge und der gefchicktenHand, der fich
ohne Referven gab und die Grenzen feiner Art fo unverhohlen wie möglich fehen ließ. Kein beflerer
Anfang für geiftige Menfchen als diefer derbe Materialismus. Er gab ihnen keine Flügel, aber den
52