KUBISMUS
unser Auge mühelos die unterbrochene Bindung der Steine
wieder her und kann sich also eine Mitwirkung einbilden,
doch hat es nichts Wesentliches zu erbringen. Das, was die
Pyramidenbauer wollten, fing erst bei der makellosen
Glätte an. Die Pracht der blanken Dreiecke muß unge-
heuer gewesen sein und bestätigte immer nur sich, verbot
die schmeichelnde Dichtung, hielt die Phantasie im Zaum.
Ich bin schon so weit, den Verzicht auf Symbolik für posi-
Live Errungenschaft zu halten. Formen von dieser Dop-
pelwirkung einer Nahwirkung, die den Geist bändigt,
einer Fernwirkung, die ihn nie betrügt, hat es nicht wieder
gegeben. Jede der Natur entlehnte Gestalt wird in irgend-
einer Entfernung deformiert und komisch, im besten Falle
nichtig. Also überträfe eine mit Lineal und Zirkel und
ungeheuerlicher Verschwendung von Kraft und Material
geschaffene Geometrie jedes andere Monument!
Babuschka zieht den photographischen Apparat auf.
— „Selbstverständlich!“ sagt sie.
— „Also Kubismus! Deshalb fährt man nach Ägypten!“
Sie muschelt etwas und knipst.
Ein junger Mensch und namentlich eine Frau hält sich
nicht mit Konsequenzen auf. Der Eindruck ist da, man
knipst, und alle früheren Erfahrungen sind gewesen.
Schließlich ist es immerhin bemerkenswert, hier ein Ver-
fahren im Großen wiederzufinden, das im Kleinen die
Kunst Europas soeben als letzte Ausflucht versucht hat.
Die Erbauer der Pyramiden waren Vorgänger Picassos.
Babuschka streitet jeder anderen geometrischen Form
die gleiche Wirkung ab. Das kann man als wahres Glück
bezeichnen. Und ob ich mir etwa einen Würfel statt der
Pyramide denken könne? Außerdem hätte keine andere
so lange gehalten.
-- „Dann hat man also von drei oder vier Möglichkeiten
aus dem geometrischen Konzern die rationellste gewählt.“
— „Die schönste!“ behauptet sie.
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unser Auge mühelos die unterbrochene Bindung der Steine
wieder her und kann sich also eine Mitwirkung einbilden,
doch hat es nichts Wesentliches zu erbringen. Das, was die
Pyramidenbauer wollten, fing erst bei der makellosen
Glätte an. Die Pracht der blanken Dreiecke muß unge-
heuer gewesen sein und bestätigte immer nur sich, verbot
die schmeichelnde Dichtung, hielt die Phantasie im Zaum.
Ich bin schon so weit, den Verzicht auf Symbolik für posi-
Live Errungenschaft zu halten. Formen von dieser Dop-
pelwirkung einer Nahwirkung, die den Geist bändigt,
einer Fernwirkung, die ihn nie betrügt, hat es nicht wieder
gegeben. Jede der Natur entlehnte Gestalt wird in irgend-
einer Entfernung deformiert und komisch, im besten Falle
nichtig. Also überträfe eine mit Lineal und Zirkel und
ungeheuerlicher Verschwendung von Kraft und Material
geschaffene Geometrie jedes andere Monument!
Babuschka zieht den photographischen Apparat auf.
— „Selbstverständlich!“ sagt sie.
— „Also Kubismus! Deshalb fährt man nach Ägypten!“
Sie muschelt etwas und knipst.
Ein junger Mensch und namentlich eine Frau hält sich
nicht mit Konsequenzen auf. Der Eindruck ist da, man
knipst, und alle früheren Erfahrungen sind gewesen.
Schließlich ist es immerhin bemerkenswert, hier ein Ver-
fahren im Großen wiederzufinden, das im Kleinen die
Kunst Europas soeben als letzte Ausflucht versucht hat.
Die Erbauer der Pyramiden waren Vorgänger Picassos.
Babuschka streitet jeder anderen geometrischen Form
die gleiche Wirkung ab. Das kann man als wahres Glück
bezeichnen. Und ob ich mir etwa einen Würfel statt der
Pyramide denken könne? Außerdem hätte keine andere
so lange gehalten.
-- „Dann hat man also von drei oder vier Möglichkeiten
aus dem geometrischen Konzern die rationellste gewählt.“
— „Die schönste!“ behauptet sie.
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