III.
Bedingungen des Naturstudiums und seine Behandlung
an den technischen Kunstschulen.
Die Notwendig-
keit eines verglei-
chenden Studiums
der Kunst- und
Naturformen.
Schon im Vorworte wurde die vergleichende Betrachtung der Kunst- und Naturformen
als die Hauptbedingung für die Wirksamkeit des künstlerischen Naturstudiums bezeichnet. Dieses
Grundprinzip muss nun vor allem bei seiner Behandlung an den technischen Kunstschulen festgehalten
werden. Unter dieser Voraussetzung wird das Eigenstudium des Künstlers, wie der Unterricht in diesem
Stoffe drei Forderungen zu erfüllen haben:
1. Das Naturstudium von Anfang an als ein gleichwertiges künstlerisches Bildungsmittel mit
dem Studium der überlieferten Formen in unmittelbarem und dauerndem Zusammenhänge zu halten,
2. das Studium so viel als möglich an den natürlichen Formen selbst zu üben,
3. das Studium dem besonderen Berufe des Künstlers anzupassen.
1. Wenn die vorangegangenen Ausführungen nachzuweisen vermochten, dass die Stilisierung der
natürlichen Erscheinungen ebensosehr vom Erfassen ihres Verhältnisses zu den Kunstformen, wie vom
Verständnis der letzteren selbst bedingt ist, so liegt darin schon der Nachweis, dass das Studium der
Naturformen von dem der Kunstformen abhängig gemacht werden muss, wenn es seine beabsichtigte
Wirkung erreichen soll.
Das gemeinschaftliche und gleichzeitige Studium beider Formenreihen hat für den Lernenden
einen doppelten Nutzen: einmal kann er auf diese Weise die künstlerischen Elemente in den Natur-
formen schärfer erfassen, andererseits aber auch die Bedeutung und den Wert der Naturformen in den
überlieferten Kunstformen und damit deren Wirkung selbst erst erkennen. Durch Erfüllung dieser
Vorbedingungen wird er also nicht sowohl dafür vorbereitet, die natürlichen Formen mit Nutzen und
in richtiger Weise selbst zu verwerten, sondern gleichzeitig in den Stand gesetzt, auch die überlieferten
Formen mit vermehrtem Verständnis zu kopieren und weiter zu bilden. Dem Lehrer giebt die ver-
gleichende Methode aber überhaupt erst Gelegenheit und Möglichkeit, die formalen und gedanklichen
Bezüge beider Formenelemente dem Schüler nahe zu bringen, während ein isoliertes Naturstudium dies
ausschliesst und damit seinen Nutzen nicht nur zweifelhaft macht, sondern auch die Gefahr der Ver-
führung zu einer unverstandenen Anwendung der Naturformen erhöht. Nur zu rasch wird die Jugend
geneigt sein, Naturformen ebenso unmittelbar zu verwerten, wie sie es mit den Kunstformen thut,
welche sie aus Bibliotheken und Sammlungen zusammenholt, um so mehr wenn sie erst glaubt, damit
etwas Neues und Zeitgemässes zu bringen. Sollten — was der Kunst hoffentlich erspart bleibt — die
Naturformen in derselben Weise »Mode« werden, wie die eben so rasch aufgewärmten, als abgestandenen
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Bedingungen des Naturstudiums und seine Behandlung
an den technischen Kunstschulen.
Die Notwendig-
keit eines verglei-
chenden Studiums
der Kunst- und
Naturformen.
Schon im Vorworte wurde die vergleichende Betrachtung der Kunst- und Naturformen
als die Hauptbedingung für die Wirksamkeit des künstlerischen Naturstudiums bezeichnet. Dieses
Grundprinzip muss nun vor allem bei seiner Behandlung an den technischen Kunstschulen festgehalten
werden. Unter dieser Voraussetzung wird das Eigenstudium des Künstlers, wie der Unterricht in diesem
Stoffe drei Forderungen zu erfüllen haben:
1. Das Naturstudium von Anfang an als ein gleichwertiges künstlerisches Bildungsmittel mit
dem Studium der überlieferten Formen in unmittelbarem und dauerndem Zusammenhänge zu halten,
2. das Studium so viel als möglich an den natürlichen Formen selbst zu üben,
3. das Studium dem besonderen Berufe des Künstlers anzupassen.
1. Wenn die vorangegangenen Ausführungen nachzuweisen vermochten, dass die Stilisierung der
natürlichen Erscheinungen ebensosehr vom Erfassen ihres Verhältnisses zu den Kunstformen, wie vom
Verständnis der letzteren selbst bedingt ist, so liegt darin schon der Nachweis, dass das Studium der
Naturformen von dem der Kunstformen abhängig gemacht werden muss, wenn es seine beabsichtigte
Wirkung erreichen soll.
Das gemeinschaftliche und gleichzeitige Studium beider Formenreihen hat für den Lernenden
einen doppelten Nutzen: einmal kann er auf diese Weise die künstlerischen Elemente in den Natur-
formen schärfer erfassen, andererseits aber auch die Bedeutung und den Wert der Naturformen in den
überlieferten Kunstformen und damit deren Wirkung selbst erst erkennen. Durch Erfüllung dieser
Vorbedingungen wird er also nicht sowohl dafür vorbereitet, die natürlichen Formen mit Nutzen und
in richtiger Weise selbst zu verwerten, sondern gleichzeitig in den Stand gesetzt, auch die überlieferten
Formen mit vermehrtem Verständnis zu kopieren und weiter zu bilden. Dem Lehrer giebt die ver-
gleichende Methode aber überhaupt erst Gelegenheit und Möglichkeit, die formalen und gedanklichen
Bezüge beider Formenelemente dem Schüler nahe zu bringen, während ein isoliertes Naturstudium dies
ausschliesst und damit seinen Nutzen nicht nur zweifelhaft macht, sondern auch die Gefahr der Ver-
führung zu einer unverstandenen Anwendung der Naturformen erhöht. Nur zu rasch wird die Jugend
geneigt sein, Naturformen ebenso unmittelbar zu verwerten, wie sie es mit den Kunstformen thut,
welche sie aus Bibliotheken und Sammlungen zusammenholt, um so mehr wenn sie erst glaubt, damit
etwas Neues und Zeitgemässes zu bringen. Sollten — was der Kunst hoffentlich erspart bleibt — die
Naturformen in derselben Weise »Mode« werden, wie die eben so rasch aufgewärmten, als abgestandenen
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