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Meurer, Moritz
Pflanzenformen: vorbildliche Beispiele zur Einführung in das ornamentale Studium der Pflanze; zum Gebrauche für Kunstgewerbe- und Bauschulen, Technische Hochschulen und höhere Unterrichtsanstalten sowie für Architekten und Kunsthandwerker — Dresden, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.43158#0078
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machen; am erfolgreichsten jedenfalls in den letzteren, welche den Handwerker mit der Übertragung
ihrer Formen in seine endgültigen Werkstoffe vertraut machen. Wenn sich irgendwo ein unmittel-
barer und nachhaltiger Einfluss auf das stilistische Vermögen des Schülers gewinnen lässt, so ist es in
den Fachklassen. Indessen darf in dieser Beziehung auch nicht zu viel erwartet werden. Bedingt das
Stilisieren, wie jedes künstlerische Schaffen überhaupt, persönliche Begabung und künstlerische Reife,
so lässt sich auch der Schüler durch keine Lehrmethode zur stilistischen Benutzung der Naturformen
abrichten.

Ziel des
Naturstudiums an
technischen
Kunstschulen.

Die eigentliche Bedeutung des Naturstudiums für die Schule wird deshalb vorwiegend auch nur
auf seiner Wirkung als eines unentbehrlichen Hilfsmittels zur Erkenntnis der künstlerischen Gestal-
tungsgesetze und zur Erwerbung eines umfänglicheren Formenschatzes beruhen. Indem wir durch

eine zielbewusste Anwendung desselben unseren Unterricht ausserordentlich vertiefen und zu bereichern

vermögen, können wir zwar auch die künstlerische Selbständigkeit des Schülers in hohem Masse för-

dern, der nachhaltige Nutzen des Studiums wird aber erst jenseits der Schule liegen. Erst als gereifter

Künstler und inmitten seines Berufes wird er volle Gelegenheit haben, die erworbenen Formkennt-
nisse und die gewonnene Übung im Naturformsehen für seine besonderen technischen Aufgaben zu

verwerten.

* *
*

Zweck und Dar-
stellungsprinzip
des Werkes.

Aus den vorausgegangenen Erörterungen ergiebt sich das Ziel, welches sich vorliegende Her-
ausgabe gesteckt hat. Sie verfolgt die nächstliegende Aufgabe, jene künstlerische Betrachtungsweise

der Natur fördern zu helfen, welche die Vorbedingung für die Wirksamkeit ihrer Erscheinungen auf das
künstlerische Schaffen des Architekten und Kunsthandwerkers ist. Die zeichnerischen Vorbilder sollen

deshalb weder das natürliche Unterrichtsmaterial ersetzen, noch eine unmittelbare Motivensammlung
für ornamentale Verwendung bilden, sondern in erster Linie dem technischen Künstler die besondere
Art seines Naturstudiums nahe bringen, der begleitende Text aber namentlich dem Lehrer als Leit-
faden für die Behandlung des Unterrichtsstoffes dienen.
Zu diesem Zwecke ist ein Darstellungsprincip angewendet worden, welches das Werk von der
Mehrzahl ähnlicher Publikationen unterscheidet. Die letzteren wählen im wesentlichen zwei Wege: sie
stellen entweder die Pflanze nur in ihrer naturalistisch-perspektivischen Erscheinung dar, oder machen
von dem Mittel Gebrauch, einerseits dieses naturalistische Bild und andererseits eine daraus gewonnene
stilistische Form zu zeigen. Macht das vorliegende Werk von dem ersteren Mittel nur geringen Ge-
brauch, so hat es das letztere ganz beiseite gelassen und sich bei seiner Darstellungsweise der Pflanze
einer Auffassung angeschlossen, welche u. a. das Werk Rupprich Roberts »Flore ornemental« vertritt.
Auch diesem französischen Werke sind stilistische Anwendungen der Pflanze aus der Hand des
Verfassers beigegeben, die indessen den erziehlichen Zweck desselben nicht wesentlich fördern können.
Dass neue Beispiele, auf welche Weise die Pflanze zu stilisieren sei, nur einen sehr relativen Nutzen
haben und nur einen engbegrenzten Kreis umfassen können, ergiebt sich schon aus dem Umstand, dass
die Stilisierungsbedingungen bei jeder einzelnen praktischen Aufgabe und jedem Materiale derselben
wechseln. Ist das naturalistisch dargestellte Pflanzenbild aber an und für sich für die Zwecke des tech-
nischen Studiums gänzlich unzureichend, so erfüllt auch die Zusammenstellung mit seiner ornamentalen

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