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Meurer, Moritz
Pflanzenformen: vorbildliche Beispiele zur Einführung in das ornamentale Studium der Pflanze; zum Gebrauche für Kunstgewerbe- und Bauschulen, Technische Hochschulen und höhere Unterrichtsanstalten sowie für Architekten und Kunsthandwerker — Dresden, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.43158#0192
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Abt. i. Tafel 26 u. 27. Fiedernervige Berippung mit
Schleifenbildungen.
Gartengänsedistel und rauhe Gänsedistel, Sonchus oleraceus, Sonchus asper. Mauerlattich
Lactuca muvalis (naturalistisch dargestellt).
Bei der Mehrzahl der fiedernervigen Blätter dieser Tafel liegt noch ausgesprochener als bei den
Distelblättern, denen ihre Berippung ähnelt, die grösste Breitenausdehnung der Blattfläche nahe dem
Kopfstücke, dessen kräftige Entwickelung diesen Blattarten das charakteristische Gepräge giebt. Unter
den drei oberen Beispielen, welche den formenreichen Blättern der Gänsedisteln entnommen sind,
zeigt das mittlere {Sonchus asper) fiederspaltige Bildung; die hornartig sich nach unten biegenden
Lappungen werden durch zwei konvex gebogene, ziemlich unregelmässige Parallelrippen erzeugt,
welche sich nach der Lappenspitze zu schleifenartig verbinden. Von der oberen derselben verzweigen
sich kleinere Rippen, welche gleichfalls ziemlich unregelmässig sind, aber der Grösse der Lappen ent-
sprechende Massverhältnisse zeigen.
Das linke Blatt f Sonchus oleraceus) hat ein deltaförmiges Kopfstück und darunter nur ein Lappen-
paar, dessen nach unten gebogene Richtung den Blättern dieser Pflanze überhaupt eigentümlich ist;
nach den Spitzen dieser Lappen führen mehrfach geknickte Rippen mit ansetzenden Schleifenbildungen,
welche die Träger der den Rand zähnenden Rippchen bilden. In seinem Mittelteile schmal, formt das
Blatt seinen Ansatz herzförmig erweitert mit stark verlängerten Lappen, welche den Stengel umfassen.
Diese scheidenartigen Lappungen finden sich nur in der Blütenstandregion der Pflanze, um die in ihren
Achseln sich entwickelnden Sprossen der Verzweigung zu schützen (vergl. Abt. IV). Das rechte Blatt
(von der gleichen Pflanze) hat ähnliche Bildung, aber rundlicheres Kopfstück und schmälere Lappen,
sein Rand ist wie der des vorigen leicht gezähnt.
Die drei unteren Beispiele sind verschiedenen Latticharten entnommen. Der Lattich gehört
wie der Sonchus zu der Familie der Kompositen, welche ornamentaler Verwertung nicht bloss in ihren
Blättern, sondern namentlich auch in ihren Blütenformen ungewöhnlich reiches Formenmaterial liefern.
Alle drei Blätter sind fiederspaltig mit sehr gestrecktem Fussteil; nur ihre ausgesprochenen Lappen
haben direkte Rippen, während die kleineren Zackungen und Randzähnungen sich aus Rippchen glie-
dern, welche auf Bogenrippen stehen. Das mittlere und linke Blatt ist, wie die meisten Blätter der
unteren Stengelregion, gestielt, das rechte zeigt den Entwickelungsbeginn stengelumfassender Lappen
in einer der Übergangsformen, wie sie sich unterhalb des Blütenstandes bilden.
Jedes der vorliegenden Blätter enthält trotz auffallender Familienverwandtschaft ein individuelles
Gepräge, welches alle Einzelheiten desselben durchdringt.
Bot der charakteristische und mannigfaltige Umriss vorliegender Stengelblätter seit dem Mittel-
aller dem Flachornamente oft gewählte Vorbilder, so haben die Niederblattgruppierungen der Lattiche
und Disteln die Anordnung gewisser plastischer Kunstformen schon in der antiken Kunst beeinflusst.
Die Kopfbildungen des Salates, einer Kulturpflanze des Altertums, welche, wie viele andere auch, eine
symbolische Bedeutung hatte (z. B. als »Totenkraut« bei Trauermahlen), finden wir häufig zu knauf-
artigen Abschlüssen verwendet, wovon uns die Deckelknöpfe von Prunkvasen und Knäufe römischer
 
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