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Meurer, Moritz
Pflanzenformen: vorbildliche Beispiele zur Einführung in das ornamentale Studium der Pflanze; zum Gebrauche für Kunstgewerbe- und Bauschulen, Technische Hochschulen und höhere Unterrichtsanstalten sowie für Architekten und Kunsthandwerker — Dresden, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.43158#0351
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Abt. iv. Tafel 60. Stengelstücke mit Blattstielansätzen.
Welscher Nussbaum, Juglans regia. Ampfer, Rumex. Braunwurz, Scrofularia.
Die Blattstiele sind in ihrem Fussteile in den meisten Fällen so zusammenhängend mit dem
Stengel gebildet, dass sie losgelöst nicht verständlich dargestellt werden können. Sie mussten bei den
flachgezeichneten Laubblättern häufig auch des Raumes wegen weggelassen werden, daher seien in
dieser Tafel einige Beispiele ihrer Fussteile und ihres Ansatzes gegeben.
Die Form des letzteren ist hauptsächlich durch zwei Zwecke beeinflusst: durch die Notwendig-
keit der Festigung des Organs an sich und durch seine Bestimmung zum Schützer und Träger des sich
in seiner Achselhöhle entwickelnden Sprosses. Auf den Blattansatz wirkt die Schwere des ganzen
Blattes am meisten, er verdickt sich daher am Stamm zu grösserer Widerstandsfähigkeit als kräftiger
Träger und formt sich zu einer den Stamm mehr oder weniger umfassenden, im Querschnitte halb-
mond- oder sichelartigen Scheide. (Vergl. Tafel 45, 64 und 66.)
Der statische Zweck dieser konkaven Form wurde schon erklärt, dieselbe dient gleichzeitig aber
auch zum Bett, zur Umfassung des im Entstehen noch schutzbedürftigen Achselsprosses. Je schwerer
die Laubblätter sind um so kräftiger entwickelt sich Ansatz und Stiel.
An dem Beispiele (linke Seite der Tafel) des Walnussbaumes dem Kronenschaft einer
jungen Pflanze) sind die Seitensprossen schraubenförmig angeordnet: innerhalb zweier Um-
drehungen um den Stengel entwickeln sich fünf Verzweigungen (2/5 Schraube), die sechste würde wieder
über die erste zu stehen kommen. Die Verzweigungen bilden also fünf gerade Reihen. Die Stielansätze
zeigen konsolartig ausgewölbte Trägerform und darunter drei rippenartige Wölbungen des Schaftes, die
mittlere, unter der Achse der Scheide, ist die stärkste, die seitlichen, welche in die beiderseitigen Ansatz-
punkte der Scheide am Stengel verlaufen und sich in derselben als knotenartige Teilungen markieren,
sind schwächer. Die kraftvolle Erscheinung der Ansätze und der in sie verlaufenden Stammgliederun-
gen lassen den statischen Zweck dieser Organe plastisch deutlich erkennen. Die Achselsprossen ver-
jüngen sich nach oben und sind noch wenig entwickelt.
Das mittlere Beispiel der Tafel (Ampfer, Rumex} zeigt noch deutlicher den Zusammenhang
der Stengelrippen mit dem Scheidenteile des Blattstieles. Die seitlichen Lappenbildungen der Scheiden
dienen im jugendlichen Zustand des Sprosses dazu, die Tragkraft der Scheide durch Umfassung des
Stengels zu vermehren. Auf Tafel 61 sind am Schaft des Lattich diese Flügelbildungen der Blatt-
scheide in ihrer Wirkung zu sehen. Hier sind sie nicht mehr thätig, da der Stiel vollständig ausge-
wachsen ist. Die seitlichen Sprossen sind schon zu astartigen Verzweigungen ausgebildet.
Der Schaft der Scrofularia (rechts), dessen Schnitt entsprechend der gegenständigen
Stellung seiner Verzweigung sich vierseitig bildet, wird an seinen Kanten durch kräftig entwickelte Grate
begleitet, welche seine Steifigkeit durch ihre diagonale Gegenüberstellung wesentlich unterstützen.
Diese Grate gehen an den Knotenstellen, sich kurvenartig zusammenbiegend, in die Flanken der Blatt-
scheiden über und tragen dadurch zur Verfestigung derselben mit dem Stamme bei. Derartige, die
Kanten der Schäfte begleitende Gratbildungen, verteilen sich bei manchen Pflanzen auch in die Ver-
zweigung und zwar in derselben Weise wie die Rippen eines gotischen Pfeilers in die Gewölbebildung.
Entsprechend der Vereinigung von Stütze und Decke, wie sie sich im späteren Mittelalter in dem
 
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