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Meurer, Moritz
Pflanzenformen: vorbildliche Beispiele zur Einführung in das ornamentale Studium der Pflanze; zum Gebrauche für Kunstgewerbe- und Bauschulen, Technische Hochschulen und höhere Unterrichtsanstalten sowie für Architekten und Kunsthandwerker — Dresden, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.43158#0426
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Richtung sich bewegende Linienführungen des Ornamentes vor. Nach ihren natürlichen Erscheinungen
richtet sich z. B. das im gotischen Flachornament häufig wiederkehrende schräglaufende Rankenwerk der
Wandmuster, entwickeln sich die spiralen Reihungen im Gitterwerk der Treppenläufe aus der Zeit des
Rokoko. Die frei niederhängenden Ausläufer der Schlinggewächse gaben endlich auch die Vorbilder
für alles Rankenornament, welches allseitig sich bewegend, bald aufwärts, bald abwärts laufend als
Füllung neutraler Flächen sich der Idee eines Richtungsausdruckes völlig begiebt.
In der einseitig fortlaufenden Ranke veranlasst aber die Wechselstellung ihrer spiralen Ausläufer
eine so verschiedenartige Anfügung ihres Blatt- und Blumenschmuckes, dass dadurch schon die Rich-
tung ihres Laufes beständig unterbrochen wird. Ihre Erscheinung bietet daher schon an und für sich
ein Füllungsmotiv, in welchem der Ausdruck der Richtung untergeordnet ist.
Die Eigenschaft der Rankengewächse, sich bei mangelnder vertikaler Stütze auch flach auf dem
Boden weiter schlängeln, und der sich daraus ergebende Zwang, ihre Verzweigungen und Blätter nur
in einer Ebene entwickeln zu können, machen sie gleichzeitig zu recht eigentlichen Vorbildern für das
Flachmuster, dessen Wesen in der Anbequemung der Formeinheiten an eine Ebene beruht. Die Beob-
achtung liegender Ranken, wie sie z. B. die Gurke und Melone, die im Zick-Zack auf dem Boden
kriechenden Wickenarten zeigen, giebt dem Lernenden mannigfache Beispiele für die stilistische
Behandlung des Flachornamentes und für die Überführung vegetabiler Formen in die Bedingungen
desselben.
 
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