Francesco Sforza und die Florentiner Frührenaissance. 79
Hat derselbe aber auch an jenem kräftigeren Vorstofs der Florentiner Kunst un-
mittelbaren Antheil?
Aeufserlich ist das zunächst nicht unwahrscheinlich. Der von Francesco Sforza
am meisten bevorzugte Künstler war ein Florentiner: Antonio Filar et e. Allein diese
Auszeichnung erfolgte kaum seiner Kunst halber, vielmehr vor allem deswegen, weil Filarete
durch Piero de’ Medici empfohlen worden war. — Und dieses Freundschaftsverhältnifs
zwischen dem Mailänder und dem Florentiner Machthaber entschied auch bei der wenigstens
mittelbaren Hinzuziehung des zweiten, dem Filarete wesentlich überlegenen Florentiners,
Michelozzos, denn dabei galt es, ein Geschenk des Sforza an Cosimo zu schmücken:
den banco Mediceo in Mailand, in welchem der Florentiner Geschäftsträger der Medici,
Pigello Portinari wohnte, und dieser wiederum stiftete den zweiten Mailänder Bau, an
welchem Michelozzo höchst wahrscheinlich betheiligt ist, die Cappella di S. Pietro Marti re
bei S. Eustorgio. —■ Keinesfalls aber kann man Francesco Sforza selbst als einen fürst-
lichen Vorkämpfer der Renaissance rühmen. Künstlerische Fragen lagen ihm überhaupt
fern, sicherlich zu fern, um ihrethalben seine Beliebtheit in Mailand auch nur im geringsten
zu gefährden. Und dies wäre wenigstens einzelnen Kreisen der Stadt gegenüber doch wohl
nicht ganz ausgeblieben, wenn Francesco die „neue“ antikisirende Florentiner Kunstweise
durch seinen Machtspruch zum Sieg gebracht hätte. Das hätte damals nur mit Ueber-
gehung der einheimischen Künstlerkräfte geschehen können und im Gegensatz zu der vor
allem in der Dombauhütte begreiflichermafsen streng behüteten Ueberlieferung. Die Dom-
bauverwaltung sah es jedenfalls lieber, dafs der Fürst durch warme Empfehlung1) des
Giorgio degli Organi dessen Vater Filippo rehabilitirte, als dafs er ihr den Toscaner
Filarete zuwies. Auch Francescos Interesse für den letzteren hält sich in bestimmten
Schranken. Alle Beredsamkeit des Toscaners zu Gunsten der Florentiner „maniera antica“,
welche sein „Tractat“ so aufdringlich bekundet, alle seine thörichten Spottworte über die
„usanza moderna“, die lombardische Gothik, scheinen in diesem Sinne erfolglos geblieben
zu sein. -—
Wenn dennoch diese aus halb politischen Rücksichten erfolgte Berufung Filar et es
und Michelozzos zum Schmucke Mailands ohne eine Förderung seitens des Herzogs,
und im geheimen oder offenen Widerspruch zu den älteren lombardischen Meistern, genügte,
um nach der Lombardei von neuem einzelne Strömungen der toscanischen Renaissance zu
leiten, so ist dies ein weiteres Zeugnifs für deren ureigene Kraft.
Zu einem vollständigen Sieg aber führte dieselbe auch in dieser Epoche noch nicht
— nicht einmal in allen Werken dieser Toscaner selbst, geschweige denn in den von
ihnen beeinflufsten gleichzeitigen Schöpfungen der Lombarden. Vielmehr entsteht eine
Mischkunst, eine Compromifskunst, bei welcher die einzelnen Errungenschaften tos-
canischer Renaissance sich wiederum mit der malerischen Neigung oberitalicnischen Ge-
schmackes und den derselben entsprechenden Elementen gothischer Ueberlieferung ver-
binden: kunstgeschichtlich eine interessante Parallelerscheinung zu dem etwa gleichzeitigen
Stilbild Venedigs, nur freilich nicht ganz von gleichem Reiz und nicht von gleicher Aus-
dehnung. —
Ihr erstes charakteristisches Denkmal in Mailand ist das Ospcdale Maggiore.
i. Das Ospedale Maggiore.
Usus tristis, sed frons loci laetissima.
Sabellicus.
„Ein trauriger Zweck, aber eine heitere Aufscnseite“ — so charakterisirt Sabellicus
ein Lazareth Venedigs.2) Das gilt für zahlreiche Hospitäler und Asylstätten Italiens. Mit
gleicher Liebe, wie über Kirche und Palast, hat die schönheitsfrohe Renaissancekunst ihr
1) 7. Nov. 1450. Vergl. Boito, a. a. O. S. 203; Annali II. S. 140.
2) De situ Venetiae urbis vergl. Graevii Thesaur. Antiquit. Ital. V. 1. col. 92.
Hat derselbe aber auch an jenem kräftigeren Vorstofs der Florentiner Kunst un-
mittelbaren Antheil?
Aeufserlich ist das zunächst nicht unwahrscheinlich. Der von Francesco Sforza
am meisten bevorzugte Künstler war ein Florentiner: Antonio Filar et e. Allein diese
Auszeichnung erfolgte kaum seiner Kunst halber, vielmehr vor allem deswegen, weil Filarete
durch Piero de’ Medici empfohlen worden war. — Und dieses Freundschaftsverhältnifs
zwischen dem Mailänder und dem Florentiner Machthaber entschied auch bei der wenigstens
mittelbaren Hinzuziehung des zweiten, dem Filarete wesentlich überlegenen Florentiners,
Michelozzos, denn dabei galt es, ein Geschenk des Sforza an Cosimo zu schmücken:
den banco Mediceo in Mailand, in welchem der Florentiner Geschäftsträger der Medici,
Pigello Portinari wohnte, und dieser wiederum stiftete den zweiten Mailänder Bau, an
welchem Michelozzo höchst wahrscheinlich betheiligt ist, die Cappella di S. Pietro Marti re
bei S. Eustorgio. —■ Keinesfalls aber kann man Francesco Sforza selbst als einen fürst-
lichen Vorkämpfer der Renaissance rühmen. Künstlerische Fragen lagen ihm überhaupt
fern, sicherlich zu fern, um ihrethalben seine Beliebtheit in Mailand auch nur im geringsten
zu gefährden. Und dies wäre wenigstens einzelnen Kreisen der Stadt gegenüber doch wohl
nicht ganz ausgeblieben, wenn Francesco die „neue“ antikisirende Florentiner Kunstweise
durch seinen Machtspruch zum Sieg gebracht hätte. Das hätte damals nur mit Ueber-
gehung der einheimischen Künstlerkräfte geschehen können und im Gegensatz zu der vor
allem in der Dombauhütte begreiflichermafsen streng behüteten Ueberlieferung. Die Dom-
bauverwaltung sah es jedenfalls lieber, dafs der Fürst durch warme Empfehlung1) des
Giorgio degli Organi dessen Vater Filippo rehabilitirte, als dafs er ihr den Toscaner
Filarete zuwies. Auch Francescos Interesse für den letzteren hält sich in bestimmten
Schranken. Alle Beredsamkeit des Toscaners zu Gunsten der Florentiner „maniera antica“,
welche sein „Tractat“ so aufdringlich bekundet, alle seine thörichten Spottworte über die
„usanza moderna“, die lombardische Gothik, scheinen in diesem Sinne erfolglos geblieben
zu sein. -—
Wenn dennoch diese aus halb politischen Rücksichten erfolgte Berufung Filar et es
und Michelozzos zum Schmucke Mailands ohne eine Förderung seitens des Herzogs,
und im geheimen oder offenen Widerspruch zu den älteren lombardischen Meistern, genügte,
um nach der Lombardei von neuem einzelne Strömungen der toscanischen Renaissance zu
leiten, so ist dies ein weiteres Zeugnifs für deren ureigene Kraft.
Zu einem vollständigen Sieg aber führte dieselbe auch in dieser Epoche noch nicht
— nicht einmal in allen Werken dieser Toscaner selbst, geschweige denn in den von
ihnen beeinflufsten gleichzeitigen Schöpfungen der Lombarden. Vielmehr entsteht eine
Mischkunst, eine Compromifskunst, bei welcher die einzelnen Errungenschaften tos-
canischer Renaissance sich wiederum mit der malerischen Neigung oberitalicnischen Ge-
schmackes und den derselben entsprechenden Elementen gothischer Ueberlieferung ver-
binden: kunstgeschichtlich eine interessante Parallelerscheinung zu dem etwa gleichzeitigen
Stilbild Venedigs, nur freilich nicht ganz von gleichem Reiz und nicht von gleicher Aus-
dehnung. —
Ihr erstes charakteristisches Denkmal in Mailand ist das Ospcdale Maggiore.
i. Das Ospedale Maggiore.
Usus tristis, sed frons loci laetissima.
Sabellicus.
„Ein trauriger Zweck, aber eine heitere Aufscnseite“ — so charakterisirt Sabellicus
ein Lazareth Venedigs.2) Das gilt für zahlreiche Hospitäler und Asylstätten Italiens. Mit
gleicher Liebe, wie über Kirche und Palast, hat die schönheitsfrohe Renaissancekunst ihr
1) 7. Nov. 1450. Vergl. Boito, a. a. O. S. 203; Annali II. S. 140.
2) De situ Venetiae urbis vergl. Graevii Thesaur. Antiquit. Ital. V. 1. col. 92.