Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zweites Capitel.

Der Uebergangsstil.

„In Firenze, piu ehe altrove, venivano
gli uomini perfetti in tutte l’arti.“
Vasari.


lorenz wird für alle Zeiten der strahlende Mittelpunkt der Frührenaissance
bleiben. Seit jenen berühmten Worten, die Vasari1) dem ersten Lehrer Peru-
ginos in den Mund legt, bis zu den sorgsamsten kunstgeschichtlichen Einzel-
untersuchungen unserer Tage mufste dies Bekenntnifs immer und immer wieder
erneut werden. Ja je mehr sich die Forschung der Provinzial- und Localkunst und deren

Meistern zuwendet, um so mehr scheint die Florentiner Frührenaissance an Bedeutung zu
gewinnen. Bald offen zu Tage liegend, bald im Wirbel der einander begegnenden Strö-
mungen verborgen, ist sie thatsächlich fast stets der Urquell aller jener Wellenkreise,
welche das künstlerische Leben in ganz Italien zieht.

Das gilt auch auf unserm Stoffgebiet.
Von einer nationalen Geschmacksrichtung geschaffen, von einer stetigen Künstler-
tradition getragen, hatte sich der lombardische Stil seit dem Ende des Trecento eigenartig
entwickelt, die gelegentlichen transalpinen Einflüsse schnell verarbeitend. Schon in den
ersten drei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts aber gewann die Einwirkung Toscanas eine
bcachtenswerthe Kraft: bereits ein Hinweis darauf, dafs sie, wie in Venetien, so auch in

der Lombardei berufen sei, die zukunftsvollen, im oberitalienischen Boden entstandenen

Keime nationaler Kunstweisen zur Blüthe und Reife zu bringen.
Die Zeit, in der diese schon zuvor begonnene Mission kunsthistorisch in eine
klare Beleuchtung tritt, ist auch politisch von der Vergangenheit geschieden. Es ist die
Epoche Francesco Sforzas. Er war eine Soldatennatur. An der Wiege des unehelichen
Condottierensohnes hatten die Musen nicht gestanden, und die Laufbahn, welche ihn zur
Fürstenwürde führte, war nicht geeignet, sie ihm zu nähern. Aber der zielbewufste Ehr-
geiz, das klare, kraftvolle Erfassen der Verhältnisse, die, mit ungewöhnlichem Glück gepaart,
ihn zum Erben eines legitim gewordenen Herrschergeschlechtes erhoben hatten, mufsten
sich, nachdem das Ziel erreicht war, in dem Bestreben äufsern, es auch als Mäcen den
geborenen Fürsten gleich zu thun. Seine ganze Persönlichkeit kam ihm dabei wenigstens
äufserlich zu statten. Dafür bürgt deren bekannte Charakteristik durch den päpstlichen
Menschenkenner Pius II.2) besser, als alle „Sforziaden“ seiner Höflinge. Ein individuelles
Vcrhältnifs zur Kunst aber hatte Francesco Sforza nicht, ja auch kaum einen auf Pracht-
entfaltung gerichteten Sinn. Eher könnte das noch von seiner Gattin Bianca Maria
behauptet werden. Jedenfalls brachte schon das Ehebündnifs beider (1441),3) und vollends
dann die neue Fürstenwürde die stagnirende Kunstthätigkeit in der Lombardei auf allen
Gebieten in Flufs. Man spürte wieder den fördernden Willen eines energischen Ober-
hauptes !

1) Ed. Milanesi. III. S. 567 f.
2) Vergl. J. Burckhardt, Die Cultur der Renaissance in Italien. IV. Aufl. Leipzig. 1885. S. 40.
3) Vergl. Calvi, a. a. O. II. S. 86 f.
 
Annotationen