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Palastportal in Castiglione d’ Olona.

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Mittelalter und Frührenaissance von einander scheiden. Hierzu stimmt auch das zeitliche
Verhältnifs, denn das Portal, der einzige Rest des Hauses, welches Francesco Sforza dem
um ihn so verdienten Gaspare Vimercati geschenkt hatte, mufs zwischen 1457 und 1468,
dem Todesjahre Gaspares, entstanden sein.1) Auch chronologisch rückt es füglich in die
Nähe des Ospedale Maggiore. Aber die dortige Fensterdecoration bezeugt trotz der Ver-
wandtschaft des Motives ein reiferes Können. Selbst das Blattwerk zeigt klarere, ruhigere
Linien, und die Putten in ihm sind weicher und rundlicher, mit gröfserem Verständnifs
für die Naturformen modcllirt. Vielleicht darf man auch darin die Uebcrlegenhcit tos-
canischer Schulung erkennen, und in dem Vimercati-Portal eher eine von dieser beein-
flufste Schöpfung der Mailänder Localkunst sehen.2 3) Das ihm am nächsten verwandte Werk
steht inmitten der „Enclave“ florentinischcr Kunst in Castiglione d’ Olona: der steinerne
Thorbogen (Abb. 47) an jenem Palast mit dem Castiglione-Wappen, dessen Terracotta-
Fenster mit ihren Putten denen des Mailänder Hospitales entsprechen. Die Gesamterscheinung
dieses Thors in Castiglione ähnelt derjenigen des Vimercati-Portales, nur ist sie noch
wuchtiger und reicher an plastischem Schmuck, denn die römischen Kaiserköpfe, Trajan
und Vcspasian — sie sind in kräftigerem Relief gehalten und mit eigenen Rahmen ver-
sehen — sind hier verdoppelt, von Sinnbildern und Devisen der Castiglione begleitet, und
am Bogenkämpfer gesellen sich ihnen die Statuen zweier kriegerischen Wächter. Auch die
Ausführung erscheint trotz ihres etwas derben rein decorativcn Charakters sicherer als an
dem Mailänder Portal, und entspricht, gleich den Terracotta-Putten der Fenster, mehr den
Hospitalsculpturen Filaretes.8) So bildet ein Denkmal Castiglione d’ Olonas das Binde-
glied auch zu der zweiten durch Filarete gekennzeichneten Epoche der Florentiner
Kunstweise in der lombardischen Hauptstadt!

II. Die Mediceer-Bank.
„Wir sahen auch zu Meilant ein köstlich haus., heften des Kosman de Medici kauflcut innen.“
Ritter- Hof- und Pilger-Reise des Ritters Leo von Rozniital durch das
Abendland (1465—1467), beschrieben von Gabriel Tetzcl von Nürnberg.
Unter den Toscanern, welche der Renaissance in der Lombardei den Weg gebahnt
haben, pflegt man an erster Stelle Michelozzo zu nennen, literarisch ist dies jedoch nur
durch eine zweifelhafte Angabe Vasaris4) gerechtfertigt, welcher sich dabei auf Filarete
beruft, indem er denselben im XXV. Buche seiner „Tractates“ Folgendes erzählen läfst:
„Francesco Sforza, Mailands vierter Herzog, machte dem erlauchten Cosimo de’ Medici
einen prächtigen Mailänder Palast zum Geschenk, und Cosimo liefs denselben zum Zeichen,
wie werth ihm diese Gabe sei, nach Angabe („con ordine“) Michelozzos mit Marmor- und
Holzdecorationen ausstatten und zugleich vergröfsern, sodafs die ursprüngliche Fagaden-
längc von 84 braccien auf vermehrt wurde. Auch zahlreiche Malereien wurden auf
sein Gcheifs dort ausgeführt, so besonders in einer Loggia Scencn aus dem Leben Kaiser
Trajans und dabei, zwischen Ornamenten, die Bildnisse Francesco Sforzas, seiner Gattin
1) Vergl. Beltrami, II Castello di Milano. Mil. 1885. S. 86. Anm. 3 und La Perseveranza.
29. Juni 1885.
2) Aehnliche Sculpturen finden sich auch am Dom. Man beachte besonders die beiden von
Blattwerk umschlossenen Putten an den Fronten des dritten und sechsten nördlichen Langhauspfeilers
(vom Querschiff aus gezählt). Es sei ferner auf den reichen spätgothischen Grabstein des Gabriele
da Cotignola (f 1457) in der Kirche der Incoronata in Mailand hingewiesen. Vergl. Mongeri.
a. a. O. S. 196.
3) Einem Typus des dortigen Blattwerks innig verwandt sind auch die Terracottablätter im
Fensterrahmen des Branda-Palastes in Castiglione, die bei Santambrogio a. a. O. laf. 7, 8 und 10 ab-
gebildet sind.
4) ed. Milanesi II. S. 447.

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