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Das nationale und das internationale Element im Baubetrieb.

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liehen Einflufs des Fürsten hierbei gänzlich leugnen will, können schon die Beziehungen
der grofsen Mailänder Handelshäuser diese Einwirkung des Auslandes erklären, wie sie
andererseits auch für die so ausgebreitete Thätigkeit lombardischer Bauleute .in der Fremde
von Bedeutung wurden. Die Steinmetzen aus dem oberitalienischen Seengebiet, die Comas-
ken, sind kunsthistorisch fast international zu nennen. Diese Leute vom Lago di Lugano,
von Campione besonders, zogen nach Frankreich und Spanien, nach Deutschland, nach
den Niederlanden, nach England, ja bis nach Rufsland, um — oft wohl unter Vermitte-
lung lombardischer Handelshäuser — bei den dortigen Kirchenbauten Beschäftigung zu
suchen und zu finden, und kehrten sie in die Heimath zurück, so wanderten mit ihnen
auch die fremden Baugedanken und Decorationsmotive dorthin. Diese Internationalität der
Comasken kann dann ferner aber auch den späteren Antheil der ausländischen Meister
erläutern, sowohl wenn diese einzeln als mafsgebende Berather nach Mailand gerufen wer-
den, wie vollends, wenn sie zu Schaaren in untergeordneter Thätigkeit neben den italieni-
schen Maurern und Steinmetzen arbeiten. In der Flütte des Mailänder Domes mag zwischen
Comasken und nordischen Bauleuten manches Band, das lange zuvor in der Fremde ge-
knüpft worden war, nur eben erneut worden sein! -—■ Trotz dieser wechselseitigen Ver-
mittelung konnten die nationalen Gegensätze jedoch auf künstlerischem Gebiet nicht über-
brückt werden. Thatsächlich standen die Campionesen dem ganzen Projcct schon bald
nach Beginn des Baues zweifelnd und unsicher gegenüber, denn ungewohnt und fremd
schienen ihnen die Aufgaben, die es bot, wie es der herzogliche Kämmerer Francesco
Barbaro gelegentlich offen ausspricht: „forte non sunt tarn experti in his tantis et tarn
magnis haedifitiis, quorum similia nusquam vidimus, nos et ipsi, quantum conveniret. “ —
Wenn man aber infolgedessen fremde Bauleute, besonders Deutsche und Franzosen, berief,
wurde dieser innere Gegensatz nur um so fühlbarer, und bei demselben mufste natur-
gemäfs zuletzt doch immer die heimische Art siegen. Fast belustigend ist die Lectüre
jener Sitzungsprotocolle, laut deren die Baucommission den Ansichten der fremden Fach-
männer ein ständiges: „quod non!“ entgegenruft, die grobe Art vollends, in der sie diese
ausländischen Rathgeber zuletzt fast stets als unnütze Gesellen mit Tadel und womöglich
noch mit der Klage auf Schadenersatz in ihre Heimath zurücktreibt. Freilich darf man
aus diesen Urtheilen nur mit grofser Vorsicht kunstgeschichtliche Schlüsse ziehen, denn
die Mehrzahl, welche sie fällte, war aus gar vielen und vielerlei Elementen zusammengesetzt,
und in dieser „veneranda fabbrica del duomo“ gewannen zeitweilig auch Laien — selbst
„Handschuhmacher“, wie Guidolo della Croce 1401 spottend sagte — eine mafsgebende
Stimme. Im ganzen aber lehrt denn doch schon das Studium der Bauacten an sich, dafs
in dieser Mailänder Hütte allmählich ein sehr selbständiges, gegen alles Fremde scharf
oppositionelles Element die Oberhand gewann: eine wohl erst langsam an dem Werke
selbst erstarkte Macht, welche sich den ausländischen Kräften zunächst zur Seite stellt, um
sie zuletzt überall zu durchdringen und zu beherrschen. -—
Und was sagt darüber der Bau selbst aus?

I. Späthgothik des 14. Jahrhunderts
1. Die Raumgestaltung und die bauliche Decoration.
Kein rein italienisches Werk ist der Mailänder Dom, aber noch weniger ein nordisch-
gothisches, am wenigsten in seiner Raumgestaltung. Nach Mafsgabe der schulgemäfsen
Lösungen nordischer Gothik war dieselbe bereits „verpfuscht“, als man 1391, kaum
fünf Jahre nach Beginn des Baues, den Deutschen Heinrich Arier von Schwäbisch-Gmünd
nach Mailand „ad providendum circa negotia fabricae“ berief. Vor seiner Phantasie mochte
derjenige Bau stehen, welcher die vollste Verkörperung der nordischen bezw. gothischen
Idee nicht nur in Deutschland bedeutet: des Domes von Köln, und zweifellos lehrt das-
 
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