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Rückblick.

Für das historisch mafsgebende Stilbild der lombardischen Frührenaissance be-
zeichnen die in diesem ersten Bande erörterten Denkmäler lediglich die Vorstufen. Sie
führen nur bis an die Grenze, jenseits welcher die reine Renaissance auf dem lombardischen
Boden erst ihre schönsten Blüthen entfaltet.
Das geschah dort, zumal auf dem Gebiete der Decoration, weit später als in
Mittelitalien, ja seltsamerweise sogar etwas später als in Venedig. In Florenz ist der Sieg
der Renaissance-Decoration durch Brunelleschi schon um 1430 endgültig entschieden;
Venedig erhält sein erstes reines Renaissancewerk, das Thor des Arsenales, um 1460.
Ungefähr gleichzeitig entstand in Mailand das Portal des Mediceer-Palastes, aber nach dem
Entwurf eines Toscaners, und die zugehörige Front zeigte noch manche gothische Elemente.
Die Hauptwerke der specifisch lombardischen Frührenaissance beginnen erst um 1470.
So langsam fand die Renaissance-Decoration in der Lombardei Eingang.
Hierdurch ist bereits eine wesentliche Eigenart des lombardischen Uebergangsstiles
charakterisirt. Seine Beziehung zur Antike wird im Grunde überhaupt erst durch die
Toscancr, durch Filarcte und Michclozzo, vermittelt, und zwar unter offenem Widerspruch
der einheimischen Meister. Auch der gröfste obcritalienische Vorkämpfer des Classicismus,
Andrea Mantcgna, hat auf die von uns geprüften Denkmäler noch keinen entscheidenden
Einflufs ausgeübt. Es fehlte in der Lombardei eben die ununterbrochene, intimere Be-
rührung mit der antiken Kunst, welche in Toscana schon so früh zu einer „Protorenaissance“
geführt und Schöpfungen wie das Florentiner Baptisterium und die Front von S. Miniato
al Monte gezeitigt hatte. Damit entbehrte die lombardische Quattrocento - Decoration
aber auch allgemeingültig die mäfsigende, verfeinernde Zucht, und das zeigt sich auch
in ihrer Verwendung der gothischen Motive. Wie unbedingt die letzteren in der
Lombardei bis etwa zum Jahre 1460 noch vorherrschen, ist an den einzelnen Denk-
mälern erörtert worden. Den äufseren Grund dafür bietet die Thatsache, dafs in der
Lombardei doch dauernd der Mailänder Dom die decorativen Künste centralisirte; den
inneren aber, dafs die spätgothische Decoration dem dort stets mafsgebenden malerischen
Geschmack so genehm war.
Und dieser formte sie selbständig um und wirkte dann auch auf die Einflüsse
mittclitalienischer Renaissance bestimmend zurück.
Die so entstandene Eigenart selbst liefs sich am besten an den bekannten Er-
scheinungsformen des venezianischen und des toscanischen Uebergangsstiles prüfen.
Zahlreiche Berührungspunkte hat sie mit diesen, und es war eine Hauptaufgabe unseres
Studiums, dieselben aufzudecken. Daneben aber dürfen zum Schlufs auch die unter-
scheidenden Eigenheiten nicht vergessen bleiben. Diese beruhen nicht nur auf dem Ver-
hältnifs zur Antike, sondern sie äufsern sich auch in demjenigen zu der gothischen Uebcr-
lieferung. Spielt diese doch während der Uebergangsepoche in ganz Italien eine wesent-
lichere Rolle, als man gemeinhin annimmt,1) zumal in der Decoration. Die italienische
1) Vergl. hierzu neuerdings die Bemerkungen Schmarsows in der Abhandlung: „Barock und
Rococo“. Leipzig 1897, besonders Abschnitt I. S. 37 ff.
Meyer, Oberitalienische Frührenaissance.
 
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