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Meyer, Johann Heinrich
Die bühnenschriftstellerische Tätigkeit des Freiherrn Wolfgang Heribert v. Dalberg — Heidelberg: Buch- und Kunstdruckerei von Carl Pfeffer, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.56547#0069
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IV.

Zeitgeschmack.

1. Rührseligkeit im Schauspiel und in der
Tragödie.

Es wurde schon bemerkt, dass Dalberg dem Zeitgeschmack
seinen Tribut geradesogut zahlen musste, wie andere berühmte
Theaterintendanten seiner Zeit.
Ein charakteristisches Merkmal der Zeit, in der er schrieb,
sind die Empfindsamkeit und Rührseligkeit, die im „Werther“
ihren klassischen Ausdruck fanden, im „Siegwart“ ihren Höhe-
punkt erreichten, aber noch lange nachklangen und durch
Ifflands und Kotzebues Stücke neue Nahrung erhielten.’)
Einen Einblick in den Geschmack und das Kunstempfinden
der damaligen Mannheimer gewährt Wieland in seiner ^Ge-
schichte der Abderiten“ (I, 8). In dem Gespräch des Philosophen
Demokrit mit den Bewohnern von Abdera, äussern die wackern
Abderiten: „Wir sind zufrieden, wenn uns ein Dichter rührt.
Der Mann, der uns lachen oder weinen macht, ist in unsern
Augen ein göttlicher Mann, mag er es doch anfangen, wie er
selbst will.“ Diesem Geschmack kam Dalberg entgegen und bei
der Durchsicht seiner Stücke und Bearbeitungen finden sich oft
genug Motive, die auf Erweckung von Rührung abzielen. Nach
der Theorie sollen die Theaterstücke auf die Zuhörer sittlich
erhebend einwirken. Es ist anzunehmen, dass Dalbergs dra-
matische Werke Iffland und Kotzebue beeinflusst haben. Iffland
besonders konnte den Erfolg dieser Art Stücke in Mannheim

Ü Vgl. Appell, Werther und seine Zeit. Oldenburg 1896.
 
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