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Kapitel II
ren sollte, falls er nicht zu Umkehr und Buße bereit sei, zeigte sich Philipp II.
demonstrativ als getreuer Sohn der Kirche, indem er seine verstoßene Ge-
mahlin Ingeborg von Dänemark wieder zu sich nahrn^ und damit in vollem
Umfang sein Versprechen erfüllte, um dessentwillen das über sein Reich ver-
hängte Interdikt mehr als zwölf Jahre zuvor aufgehoben worden war.
In dieser Situation entschloß sich Johann Ohneland zu einem Schritt, der
sein insulares Königtum gegen jeden Angriff von außen absicherte: 1194 war
Richard Löwenherz als König von England Vasall Kaiser Heinrichs VI. ge-
worden, um der Gefahr der Absetzung zugunsten eines mit dem französi-
schen König verbündeten Verwandten zu entgehen, der behauptete, der
nächste Erbe zu sein; ebenso trug nun Johann in ganz ähnlicher Lage sein Kö-
nigreich dem Papst zu Lehen auf. Nach Vermittlung durch die Templer, in
deren Schutz er sich begeben hatte, traf er sich am 13. Mai 1213 in Dover mit
dem päpstlichen Legaten Pandulf, der ihm aufzeigte, daß Philipp II. im Be-
griff sei, ihn »als einen von Gott und dem Papst Abgefallenen« zu verjagen
und mit der schriftlich zugesicherten Unterstützung fast aller englischer Ba-
rone England für immer in Besitz zu nehmen; zugleich aber stellte er Johann
in Aussicht, er könne bei demütiger Unterwerfung das ihm bereits abgespro-
chene Reich »durch die Gnade des apostolischen Stuhles« wiedererlangen.
Johann unterwarf sich daraufhin wegen der Streitigkeiten, die zu seiner Ex-
kommunikation geführt hatten, dem Urteil des Papstes und versprach allen
von ihm verfolgten Geistlichen und Laien Gnade und Genugtuung. Zwei Ta-
ge später erhielt er aus der Hand Pandulfs England und Irland als päpstliches
Lehen*".
229 Guilelmus Brito, Gesta Philippi Augusti (SHFP 92.1; ed. Delaborde): »Im Jahr 1213, als die
Überfahrt nach England bereits vorbereitet war, nahm König Philipp großmütig Königin In-
geborg, seine Gemahlin, die Tochter des Königs der Dänen, mit der er schon seit mehr als
sechzehn Jahren in Zwietracht gelebt hatte, in Gnade wieder auf, und es entstand eine große
Freude im Volk. Denn an diesem König wurde nichts Schuldwürdiges gefunden, außer dem
einen, daß er seiner genannten Gemahlin die Pflicht seines Fleisches vorenthielt, obwohl er
ihr alles andere Notwendige ehrenvoll zukommen ließ« (166. Anno z'Dzpze zhcarnafzonc do-
zuzuz MCCX1II, napzgz'o ad etzrzdtzm in ArzyNazzz iam parafo, PMippas rex wiagnaHZTHMS recepzY zu
gratz'am Isazrz&urgz'm regz'rzazzi, zzxorezu szzaz?!,^l!'az?z reyz's Danorzzz?!, a tyrzo z'arn per anuos sexdecz'wz et
ampizzzs dz'sseuseraf, ef^äcfa esf iefz'fz'a znagua zrz popzdo; zyaz'a zu z'pso rege rzzlzzl aiz'zzd czdpa dz'guMzw
zuneuzebafrzr, uz'sz /zoc sohzuz, zpzod dz'cfe zzxorz szze carnz's detzz'fzzzrz saHratzeref, iz'cef ez omuz'a uecessa-
rz'a aiza Izouorz/z'ce zuz'uz'sfraref). Ingeborg dagegen betrachtete ihre lange Gefangenschaft auf der
abgelegenen Burg Etampes als Martyrium: Bereits im Herbst 1201 hatte sie an den Papst ap-
pelliert, da Philipp sein Versprechen gebrochen habe, sie als Gemahlin wieder anzunehmen;
eindringlich schildete sie 1203 in einem Brief an Innozenz III. ihre unzureichende Versor-
gung und behauptete, es gehe ihr auf der königlichen Burg schlechter als früher im Kloster.
Das Verfahren um die Annullierung der Ehe Philipps mit Ingeborg hatte sich ohne Ent-
scheidung bis 1213 hingezogen, so daß Philipp bei ungünstiger Entwicklung der Lage stets
mit der Gefahr einer erneuten Verhängung von Exkommunikation und Interdikt rechnen
mußte; vgl. CARTELLIERI (1899-1922), Bd. 4, S. 62 f., 69,161 f., 205,228, 277-281,352-355.
230 Rotuli Chartarum (ed. Hardy), S. 195; vgl. CARTELLIERI (1899-1922), Bd. 4, S. 360 f. In ähnli-
cher Weise hatte Peter II. von Aragon 1204 sein Reich vom Papst zu Lehen genommen; vgl.
Johannes FRIED, Der päpstliche Schutz für Laienfürsten. Die politische Geschichte des päpst-
lichen Schutzprivilegs für Laien (11.-13. Jh.) (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 1980.1), Heidelberg 1980.
Kapitel II
ren sollte, falls er nicht zu Umkehr und Buße bereit sei, zeigte sich Philipp II.
demonstrativ als getreuer Sohn der Kirche, indem er seine verstoßene Ge-
mahlin Ingeborg von Dänemark wieder zu sich nahrn^ und damit in vollem
Umfang sein Versprechen erfüllte, um dessentwillen das über sein Reich ver-
hängte Interdikt mehr als zwölf Jahre zuvor aufgehoben worden war.
In dieser Situation entschloß sich Johann Ohneland zu einem Schritt, der
sein insulares Königtum gegen jeden Angriff von außen absicherte: 1194 war
Richard Löwenherz als König von England Vasall Kaiser Heinrichs VI. ge-
worden, um der Gefahr der Absetzung zugunsten eines mit dem französi-
schen König verbündeten Verwandten zu entgehen, der behauptete, der
nächste Erbe zu sein; ebenso trug nun Johann in ganz ähnlicher Lage sein Kö-
nigreich dem Papst zu Lehen auf. Nach Vermittlung durch die Templer, in
deren Schutz er sich begeben hatte, traf er sich am 13. Mai 1213 in Dover mit
dem päpstlichen Legaten Pandulf, der ihm aufzeigte, daß Philipp II. im Be-
griff sei, ihn »als einen von Gott und dem Papst Abgefallenen« zu verjagen
und mit der schriftlich zugesicherten Unterstützung fast aller englischer Ba-
rone England für immer in Besitz zu nehmen; zugleich aber stellte er Johann
in Aussicht, er könne bei demütiger Unterwerfung das ihm bereits abgespro-
chene Reich »durch die Gnade des apostolischen Stuhles« wiedererlangen.
Johann unterwarf sich daraufhin wegen der Streitigkeiten, die zu seiner Ex-
kommunikation geführt hatten, dem Urteil des Papstes und versprach allen
von ihm verfolgten Geistlichen und Laien Gnade und Genugtuung. Zwei Ta-
ge später erhielt er aus der Hand Pandulfs England und Irland als päpstliches
Lehen*".
229 Guilelmus Brito, Gesta Philippi Augusti (SHFP 92.1; ed. Delaborde): »Im Jahr 1213, als die
Überfahrt nach England bereits vorbereitet war, nahm König Philipp großmütig Königin In-
geborg, seine Gemahlin, die Tochter des Königs der Dänen, mit der er schon seit mehr als
sechzehn Jahren in Zwietracht gelebt hatte, in Gnade wieder auf, und es entstand eine große
Freude im Volk. Denn an diesem König wurde nichts Schuldwürdiges gefunden, außer dem
einen, daß er seiner genannten Gemahlin die Pflicht seines Fleisches vorenthielt, obwohl er
ihr alles andere Notwendige ehrenvoll zukommen ließ« (166. Anno z'Dzpze zhcarnafzonc do-
zuzuz MCCX1II, napzgz'o ad etzrzdtzm in ArzyNazzz iam parafo, PMippas rex wiagnaHZTHMS recepzY zu
gratz'am Isazrz&urgz'm regz'rzazzi, zzxorezu szzaz?!,^l!'az?z reyz's Danorzzz?!, a tyrzo z'arn per anuos sexdecz'wz et
ampizzzs dz'sseuseraf, ef^äcfa esf iefz'fz'a znagua zrz popzdo; zyaz'a zu z'pso rege rzzlzzl aiz'zzd czdpa dz'guMzw
zuneuzebafrzr, uz'sz /zoc sohzuz, zpzod dz'cfe zzxorz szze carnz's detzz'fzzzrz saHratzeref, iz'cef ez omuz'a uecessa-
rz'a aiza Izouorz/z'ce zuz'uz'sfraref). Ingeborg dagegen betrachtete ihre lange Gefangenschaft auf der
abgelegenen Burg Etampes als Martyrium: Bereits im Herbst 1201 hatte sie an den Papst ap-
pelliert, da Philipp sein Versprechen gebrochen habe, sie als Gemahlin wieder anzunehmen;
eindringlich schildete sie 1203 in einem Brief an Innozenz III. ihre unzureichende Versor-
gung und behauptete, es gehe ihr auf der königlichen Burg schlechter als früher im Kloster.
Das Verfahren um die Annullierung der Ehe Philipps mit Ingeborg hatte sich ohne Ent-
scheidung bis 1213 hingezogen, so daß Philipp bei ungünstiger Entwicklung der Lage stets
mit der Gefahr einer erneuten Verhängung von Exkommunikation und Interdikt rechnen
mußte; vgl. CARTELLIERI (1899-1922), Bd. 4, S. 62 f., 69,161 f., 205,228, 277-281,352-355.
230 Rotuli Chartarum (ed. Hardy), S. 195; vgl. CARTELLIERI (1899-1922), Bd. 4, S. 360 f. In ähnli-
cher Weise hatte Peter II. von Aragon 1204 sein Reich vom Papst zu Lehen genommen; vgl.
Johannes FRIED, Der päpstliche Schutz für Laienfürsten. Die politische Geschichte des päpst-
lichen Schutzprivilegs für Laien (11.-13. Jh.) (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 1980.1), Heidelberg 1980.