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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0139

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England und Frankreich nach 1066

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Indem er diese Lehensauftragung annahm, hatte Innozenz III. durch sei-
nen Legaten Johann als den legitimen König von England anerkannt. Statt,
wie geplant, mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes nun gegen den Wi-
derstand Innozenz' III. England zu erobern, wagte Philipp II. nicht. Selbst die
Niederlage des englisch-flandrisch-welfischen Bündnisses in der Schlacht bei
Bouvines im folgenden Jahr (27. Juli 1214) überstand Johann Ohneland ohne
äußere Bedrohung seines englischen Königtums und ohne weitere Gebiets-
verluste auf dem Festland'". Erst der Umgang Johanns mit der baronialen
Opposition, die sich gegen ihn formierte, bot Philipp II. schließlich eine Gele-
genheit, erneut seinen Sohn Ludwig als englischen König gegen Johann in
Stellung zu bringen.
Um den Aufstand der Barone zu beenden, war Johann im Juni 1215 auf ih-
re Forderungen eingegangen und hatte die Magna Charta erlassen, die in der
Folge (wenngleich in modifizierter Form) zum wichtigsten Referenztext des
englischen Parlamentarismus werden sollte. Bereits am Tag nach der Gewäh-
rung der Magna Charta jedoch wandte sich Johann an den Papst und ver-
langte von ihm die Annullierung der Beschränkungen, die sie seiner königli-
chen Handlungsfreiheit auferlegte, und der Mitspracherechte, die sie den Ba-
ronen zusicherte.
Durch seine enge Bindung an den Papst war Johann in mehrfacher Weise
gegen die Gefahr einer Absetzung gesichert. Als Vasall des Papstes stand er
unter seinem Schutz, die Aufhebung der Magna Charta erfolgte mit seiner
ausdrücklichen Zustimmung, zudem hatte Johann am 4. März 1215 das Kreuz
genommen. Ludwig (VIII.) dagegen brauchte einen Erfolg: 1213 hatte er An-
spruch auf die englische Krone erhoben, dann jedoch darauf verzichten müs-
sen, diesen auch durchzusetzen. Ludwigs Zug gegen die Albigenser im Mai
1215 war ohne greifbares Ergebnis geblieben; während seines kurzen Aufent-
haltes in Toulouse hatte Ludwig ganz im Schatten Simons de Montfort ge-
standen.
Trotz der vorhersehbaren Schwierigkeiten fuhr Ludwig (VIII.) daher fort,
die Eroberung seines englischen Königreiches vorzubereiten, indem er die ba-
roniale Opposition in England unterstützte und sich ihrer Zustimmung versi-
cherte, zugleich aber die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen suchte, die
sein Vorgehen umfassend legitimieren konnten. Eine Handhabe zur Aufhe-

231 Um Philipp II. entscheidend treffen zu können, vereinbarte Johann Ohneland mit Kaiser
Otto IV., Graf Ferdinand von Flandern, Rainald von Dammartin, Graf von Boulogne, Hugo
von Lusignan und anderen einen gemeinsamen Angriff, der die französische Seite zur Tei-
lung ihrer Kräfte zwingen sollte. Im Februar 1214 setzte Johann Ohneland über. Im nördli-
chen Poitou und im Anjou hatte er zunächst beachtlichen Erfolg und konnte am 17. Juni
1214 sogar Angers in Besitz nehmen, mußte jedoch von den poitevinischen Baronen verlas-
sen überstürzt fliehen, als Ludwig (VIII.) Anfang Juli mit einem Entsatzheer der belagerten
Burg La Roche-au-Moine zur Hilfe kam. Am 27. Juli unterlagen dann in Bouvines Otto IV.
und die auf seiner Seite kämpfenden flandrischen und englischen Kontingente in offener
Feldschlacht; ßRADBURY 1998, S. 279-315; TURNER 1994, S. 131-135 und 165-173; HOLZAPPEL
1991; Georges DUBY, Le dimanche de Bouvines, 27 juillet 1214 (Trente journees qui ont fait la
France 5), Paris 1973; WARREN 1961, S. 202-224.
 
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