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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0040

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36

Kapitel I

die außenpolitischen Handlungen Wilhelms I., Wilhelms II. und Heinrichs I.
zu rekonstruieren, um aus den so gewonnenen Fakten auf die Ziele und
Strategien ihrer Außenpolitik zu schließen^. Notwendig bleiben diese Schlüs-
se allerdings mehr oder weniger wahrscheinliche Vermutungen, da die
Quellen kaum je explizite Aussagen über langfristige Planungen als hand-
lungsleitende Zielvorstellungen der Beteiligten und Ursache ihrer Konflikte
machen.
Unklar ist zudem, ob die geographischen Vorstellungen der Beteiligten ei-
ne hinreichende Grundlage für die ihnen oft unterstellten strategischen Pla-
nungen boten. Diese erscheinen zwar beim Blick auf eine moderne Karte of-
fensichtlich, nicht unbedingt aber aus der Perspektive eines mittelalterlichen
Königs, der sein Reich auf seinen Reisen nur linear als Summe von Wegever-
bindungen und durch seine Verwaltung als Summe von Einkünften kennen-
lernte, es in seiner Flächenausdehnung und der Lage der einzelnen Teilge-
biete zueinander dagegen kaum erfassen konnte .
Zu achten ist daher auf Quellenaussagen, die den Beteiligten explizit au-
ßenpolitische Planung zuschreiben, auf Ansätze einer deutlicheren Abgren-
zung der beiden Reiche gegeneinander und auf die Art, in der umstrittene
Territorien beschrieben werden.

3. Fragenkomplex 3:
Nationale Abgrenzung oder »Anglo-French Civilisation«?

Daß das »nationale Prinzip« ein strukturierendes (und im Laufe der Zeit an
Gewicht gewinnendes) Element in den englisch-französischen Beziehungen
des 12. und 13. Jahrhunderts war, wurde in der älteren Forschung zumeist als
selbstverständlich vorausgesetzt. Demgegenüber haben (einen 1921 von
Thomas Frederick Tout geprägten Begriff aufgreifend) John Le Patourel und
in den letzten Jahren vor allem Malcolm Vale betont, daß die gemeinsame
»Anglo-French civilisation« die Oberschicht beider Reiche zu einer Einheit
verband ". Wie weit diese kulturelle Gemeinsamkeit reichte, ist allerdings im

58 BERG 1987.
59 Robert FAWTIER, Comment le roi de France, au debut du XTVe siede, pouvait-ii se represen-
ter son royaume?, in: Autour de la France Capetienne. Personnages et institutions (Variorum
Reprint CS 267), London 1987, S. XIV.66-77.
60 John LE PATOUREL, Feudal Empires, Norman and Plantagenet (History Series 18), London
1984; John LE PATOUREL, The Norman Empire, Oxford 1976; vgl. James Clarke HOLT, John Le
Patourel 1909-1981, in: Proceedings of the British Academy 71 (1986), S. 583-596. VALE 1996;
Malcolm VALE, England, France and the Origins of the Hundred Years War, in: England and
Her Neighbours. 1066 - 1453. Essays in Honour of Pierre Chaplais, hg. v. Michael
Jones/Malcolm Vale, London 1989, S. 199-216. Die gemeinsame »Anglo-French civilisation«
förderte sicherlich Kommunikation und Austausch zwischen den Oberschichten beider Rei-
che. Obwohl sie aus der Rückschau geringfügig erscheinen, konnten jedoch auch die Unter-
schiede in Sprache und Lebensgewohnheiten zu Kristallisationspunkten nationaler Abgren-
zung werden; vgl. z.B. William ROTHWELL, The Taus franceis d'Angleterre'. Later Anglo-
 
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