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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0273

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Akt von St-CIair-sur-Epte

269

fürchte, könne er nicht mehr ihr Herzog sein. Sie wollten nach Dänemark zu-
rückkehren, da sie ja offenbar keinen Herzog mehr hätten. Erst als sich Wil-
helm daraufhin zum Kampf entschließt und so seine conshrnfM vzn'Es beweist,
nimmt der Gefolgsmann die cf o&scowM rcrhz zurück, mit denen er seinen
Herzog fMrpz'fcr gereizt hatte'".
Möglicherweise gibt auch Wilhelm von Malmesbury ein mündlich tra-
diertes, im 12. Jahrhundert dann allerdings nicht mehr verständliches Spott-
gedicht in der Tradition der skandinavischen m'd-Verse wieder, wenn er be-
richtet, Wilhelm der Eroberer habe in seiner frühen Jugend (pn'ma adMfcsccnf z%)
so keusch gelebt, daß sich das Gerücht allgemein verbreitete, »er vermöge
nichts mit einer Frau« (casfffafcw SMspcxz'f in fanfMm Mf puMzcc sercrcfMr mcfu'f
z'l?M771 possc)7
Die eigenständige politische Rolle der Frau als consors rcgrzG und die Inan-
spruchnahme des %MxiEM77i von Verwandten, Freunden oder Getreuen waren
in der fränkischen Adelsgesellschaft des 10. Jahrhunderts durchaus akzep-
tiert. Rollo aber war mit der formalen Anerkennung des königlichen Herr-
schaftsanspruchs im Akt von St-Clair-sur-Epte bereits an die Grenzen dessen
gegangen, was mit der männlichen Ehre eines normannischen Kriegers ver-
einbar war.

7. Maskulinität und Herrschaft.
Entmannung als Strafe für Vergehen gegen die
normannischen Herzoge und die anglo-normannischen
Könige
Männlichkeit als Grundlage adliger Ehre war kein normannisches Spezifi-
kum. Außergewöhnlich aber ist die zentrale Rolle der Maskulinität im nor-
mannischen Kulturraum, die auch die ansonsten fast vollständige sprachliche
und kulturelle Frankisierung überdauerte \ Ein wichtiges Indiz dafür ist die
auffällige Rolle der Entmannung als politische Strafe, die sich außerhalb

70 Dudo Sancti Quintini, De moribus et actis primorum Normanniae ducum (ed. Lair), S. 189 f.;
vgl. auch Gesta Normannorum Ducum (OMT; ed. van Houts), Bd. 1, S. 78 f.
71 Guileimus Malmesburiensis, Gesta regum Anglorum (OMT; ed. Mynors et ab), Bd. 1, S. 500
(m.273.1). »Unziemliche Spottlieder« waren noch im frühen 12. Jahrhundert geläufig: Wegen
Abfassung, Singens und Verbreitens von ;'n&cenfgs cauhiguae und &n'sonag canh'ones ließ
Heinrich I. Lukas von La Barre blenden; Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica (OMT; ed.
Chibnall), Bd. 6, S. 352 (XII.39).
72 Rainer ERKENS, 'Sicut Esther regina'. Die westfränkische Königin als 'consors regni', in:
Francia 20.1 (1993), S. 15-38.
73 Zur Bedeutung des Gegensatzes Männlichkeit/Unmännlichkeit in der historiographisch sti-
lisierten Rhetorik normannischer Heerführer vgl. John R. E. BLIESE, The Courage of the
Normans - A Comparative Study of Battle Rhetoric, in: Nottingham Medieval Studies 35
(1991), S. 1-26, S. 5 und 9; John R. E. BLIESE, Rhetoric and Morale. A Study of Battle Orations
from the Central Middle Ages, in: Journal of Medieval History 15 (1989), S. 201-226, S. 204
und 208.
 
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