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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0212

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208

Kapitel III

rückhaltende Antwort, bei seinen Brüdern und den französischen Baronen
dagegen auf offene und verächtliche Ablehnung gestoßen (tym'&MS rex Fran-
conim mo&sfe sctf/hürcs ezMS cf ophwafcs Fmwcomm aspcrc Mz'mz's cf
zzcgafon'c cf zzzzgaforzc rcspozz&rzzzzf)^.
Daß die Ratgeber des Königs in einer so wichtigen Frage tatsächlich so
lange Widerstand gegen den ausdrücklichen Willen des Königs leisteten, ist
kaum vorstellbar. Wahrscheinlich gehörte es zur Selbstinszenierung Ludwigs
IX. als rcx ^acz/zczzs (und zur Verhandlungsstrategie der französischen Seite),
daß der König gegenüber den englischen Gesandten die der königlichen Mil-
de angemessene Rolle des »guten« wohlwollenden, sein Rat dagegen die un-
dankbare Rolle des »bösen« sich verweigernden Verhandlungspartners über-
nahm.
Deutlich erkennbar ist bei Matthaeus Paris ebenso wie bei Joinville, daß in
der Mitte des 13. Jahrhunderts zwei konkurrierende und im Grunde nicht
miteinander vereinbare Deutungsmuster die Wahrnehmung der englisch-
französischen Beziehungen bestimmten: Der personale Verwandtschafts- und
Freundschaftsdiskurs, dessen sich der König bedient, steht neben dem lehen-
rechtlichen Diskurs, der seinen Ratgebern und Baronen zugeschrieben wird.

2. Der Vertrag von Paris. Friedensordnung,
Kreuzzugsfinanzierung oder gekauftes
Von der zentralen Bedeutung des Freundschaftsdiskurses für die Ausgestal-
tung der Beziehungen zwischen Heinrich III. und Ludwig IX. läßt der Text
des Vertrages von Paris nichts erahnen. Abgesehen von der Anrede cfzzcr cozz-
szzz ist dort mit keinem Wort von »Freundschaft« und »Liebe« die Rede; auch
die durch Verschwägerung begründete Verwandtschaft beider Könige wird
nicht erwähnt. Vielmehr wird eine rein lehenrechtliche Klärung des Verhält-
nisses versucht.
Seit 1202 hatten beide Seiten auf Maximalpositionen beharrt. Johann Oh-
neland und sein Nachfolger Heinrich III. erkannten den Verlust des anglo-
angevinischen Festlandsbesitzes nicht an ' und führten in ihren Urkunden wie

78 Matthaeus Paris, Chronica maiora (RS 57; ed. Luard), Bd. 5, S. 649 I.
79 Matthaeus Paris, Chronica maiora (RS 57; ed. Luard), Bd. 5, S. 659 I., der den Frieden von Pa-
ris nicht mehr erlebte, laßt die englische Rechtsposition in seinem zweiten Bericht über die
erfolglose englische Gesandtschaft im Herbst 1257 folgendermaßen zusammen: »Der engli-
sche König schickte eine feierliche Gesandtschaft an den französischen König, ... damit,
wenn es irgendwie ehrenvoll möglich wäre, bevor ein blutiger Kampf Feindschaft und Blut-
vergießen hervorbrächte, der französische König dem englischen König die ihm von alters
her zustehenden Rechte zurückgebe. Denn es scheint weder dem Recht noch der Frömmig-
keit zu entsprechen, daß der Sohn für das Unrecht des Vaters gestraft wird (Ez 18, 20). Ge-
nug fürwahr ist jeder von beiden gestraft und geschädigt worden, denn schon seit fünfzig
Jahren ist der englische König seiner Länder jenseits des Meeres beraubt und empfindet dies
schmerzlich. Die dorthin geschickten Gesandten aber kehrten schweigend zurück, nachdem
 
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